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Die Ärztliche Begutachtung
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Publiziert am: 07.02.2023

Kausalitätsbegutachtung bei psychischen Störungen

Verfasst von: Bernhard Widder
Basierend auf der aktuellen Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen (AWMF-Register Nr. 051-029) und unter Bezug auf die ICD-10/11- und DSM-Definitionen werden die gutachtlichen Kriterien der Kausalitätsbeurteilung bei geltend gemachten psychischen Schädigungsfolgen beschrieben, ergänzt durch wichtige Literaturstellen zur Prävalenz und zum Verlauf der jeweiligen Störungen. Grundsätzlich unterschieden wird dabei in erlebnisreaktive Traumafolgestörungen und mittelbare psychische Folgen eines Körperschadens. Unter Verweis auf die neue ICD-11 werden auch die Begutachtungskriterien für die komplexe posttraumatische Belastungsstörung diskutiert, der vor allem im sozialen Entschädigungsrecht Bedeutung zukommt.

Einleitung

Die Ausführungen im Beitrag beziehen sich in ihren wesentlichen Aspekten auf Teil III (Begutachtung bei Kausalitätsfragen im Sozial-, Zivil- und Verwaltungsrecht) der Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen (AWMF-Register Nr. 051-029) (Widder et al. 2019).

Rechtsgebiete

Bei Gutachten zu psychischen Schädigungsfolgen stehen bei Weitem Unfallereignisse im Vordergrund, die vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung und der PKW-Haftpflichtversicherung erfasst sind. Hierbei sind die unterschiedlichen Kausalitäts- und Beweismaßstäbe der beiden Rechtsgebiete zu beachten (Gaidzik 2018). Hinsichtlich der privaten Unfallversicherung ist die Situation unklar. Zwar sind hier gemäß den üblichen Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB) krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgenommen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat dies zum Teil jedoch in Frage gestellt (Widder und Gaidzik 2006). Entsprechend empfiehlt es sich, im Einzelfall beim Auftraggeber des Gutachtens nachzufragen, von welchem Sachverhalt auszugehen ist.
Hinzu kommen Begutachtungen im Sozialen Entschädigungsrecht, wo neben Wehrdienstbeschädigungen Gesundheitsschäden abzuklären sind, für deren Folgen „die staatliche Gemeinschaft“ (§ 5 SGB I) einsteht. Die häufigste Anwendung findet hier das Opferentschädigungsgesetz (OEG) für Betroffene, die „infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten“ haben. Durch das am 19. Dezember 2019 verabschiedete Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts (BGBl. I, S. 2652) erfolgte eine umfassende Reform der sozialen Entschädigung in einem neuen SGB XIV, welches zum 01.01.2024 in Kraft treten soll und bisherige Entschädigungstatbestände nach dem Bundesversorgungsgesetz, dem OEG sowie andere Nebengesetze in einem Gesetzesbuch zusammenfasst. Entschädigungsfragen von Opfern der ehemaligen DDR treten aus biographischen Gründen inzwischen eher in den Hintergrund.

Unmittelbare und mittelbare Traumafolgen

Aus rechtlicher Sicht sind in Abhängigkeit des „Erstschadens“ zwei Entstehungswege psychischer Schädigungsfolgen grundsätzlich zu unterscheiden: Zum einen „unmittelbare“ psychische Reaktionen auf das Erleben des Unfall- oder sonstigen versicherten Schädigungsereignisses sowie „mittelbare“ psychische Reaktionen auf primär körperliche Schädigungsfolgen (Abb. 1). Nicht selten liegen auch beide Arten von Traumafolgestörungen vor.

Grundlagen der Psychotraumatologie

Traumabegriff

Dem Wortsinn des aus dem Griechischen stammenden Begriffs (τραύμα) nach liegt ein Trauma bzw. Traumatisierung erst dann vor, wenn es nachweislich zu einer Verletzung oder Wunde, demnach zu einer tatsächlichen Schädigung gekommen ist. Dies ist im gutachtlichen Kontext, bei dem in allen Rechtsgebieten der körperliche und/oder seelische „Erstschaden“ ohne vernünftigen Zweifel zu belegen ist, von eminenter Bedeutung. Solange ein derartiger Schaden nicht nachgewiesen ist, sollte daher stets von einem potenziell traumatisierenden Ereignis gesprochen werden (Foerster 2010).

Traumaarten

Im Zusammenhang mit der Entwicklung posttraumatischer Störungen werden anhand der Dauer der Belastung nach Terr (1994) und Maercker (2013) zwei Traumaarten unterschieden (Tab. 1):
  • Typ I-Traumen sind kurzdauernde traumatisierende Ereignisse, die durch akute Lebensgefahr, Plötzlichkeit und Überraschung gekennzeichnet sind.
  • Typ II-Traumen bezeichnen lang andauernde, sich wiederholende Traumen wie Kindesmissbrauch, Folter oder Kriegsgefangenschaft. Entscheidend hierfür ist das Zusammentreffen sequenzieller traumatisierender Einzelerlebnisse mit einer kontinuierlichen, potenziell traumatogenen Situation (sogenannte „traumatische Normalität“).
Tab. 1
Unterschiedliche Formen potenziell traumatisierender Ereignisse als Ursache posttraumatischer Belastungsstörungen in Anlehnung an DSM-5
 
Typ I-Traumen
einmalig/kurzdauernd
Typ II-Traumen
mehrfach/langdauernd
Akzidentielle Traumen
Schwere Verkehrsunfälle
Kurzdauernde Naturkatastrophen (z. B. Blitzschlag)
Technische Katastrophen (z. B. Tankexplosion)
Medizinische Katastrophen (z. B. anaphylaktischer Schock)
Berufsbedingte Traumen (z. B. Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte)
Langdauernde Naturkatastrophen (z. B. Flut)
Interpersonelle Traumen
Sexuelle Übergriffe (z. B. Vergewaltigung)
Schwere körperliche Gewalt (z. B. Überfall auf der Straße)
Ziviles Gewalterleben (z. B. Banküberfall)
Sexueller Missbrauch in Kindheit und Jugend
Körperliche Misshandlungen in Kindheit und Jugend
Kriegserfahrungen als Soldat oder Zivilist
Geiselhaft
Mit Folter einhergehende Haft

Resilienz/Vulnerabilität

Glücklicherweise erkranken nicht alle Menschen nach dem Erleben eines potenziell traumatischen Ereignisses. Viele erfahren Traumatisierungen und unterschiedlichste Katastrophen und kommen trotzdem im Leben zurecht. Diese Fähigkeit, Krisen zu meistern, wird mit dem Begriff der Resilienz beschrieben (Bonanno 2004). Die Beobachtung, dass Menschen aus traumatischen Erfahrungen auch gestärkt hervor gehen können, wird als „posttraumatisches Wachstum“ bezeichnet (Tedeschi und Calhoun 2004).
Vulnerabilität beschreibt als Gegenteil von Resilienz eine vermehrte Verletzbarkeit und höhere Erkrankungswahrscheinlichkeit. Resilienz- und Vulnerabilitätsphänomene können neurobiologisch, genetisch, epigenetisch, psychosozial oder auch biographisch (Lebensalter) begründet sein und interagieren im Sinne komplexer Wechselwirkungen (Abschn. 2.5).

Entwicklung und Verlauf psychoreaktiver Störungen

So gut wie alle Menschen erleben im Verlauf ihres Lebens ein oder mehrere potenziell traumatisierende Ereignisse (Hyland et al. 2017), aber in Abhängigkeit der Resilienz kommt es nur bei einem geringen Anteil zu anhaltenden Traumafolgestörungen (Breslau 2009; Kessler et al. 2017). Dabei sind Unterschiede zwischen den verschiedenen Traumaarten zu beachten (Abb. 2).

Typ I-Traumen

Nach den zahlenmäßig häufigen Typ I-Traumen gelingt einer kleineren Gruppe die Anpassung an die Erlebnisse nicht. Dies äußert sich in Symptomen einer Anpassungsstörung oder es entwickeln sich im Einzelfall auch darüber hinaus schwerwiegendere depressive Episoden, komplexere ängstliche und/oder somatoforme Störungen, chronische Schmerzsyndrome sowie Abhängigkeitserkrankungen (Alkohol, Medikamente) – dies insbesondere dann, wenn anhaltende körperliche Schädigungsfolgen zurückbleiben, welche die Lebensqualität dauerhaft einschränken (Abschn. 4).
Bei einer noch kleineren Gruppe entsteht nach einem einmaligen Trauma eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), die jedoch in der überwiegenden Zahl der Fälle – insbesondere nach geeigneter Therapie – in einem überschaubaren Zeitraum (weitgehend) abklingt. Eine Ausnahme stellen interpersonelle Traumen, z. B. Vergewaltigungen, dar, die mit einer höheren PTBS-Inzidenz einhergehen und eher chronifizieren können.

Typ II-Traumen

Haben Betroffene lang dauernde Schädigungsereignisse mit wiederholten Traumatisierungen erlebt, sind die Morbiditätsraten in der Regel höher. Bei zwischenmenschlichen Gewalterfahrungen spielt das Alter der Betroffenen eine ebenso wichtige Rolle wie die Nähe im Beziehungsgefüge. In dieser Gruppe finden sich dann auch nicht selten komplexe posttraumatische Belastungsstörungen (kPTBS), wie in der ICD-11 neu eingeführt.

Einflussfaktoren auf psychoreaktive Störungen

Psychoreaktive Symptome hängen in ihrer Entwicklung und Ausprägung sowie im Verlauf von zahlreichen prä-, peri- und posttraumatischen Faktoren ab (Tab. 2). Derartige Faktoren werden in der ICF-Klassifikation (International Classification of Functioning, Disability and Health) als „Kontextfaktoren bezeichnet. Diese können förderlich oder als Barriere für die Entstehung einer Traumafolgestörung und für den Gesundungsprozess wirken. Im gutachtlichen Kontext ist zu berücksichtigen, dass dem Wunsch nach materieller und/oder immaterieller Entschädigung sowie Schuldaspekten nach Unfallereignissen eine bedeutsame Rolle zukommt (Grant et al. 2014; Giummarra et al. 2017).
Tab. 2
Beispiele von Kontextfaktoren für die Entwicklung psychoreaktiver Störungen (mod. nach Beck und Sloan (2012))
Prätraumatische Faktoren
Peritraumatische Faktoren
Posttraumatische Faktoren
Personbezogen
Geschlecht, Alter, Bildung, Intelligenz
Frühere traumatische Erfahrungen, biographische Belastungen
Vorerkrankungen
Persönlichkeitsfaktoren
Objektiver Schweregrad des körperlichen Traumas
Schweregrad des peritraumatischen Bedrohungserlebens
Eigene Coping-Mechanismen,
Heilungsverlauf
Schuldaspekte, Opferstatus
Motivationale Aspekte
Weitere Belastungen und/oder Traumata
Umweltbezogen
Private und berufliche Situation
Soziales Umfeld (Beziehungen in Familie, Freunde, Arbeit)
Art, Schwere, Dauer der traumatischen Situation
Zeitpunkt und Art der Erstversorgung
Rolle des Gesundheitswesens
Reaktion des sozialen Umfelds (Familie, Freunde, Arbeitgeber)
Straf- und Ermittlungsverfahren
Versicherungs- und entschädigungsrechtliche Aspekte

Psychoreaktive Störungen in der ICD-Klassifikation

Die Symptomatik psychoreaktiver Störungen ist vielgestaltig und beschränkt sich nicht auf posttraumatische Belastungsstörungen, wenngleich diese Diagnose von vielen Ärzten und Psychologen als einzig mögliche Traumafolgestörung angesehen wird. Nachdem das DSM-5 keine eigene Verschlüsselung kennt, sind zumindest im Bereich des Sozialrechts für die Diagnosestellung bei psychoreaktiven Störungen derzeit noch die ICD-10-Diagnosen mit der zugehörigen Kodierung maßgeblich (Tab. 3).
Tab. 3
Kategorien psychischer Störungen in möglichem Zusammenhang zu Traumafolgestörungen gemäß der ICD-10-Klassifikation
ICD
Diagnose
Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
F43.0
F43.1
F43.2
Anpassungsstörung
F43.8
Sonstige Reaktionen auf schwere Belastung
Sonstige psychische Störungen, die gutachtlich in der Differenzialdiagnose von Bedeutung sein können (in der Reihenfolge der ICD-Nummerierung)
F10–F19
Substanzmissbrauch und Abhängigkeitserkrankungen
F32/33
F40
F41.0
F41.1
F44
Dissoziative Störung
F45
Somatoforme Störung
F50
F60.3
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
F62.0
Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung
F68.0
Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen

Begutachtung erlebnisreaktiver Störungen

Sofern bei geltend gemachten psychischen Schädigungsfolgen ein unmittelbarer (Anscheins-)Beweis nicht zu führen ist, erfordert die gutachtliche Kausalitätsbeurteilung den positiven Nachweis möglichst vieler Indizien. Wenn diese die „Brücke“ zwischen einem Schädigungsereignis und einem ansonsten retrospektiv nicht ausreichend beweisbaren Schaden bilden, werden diese im gutachtlichen Kontext auch als „Brückensymptome bezeichnet (BMAS 2015; Schönberger et al. 2017). Je mehr solcher Indizien nachweisbar sind und je bedeutsamer diese erscheinen, umso mehr untermauern diese die Diagnose einer kausalen ereignisreaktiven Störung (Tab. 4) im Sinne einer Indizienbeweisführung
Tab. 4
Mögliche Anknüpfungstatsachen als Indizien für den Nachweis ereignisreaktiver psychischer Störungen
Anknüpfungstatsache
Gutachtliches Kriterium
Schweregrad
Nachweis eines geeigneten objektiven Schweregrades des/der Ereignisse/s
Erstsymptomatik
Nachweis einer geeigneten Erstsymptomatik in geeignetem zeitlichem Zusammenhang zu dem/den Ereignis/sen anhand der Aktenlage in Korrelation zur Schilderung des Probanden im Rahmen der Begutachtung
Folgesymptomatik
Nachweis nachfolgend aufgetretener, charakteristischer Symptome der betreffenden Störung
a) retrospektiv anhand der Aktenlage in Korrelation zur Schilderung des Probanden im Rahmen der Begutachtung
b) aktuell anhand der im Rahmen der gutachtlichen Untersuchung erhobenen Befunde
Verlauf
Nachweis eines „geeigneten“ klinischen Verlaufs, auch in Bezug auf indizierte und/oder stattgehabte Therapien
Konsistenz
Nachweis eines in sich schlüssigen Bildes in der Zusammenschau von Akten und klinischem Bild (Beschwerdenvalidierung)

Akute Belastungsreaktion (F43.0)

Bei gleicher Benennung besitzt die Diagnose der akuten Belastungsreaktion in den Klassifikationssystemen unterschiedliche Bedeutung:
  • Gemäß ICD-10 handelt es sich um eine vorübergehende Störung von beträchtlichem Schweregrad, die sich (auch) „bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche körperliche oder seelische Belastung entwickelt“, unmittelbar nach dem Ereignis auftritt und im Allgemeinen innerhalb weniger Tage nach dem Ereignis abklingt. Eine ähnliche Definition findet sich auch in der ICD-11, wurde dort aber als letztlich „normale“ Reaktion in die Z-Kategorie verschoben.
  • Das DSM-5 (hier als akute Belastungsstörung bezeichnet) versteht demgegenüber unter Nennung annähernd derselben diagnostischen Kriterien wie der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) hierunter eine „Vorstufe“ oder „Frühreaktion“ der PTBS, die dann entweder im Verlauf weniger Tage bis Wochen abklingt oder in eine PTBS übergehen kann.
Gutachtliche Bedeutung kommt der akuten Belastungsreaktion vor allem bei der Beurteilung der unmittelbaren Situation nach einem potenziell traumatischen Ereignis zu. In der ICD-11 werde akute Belastungsreaktionen nicht als krankheitswertig, sondern als „normale“ Reaktion angesichts eines Ereignisses oder einer Situation extrem bedrohlicher oder schrecklicher Natur beschrieben.

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS; F43.1)

Prävalenz und Inzidenz

Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens psychoreaktiver Störungen unterscheidet sich je nach Art des traumatischen Ereignisses. So ist das Risiko, nach einem potenziell traumatischen Ereignis an einer PTBS zu erkranken, nach Vergewaltigung wesentlich höher als dasjenige nach einem Autounfall (Kessler et al. 1995, 2017) (Abb. 3).

Eingangskriterium

Eine posttraumatische Belastungsstörung kann sich gemäß den verschiedenen Klassifikationssystemen im Gefolge traumatisch erlebter Ereignisse entwickeln (sog. A-Kriterium) (Tab. 5), wobei das DSM-5 ergänzend verschiedene konkrete Beispiele anführt (Tab. 6).
Tab. 5
Eingangskriterium (A-Kriterium) der PTBS in den verschiedenen Klassifikationssystemen
Klass.
Beschreibung
ICD-10
Verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Hierzu gehören durch Naturereignisse oder von Menschen verursachte Katastrophen, Kampfhandlungen, schwere Unfälle oder Zeuge eines gewaltsamen Todes anderer oder selbst Opfer von Folterung, Terrorismus, Vergewaltigung oder anderen Verbrechen zu sein.
ICD-11
„… wenn man einem extrem bedrohlichen oder entsetzlichen Ereignis oder einer Reihe von Ereignissen ausgesetzt war …“
DSM-5
Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt auf eine (oder mehrere) der folgenden Arten:
1. Direktes Erleben eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse.
2. Persönliches Erleben eines oder mehrerer solcher traumatischer Ereignisse bei anderen Personen.
3. Erfahren, dass einem nahen Familienmitglied oder einem engen Freund ein oder mehrere traumatische Ereignisse zugestoßen sind. Im Fall von tatsächlichem oder drohendem Tod des Familienmitgliedes oder Freundes muss das Ereignis bzw. müssen die Ereignisse durch Gewalt oder einen Unfall bedingt sein.
4. Die Erfahrung wiederholter oder extremer Konfrontation mit aversiven Details von einem oder mehreren derartigen traumatischen Ereignissen (z. B. Ersthelfer, die menschliche Leichenteile aufsammeln oder Polizisten, die wiederholt mit schockierenden Details von Kindesmissbrauch konfrontiert wurden).
Beachte: Eine Konfrontation durch elektronische Medien, Fernsehen, Spielfilme oder Bilder erfüllt das Kriterium A4 nicht, es sei denn, diese Konfrontation ist berufsbedingt.
Tab. 6
Beispiele und Präzisierungen für das A-Kriterium im DSM-5, ohne auf diese begrenzt zu sein (nach Falkai und Wittchen (2015))
A-Kriterium
Aufgeführte Beispiele und Präzisierungen
zu 1. Direktes Erleben traumatischer Ereignisse
Kriegserfahrungen als Soldat oder Zivilist,
drohender oder tatsächlicher körperlicher Übergriff (z. B. körperlicher Angriff, Raubüberfall, Überfall auf der Straße, körperliche Misshandlung in der Kindheit)
drohende oder tatsächliche sexuelle Gewalt (z. B. erzwungener Geschlechtsverkehr, durch Alkohol-/Drogenkonsum geförderter Geschlechtsverkehr, missbräuchliche Sexualkontakte, sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt, Zwangsprostitution)
Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folterung, Kriegsgefangenschaft,
Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen und
schwere Verkehrsunfälle.
Bei Kindern gehören zu den sexuellen Gewalterfahrungen auch Erfahrungen ohne direkte körperliche Gewalt oder Verletzungen, die aber dem Entwicklungsstand unangemessen sind.
Eine lebensbedrohliche Erkrankung oder stark einschränkende medizinische Beschwerden stellen nicht notwendigerweise traumatische Ereignisse dar. Medizinische Vorfälle, die die Kriterien eines traumatischen Ereignisses erfüllen, beinhalten plötzlich auftretende katastrophale Ereignisse (z. B. Aufwachen während einer Operation, anaphylaktischer Schock).
zu 2. Erleben traumatischer Ereignisse bei anderen Personen
Genannt werden „drohende oder ernsthafte Verletzung, unnatürliche Todesfälle, gewaltsamer körperlicher oder sexueller Missbrauch, häusliche Gewalt, Unfall, Krieg oder Naturkatastrophe oder schwerwiegender medizinischer Notfall bei einem eigenen Kind (z. B. lebensbedrohliche Blutung).
zu 3. Erfahren traumatischer Ereignisse anderen Personen
Beschränkung auf Ereignisse, die nahe Verwandte und enge Freunde sowie gewaltsame Erfahrungen und Unfälle betreffen (z. B. stellt ein natürlicher Tod kein traumatisches Ereignis dar). Derartige Ereignisse umfassen: gewaltsame persönliche Angriffe, Selbsttötung, schwere Unfälle und Verletzungen. Die Störung kann besonders schwer oder langandauernd sein, wenn sie vorsätzlich durch andere Menschen verursacht wurde (z. B. Folter, sexuelle Gewalt).

Syndromale Kriterien

Hinsichtlich der syndromalen Kriterien (B-E-Kriterium) repräsentiert das DSM-5 den aktuellen Kenntnisstand (Tab. 7).
Tab. 7
Syndromale Kriterien der PTBS im DSM-5 (nach Falkai und Wittchen (2015))
Krit.
DSM-5 (geringfügig gekürzt)
B
Wiedererleben (mindestens 1 Symptom):
1. Wiederkehrende, unwillkürlich sich aufdrängende belastende Erinnerungen (Intrusionen) an das oder die traumatischen Ereignisse.
2. Wiederkehrende, belastende Träume, deren Inhalte und/oder Affekte sich auf das oder die traumatischen Ereignisse beziehen.
3. Dissoziative Reaktionen (z. B. Flashbacks), bei denen die Person fühlt oder handelt, als ob sich das oder die traumatischen Ereignisse wieder ereignen würden.
4. Intensive oder anhaltende psychische Belastung bei der Konfrontation mit inneren oder äußeren Hinweisreizen, die einen Aspekt des oder der traumatischen Ereignisse symbolisieren oder an Aspekte desselben bzw. derselben erinnern.
5. Deutliche körperliche Reaktionen bei der Konfrontation mit inneren oder äußeren Hinweisreizen, die einen Aspekt des oder der traumatischen Ereignisse symbolisieren oder an Aspekte desselben oder derselben erinnern.
C
Anhaltende Vermeidung von Reizen, die mit dem oder den traumatischen Ereignissen verbunden sind (mindestens 1 Symptom):
1. Vermeidung oder Bemühungen, belastende Erinnerungen, Gedanken oder Gefühle zu vermeiden, die sich auf das oder die Ereignisse beziehen oder eng mit diesem/diesen verbunden sind.
2. Vermeidung oder Bemühungen, Dinge in der Umwelt (Personen, Orte, Gespräche, Aktivitäten, Gegenstände, Situationen) zu vermeiden, die belastende Erinnerungen, Gedanken oder Gefühle hervorrufen, die sich auf das oder die Ereignisse beziehen oder eng mit diesem/diesen verbunden sind.
D
Negative Veränderungen von Kognitionen und der Stimmung (mindestens 2 Symptome):
1. Unfähigkeit, sich an einen wichtigen Aspekt des oder der traumatischen Ereignisse zu erinnern (typischerweise durch dissoziative Amnesie und nicht durch andere Faktoren wie Kopfverletzungen, Alkohol oder Drogen bedingt).
2. Anhaltende und übertriebene negative Überzeugungen oder Erwartungen, die sich auf die eigene Person, andere Personen oder die Welt beziehen (z. B. „Ich bin schlecht“, „Man kann niemandem trauen“, „Die ganze Welt ist gefährlich“, „Mein Nervensystem ist dauerhaft ruiniert“).
3. Anhaltende verzerrte Kognitionen hinsichtlich der Ursache und Folgen des oder der traumatischen Ereignisse, die dazu führen, dass die Person sich oder anderen die Schuld zuschreibt.
4. Andauernder negativer emotionaler Zustand (z. B. Furcht, Entsetzen, Wut, Schuld oder Scham).
5. Deutlich vermindertes Interesse oder verminderte Teilnahme an wichtigen Aktivitäten.
6. Gefühle der Abgetrenntheit oder Entfremdung von anderen.
7. Anhaltende Unfähigkeit, positive Gefühle zu empfinden (z. B. Glück, Zufriedenheit, Gefühle der Zuneigung).
E
Veränderungen des Erregungsniveaus und der Reaktivität (mindestens 2 Symptome). Die Veränderungen haben nach dem oder den traumatischen Ereignissen begonnen oder sich verschlimmert.
1. Reizbarkeit und Wutausbrüche (ohne oder aus geringfügigem Anlass), welche typischerweise durch verbale oder körperliche Aggression gegenüber Personen oder Gegenständen ausgedrückt werden.
2. Riskantes oder selbstzerstörerisches Verhalten.
3. Übermässige Wachsamkeit (Hypervigilanz).
4. Übertriebene Schreckreaktionen.
5. Konzentrationsschwierigkeiten.
6. Schlafstörungen (z. B. Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten oder unruhiger Schlaf).
F
Das Störungsbild (Kriterien B, C, D und E) dauert länger als 1 Monat.
G
Das Störungsbild verursacht klinisch bedeutsames Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
H
Das Störungsbild ist nicht auf physiologische Effekte von Substanzen (z. B. Medikamente, Alkohol) oder eine andere körperliche Erkrankung zurückzuführen.
Subtypen
(A) Bestimme, ob mit dissoziativen Symptomen: Die beim Betroffenen auftretenden Symptome erfüllen die Kriterien für eine PTBS. Zusätzlich erlebt der Betroffene als Reaktion auf das auslösende Ereignis dauerhaft oder wiederkehrend eines der beiden folgenden Symptome:
1. Depersonalisation: anhaltende oder wiederkehrende Erfahrung des Losgelöstseins und das Gefühl, die eigenen Gedanken und Körperempfindungen von außen zu beobachten (z. B. Gefühl, als sei man in einem Traum; Gefühl der Unwirklichkeit des Selbst oder des Körpers oder alles wie in Zeitlupe zu erleben).
2. Derealisation: anhaltende oder wiederkehrende Erfahrungen der Unwirklichkeit der Umgebung (z. B. die Umgebung wird als unwirklich, wie im Traum, entfernt oder verzerrt wahrgenommen).
Beachte: Die dissoziativen Symptome dürfen nicht auf die Wirkung von Substanzen oder einen medizinischen Krankheitsfaktor (z. B. komplex fokale Anfälle) zurückzuführen sein.
(B) Bestimme, ob mit verzögertem Beginn: wenn das Auftreten und das Beschreiben einzelner Symptome zwar initial erfolgt, aber erst mindestens 6 Monate nach dem Ereignis alle diagnostischen Kriterien erfüllt sind.
WICHTIG
Die vielerorts gestellte Diagnose einer „partiellen PTBS ist in keinem psychiatrischen Klassifikationssystem verankert und sollte daher nicht gestellt werden. Psychoreaktive Störungen, für die zu keiner Zeit das „Vollbild“ einer PTBS nachweisbar war, sind im Allgemeinen den Anpassungsstörungen zuzurechnen (Abschn. 3.5).

Entwicklung der PTBS

Gemäß DSM-5 entwickelt sich eine PTBS „normalerweise“ innerhalb von 3 Monaten nach dem schädigenden Ereignis, es könne aber im Einzelfall „Monate oder sogar Jahre“ dauern, bis das für die Diagnosestellung erforderliche „Vollbild“ vorliegt. Dies bedeute jedoch ausdrücklich, dass die Betroffenen bis dahin keinesfalls psychisch gesund seien. Vermerkt ist vielmehr, dass „einige der Symptome typischerweise sofort auftreten“, was für die gutachtliche Beweisführung von wesentlicher Bedeutung ist.
Von einer PTBS mit verzögertem Beginn („delayed onset“ bzw. „delayed expression“ PTSD) wird gesprochen, wenn das Vollbild erst nach Ablauf von 6 Monaten eintritt. Die Studienlage hierzu ist uneinheitlich und schwer zu bewerten. Metaanalysen weisen ein sehr heterogenes Bild aus (Andrews et al. 2009; Smid et al. 2009; Utzon-Frank et al. 2014). Insbesondere Soldaten nach Kriegseinsatz scheinen zu einem verzögerten Beginn der PTBS zu neigen (Engdahl et al. 1998; Frueh et al. 2009). Soweit es nach einmaligen potenziell traumatischen Ereignissen wie Flutkatastrophen, Terrorattacken oder Flugzeugkatastrophen bei den Überlebenden zur Ausbildung einer PTBS kam (North und Oliver 2013), entwickelten sich posttraumatische Symptome jedoch stets zeitnah. Auch erscheint ein späteres Auftreten ohne bereits im Vorfeld nachweisbare Teilsymptome („sub-threshold“) nach den genannten Metaanalysen selten. Gutachtlich können folgende „Eckpunkte“ der Orientierung dienen:
  • Nach einmaligen Erlebnissen sind „asymptomatische Perioden“ über mehr als 3–6 Monate hinaus äußerst selten. Zu bedenken sind solche Konstellationen, wenn in dieser Zeit schwere körperliche Schäden die psychischen Störungen überdeckten.
  • Nach schweren, lang andauernden traumatischen Erlebnissen (z. B. Kriegserlebnisse, Konzentrationslager, Missbrauchserlebnisse in der Kindheit) ist die Manifestation klinisch relevanter Symptome auch mehrere Jahre bis Jahrzehnte später im dann eingehend zu begründenden Einzelfall möglich.

Verlauf der PTBS

Die Diagnose einer PTBS ist gemäß DSM-5 nur dann zu stellen, wenn die Symptomatik mindestens über einen Monat hinweg andauert. Danach kommt es in der Hälfte der Fälle innerhalb von 3 Monaten zu einer vollständigen Remission der PTBS-Symptome. Allerdings bleibe bei vielen anderen Betroffenen die Symptomatik über mehr als 12 Monate nach dem Trauma bestehen, teilweise über Jahrzehnte. Orientierende Daten hierzu sind dem WHO World Mental Health Surveys (Kessler et al. 2017) zu entnehmen (Abb. 4).

Gutachtliche Kriterien

Wie bereits der Begriff „posttraumatische“ Belastungsstörung impliziert, handelt es sich hierbei nach medizinischen Kriterien um die Folgen einer initialen psychischen Traumatisierung, aus der heraus sich im weiteren Verlauf entsprechende Symptome entwickeln. Diese initiale seelische Gesundheitsbeeinträchtigung durch das schädigende Ereignis entspricht dem nach rechtlichen Kriterien im „Vollbeweis“ nachzuweisenden „Erstschaden“. Zur Zusammenhangsbeurteilung sind die nachfolgenden Anknüpfungstatsachen gutachtlich im Einzelnen herauszuarbeiten und zu bewerten:
  • Geeigneter Schweregrad: Die initiale Klärung der Frage, welche Schädigungsereignisse „allgemein geeignet sind, die betreffende Störung hervorzurufen“ (vgl. BSG, Urteil v. 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R), wird mit dem „A-Kriterium“ der PTBS ermöglicht. Die entsprechenden Kriterien ergeben sich aus den Definitionen der ICD-10/11-Klassifikation (Tab. 5) sowie durch individuellen Analogschluss zu den im DSM-5 genannten Beispielen und Präzisierungen (Tab. 6). Darüber hinaus vermerkt die DSM-5-Klassifikation ausdrücklich einen Zusammenhang zwischen dem Schweregrad von Schädigungsereignissen und dem Auftreten einer PTBS („je größer das Ausmaß des Traumas, desto wahrscheinlicher die Entwicklung einer PTBS“).
  • Geeignete Erstsymptomatik: Die frühere Zusatzforderung des DSM-IV, wonach als sog. „A2-Kriterium“ im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu dem Schädigungsereignis „intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen“ nachweisbar sein mussten, wurde im DSM-5 mit dem Hinweis verlassen, dass das klinische Bild nach traumatisierenden Ereignissen vielfältiger ist. Die möglichen Reaktionsformen sind im zugehörigen DSM-5-Kommentar aufgelistet (Tab. 8). Bei nach objektiven Kriterien „katastrophalen“ Ereignissen erscheint gemäß der ICD-10/11-Definition ein zeitnaher Nachweis psychopathologischer Symptome entbehrlich. Sind keine unmittelbaren diesbezüglichen Symptome dokumentiert, ist gutachtlich bedeutsam, ob sich die empfundene persönliche Traumatisierung anhand der kritischen Würdigung der Vorbefunde und der gutachtlich erhobenen Befunde ohne vernünftigen Zweifel („Vollbeweis“) herausarbeiten lässt.
  • Geeignete PTBS-Symptome: Neben den beiden o. g. Kriterien erfordert die Diagnose des „Vollbildes“ einer PTBS Symptome („B-E-Kriterien“) über das subjektive Erleben des Betreffenden hinaus auf der objektivierbaren Befundebene. Maßgeblich ist hierbei der Nachweis typischer „Kernsymptome“ einer PTBS (Tab. 9), alle übrigen im DSM-5 genannten Symptome sind letztlich unspezifisch und sind auch bei anderen, nicht spezifisch einer PTBS zuzuordnenden Störungen zu eruieren. Darüber hinaus ist gutachtlich zwischen der retrospektiven Situation, ob zu einer bestimmten Zeit in der Vergangenheit das Vollbild einer PTBS vorlag, und dem aktuellen Vorliegen von PTBS-Symptomen entsprechend dem DSM-Kriterium G („das Störungsbild verursacht klinisch bedeutsames Leiden oder eine Beeinträchtigung der sozialen, beruflichen oder anderer bedeutsamer Fähigkeiten“) mit auf der Befundebene ersichtlichen Positiv- und Negativsymptomen zu unterscheiden (Tab. 10) (Leonhardt und Foerster 2003).
  • Geeigneter Verlauf: Gewöhnlich verläuft die PTBS nach minderschweren Ereignissen und/oder unter geeigneter Therapie in einem Zeitraum von 1–2 Jahren regredient mit abnehmender funktioneller Beeinträchtigung (Decrescendo). Ist dies nicht der Fall und es wird eine anhaltende oder sogar zunehmende Beeinträchtigung geltend gemacht, gilt es herauszuarbeiten, welche die Störung aufrechterhaltenden Faktoren vorliegen, z. B. Fehlen einer geeigneten Therapie, Reaktivierung/Retraumatisierung, Wegfall von Kompensationsfaktoren, und welche Bedeutung traumaunabhängigen Kontextfakten zukommt.
Tab. 8
Zeitnahe Reaktionsformen auf traumatisierende Ereignisse gemäß DSM-5 (Falkai und Wittchen 2015)
Reaktionsformen
Beschreibung
Angstreaktionen
Angstvolles Wiedererleben sowie emotionale oder behaviorale Symptome
depressive Reaktionen
Anhedonisch oder dysphorisch geprägte, anhaltende Änderungen der Stimmung und negative Kognitionen
Erregungsreaktionen
Arousal- und Externalisierungssymptome
dissoziative Reaktionen
Nicht näher aufgeschlüsselt („während bei anderen dissoziative Symptome dominieren“)
kombinierte Reaktionen
s. o.
Tab. 9
Gutachtlich bedeutsame „Kernsymptome“ der PTBS für die retrospektive Diagnosesicherung nach DSM-5. Weitere für die Diagnosestellung einer zum Zeitpunkt der Begutachtung noch bestehenden PTBS wesentliche Symptome Tab. 10
DSM-5
Kriterium
Symptom
B
Wiedererleben
• unwillkürlich auftretende eindringliche Erinnerungen (Intrusionen)
• in Inhalt und/oder Affekt ereignisbezogene Alpträume
• unwillkürlich auftretendes dissoziatives, nicht steuerbares Wiedererleben der traumatischen Situation („Flashbacks“)
• nach Triggerreizen auftretende psychische und/oder körperliche Reaktionen
C
Vermeidungsverhalten
• Vermeidung bewusster Erinnerungen an die traumatische Situation
• Vermeiden traumabezogener Triggerreize (Personen, Orte, Gespräche, Aktivitäten, Gegenstände, Geräusche, Gerüche)
Tab. 10
Mögliche objektivierbare Symptome einer PTBS während der gutachtlichen Untersuchung in Anlehnung an die DSM-5-Vorgaben
Krit.
Beobachtbare Symptomatik
B4
Psychische Reaktion bei Diskussion des Traumaerlebnisses mit ersichtlicher Sprachveränderung, Vermeiden eines zuvor bestehenden Blickkontakts, Problemen beim Finden von Worten, Umkippen in eine „konfuse“ Schilderung bei zuvor sachgerechter Beschreibung des Werdegangs bis hin zu einer dissoziativ veränderten Situationswahrnehmung, die über ein kurzes Gedankenabschweifen hinausgeht und mit einem Kontaktabbruch zum Untersucher einhergeht
B5
Körperliche Reaktion bei Diskussion des Traumaerlebnisses mit Schweißausbruch, vertiefter Atmung, Veränderung der Pupillenweite und/oder Hautfarbe, Auftreten von Unruhe, Muskelanspannung und/oder Blutdruck- und Pulsanstieg
C1
Ersichtliches Vermeidungsverhalten bzgl. der Erinnerung an das traumatische Ereignis, indem zwar das Umfeld der traumatischen Situation, nicht jedoch dieses selbst beschrieben wird, oder indem die Schilderung der traumatischen Situation „überspielt“ und dem Untersucher kaum Gelegenheit gegeben wird nachzufragen. CAVE: Ängste vor einem erneuten traumatischen Ereignis stellen demgegenüber eine normale Reaktion dar und sind kein Vermeidungsverhalten
D1
Erinnerungslücke für einen wichtigen Aspekt des oder der traumatischen Ereignisse
D3
Irreale (!) eigene Schuldgefühle hinsichtlich der Ursache und Folgen des oder der traumatischen Ereignisse
D6
Affektive Einengung als Symptom der Entfremdung und des Abgetrenntseins, ersichtlich z. B. anhand des Kontaktverhaltens während der vom Thema des Traumaerlebens losgelösten körperlichen Untersuchung
E3
Übermäßige Wachsamkeit mit anhaltender Anspannung, Beobachtung des Umfelds im Untersuchungszimmer und niederschwelliger Reagibilität auf Geräusche (z. B. Schritte im Flur)
E4
Übertriebene Schreckreaktionen während der Exploration und körperlichen Untersuchung (z. B. plötzliche Bewegungen des Untersuchers)
E5
Konzentrationsschwierigkeiten mit ersichtlichem Nachlassen der Aufmerksamkeit und der Konzentration im Verlauf der gutachtlichen Exploration und Untersuchung
WICHTIG
Im gutachtlichen Kontext erscheint eine Befragung zu den geltend gemachten traumatischen Ereignissen legitim, nachdem die Betroffenen üblicherweise selbst oder über eine anwaltliche Vertretung einen Antrag auf Anerkennung bzw. Entschädigung für das/die erlebte/n Ereignis/se gestellt und sich damit im Vorfeld der Begutachtung bereits zwangsläufig eingehend damit beschäftigt haben. Es ist jedoch die Aufgabe und das Geschick des Gutachters, die Probanden dabei nicht mehr als notwendig zu belasten. Neben der ergebnisoffenen Frage, was passiert ist, eignen sich für die Exploration von Schädigungsereignissen auch Fotografien oder schriftliche Zeugenaussagen, die häufig in den Akten enthalten sind und gemeinsam mit den Probanden in Augenschein genommen werden können. Ggf. können die Probanden gebeten werden, eine Skizze der Unfallsituation zu zeichnen.
ÜBERSICHT Leitlinienempfehlung III.1
Anknüpfungstatsachen für die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als Folge des Erlebens eines einmaligen traumatisierenden Ereignisses sind
  • ein objektiver Schweregrad des Ereignisses im Sinne des A-Kriteriums der DSM-5- und/oder ICD-Klassifikation,
  • der Nachweis einer psychischen Traumatisierung in geeignetem zeitlichem Zusammenhang zu dem Ereignis (im rechtlichen Kontext als „Erstschaden“ bezeichnet),
  • der Nachweis charakteristischer Symptome einer PTBS gemäß der DSM-5-Klassifikation (B-E-Kriterien) mit Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen (G-Kriterium),
  • ein nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand plausibler klinischer Verlauf der Symptomatik,
  • keine konkurrierenden Faktoren, die für die Symptomatik maßgeblich sind oder diese unterhalten,
  • Vorliegen einer authentischen Beschwerdendarstellung.

Komplexe posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS)

Prävalenz und Inzidenz

Langanhaltende, mehrfache oder wiederholte Traumatisierungen – vor allem in der Kindheit und Jugend – können zu komplexen psychischen Folgestörungen führen, die nicht mit dem Störungsbild einer „einfachen“ PTBS ausreichend klassifiziert werden können (Ebbinghaus 2013). Bereits 1992 wurde hierfür von Herman (1992) der Begriff der „komplexen PTBS“ (im weiteren Text als kPTBS bezeichnet) geprägt, wurde jedoch jetzt erstmals in die neue ICD-11 als eigenständige Diagnose aufgenommen.
Bezüglich Prävalenz, Dauer und ggf. typischen Verläufen ist aus der Literatur nur wenig abzuleiten. Dies liegt darin begründet, dass die Diagnose bislang nach den Diagnosemanualen DSM und ICD nicht kodierbar war. Gemäß einer aktuellen Befragung von Maercker et al. (2018) zeigten sich Symptome einer kPTBS bei 0,5 % der Allgemeinbevölkerung, eine Studie aus Israel nennt mit 2,6 % eine höhere Zahl (Ben-Ezra et al. 2018). Personen, die chronische Traumatisierungen in Form von Kindheitsmissbrauch erfahren hatten, hatten nach Cloitre et al. (2013) ein hohes Risiko eine kPTBS zu entwickeln. Der Zusammenhang zwischen jüngerem Alter zum Zeitpunkt der ersten Traumatisierung und der höheren Wahrscheinlichkeit der Diagnose einer kPTBS bzw. Schwere der Symptomatik gilt als gesichert (Ford und Kidd 1998; van der Kolk et al. 1996; Schore 2002; Horesh et al. 2013).
Hyland et al. (2017) fanden in einer dänischen Kohortenstudie von 2980 Probanden im Alter von 24 Jahren Symptome einer kPTBS gemäß ICD-11 im Vergleich zur PTBS vor allem nach kindlichem sexuellem Missbrauch, in etwas geringerem Umfang auch nach Gewalterfahrungen in der Kindheit und Jugend. Das Risiko, eine kPTBS – und nicht eine PTBS – zu entwickeln, vergrößerte sich mit der Anzahl der erfahrenen Kindheitstraumatisierungen. Überraschenderweise bestand allerdings auch ein nahezu vergleichbarer Zusammenhang mit einer fehlenden beruflichen Tätigkeit, weshalb auf die Bedeutung sozialer Faktoren hingewiesen wurde. Auch wenn sich eine kPTBS erst im Erwachsenenalter (z. B. nach Folter, Kriegsgefangenschaft, wiederholten Kampfeinsätzen) manifestiert, sind Traumatisierungen interpersoneller Art während früher Entwicklungsphasen am stärksten mit der Entwicklung einer kPTBS assoziiert (Cloitre et al. 2009).

Diagnostische Kriterien

Die Existenz komplexer Traumafolgestörungen nach sequenziellen und lang anhaltenden Traumatisierungen in Kindheit und Jugend ist anhand von Studien gut belegt (Freyberger und Terock 2016). Kindheitsmissbrauch stellt dabei das prototypische Beispiel eines Risikofaktors für kPTBS dar, da dieser oft wiederholt auftritt und/oder lang anhaltend ist und auch verschiedene Arten von interpersonellen Traumen beinhaltet (z. B. sexuelle, körperliche und emotionale Gewalt). Zudem ist Flucht hierbei aufgrund sozialer, Reife- und psychologischer Faktoren sehr schwierig.
Neben dem Eingangskriterium über einen längeren Zeitraum andauernder oder repetitiver, extrem bedrohlich erlebter Ereignisse hinaus ist die Diagnose einer kPTBS dabei gemäß ICD-11 durch das gemeinsame Vorliegen von zwei syndromalen Kriterien geprägt (Tab. 11):
  • Zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vorgeschichte oder aktuell sind „Kernsymptome“ einer PTBS nachweisbar, welche die Diagnose einer PTBS begründen, und
  • Es sind Störungen der Selbstorganisation mit Beeinträchtigungen der Affektregulation, negativem Selbstbild und Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung nachweisbar (Abb. 5), die nicht durch eine schädigungsunabhängige Persönlichkeitsstörung bedingt sind (Brewin et al. 2017).
Tab. 11
Definition der komplexen posttraumatischen Störung in der ICD-11
 
ICD-11 6B61
Ereignisdefinition
… die sich entwickeln kann, nachdem man einem Ereignis oder einer Reihe von Ereignissen extrem bedrohlicher oder schrecklicher Natur ausgesetzt war, meist lang anhaltende oder sich wiederholende Ereignisse, denen man nur schwer oder gar nicht entkommen kann (z. B. Folter, Sklaverei, Völkermordkampagnen, lang anhaltende häusliche Gewalt, wiederholter sexueller oder körperlicher Missbrauch in der Kindheit)
Symptomatik
Alle diagnostischen Voraussetzungen für eine PTBS sind erfüllt. Darüber hinaus ist die komplexe PTBS gekennzeichnet durch schwere und anhaltende 1) Probleme bei der Affektregulierung; 2) Überzeugungen über die eigene Person als vermindert, besiegt oder wertlos, begleitet von Scham-, Schuld- oder Versagensgefühlen im Zusammenhang mit dem traumatischen Ereignis; und 3) Schwierigkeiten, Beziehungen aufrechtzuerhalten und sich anderen nahe zu fühlen.

Differenzialdiagnose

Komplexe Traumafolgestörungen sind von einer Vielzahl anderer psychischer Störungen abzugrenzen. Neben der PTBS sind bei gutachtlichen Fragestellungen dabei vor allem folgende Abgrenzungen von Bedeutung:
  • Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung: Neben dem Fehlen der Kernsymptome einer PTBS lassen sich Borderline Persönlichkeitsstörungen am besten über die in Tab. 12 sowie in Abb. 6 genannten Symptome von der kPTBS unterscheiden (Zehl et al. 2013; Cloitre et al. 2014).
  • Dissoziative Störungen: Der ätiologischen Nähe der dissoziativen Störungen sowie der Überschneidung auf Symptomebene mit anderen Traumafolgestörungen wird sowohl in der ICD-11 als auch im DSM-5 insofern Rechnung getragen, als die dissoziativen Störungen chronologisch nach den trauma- und belastungsbezogenen Störungen eingeordnet sind. Auch die Einführung des dissoziativen Subtyps der PTBS im DSM-5 trägt dieser Nähe Rechnung. Sind alle PTBS-Kriterien erfüllt, sollte bei Vorliegen zusätzlicher dissoziativer Symptome in Form von Depersonalisations- oder Derealisationsphänomenen daher zunächst die Diagnose einer PTBS vom dissoziativen Subtyp in Betracht gezogen werden (Tab. 7).
  • In Abgrenzung zur kPTBS sind weniger die Konversionsstörungen (Tab. 15) als die psychoformen Dissoziationsstörungen von Bedeutung. Im gutachtlichen Kontext ist vor allem die Abgrenzung zur Dissoziativen Identitätsstörung (DIS) relevant. Diese unterscheidet sich von der kPTBS vor allem in einem höheren Grad an dissoziativer Symptomatik, wie diese im Rahmen einer kPTBS – zumindest in diesem Ausmaß – nicht vorkommt, z. B. in Form von Alltagsamnesien, Vorhandensein mehrerer (teil)dissoziierter Ich-Zustände usw., d. h. struktureller Dissoziation.
  • Psychotische Störungen: Flashback-Episoden bzw. das Wiedererleben des traumatischen Ereignisses (bzw. Teilen davon) können von Wahrnehmungsstörungen im Rahmen von psychotischen Störungen sowie psychotischem Erleben bei depressiven oder bipolaren Störungen dadurch unterschieden werden, dass das Wiedererleben im Rahmen einer PTBS/kPTBS einen klaren Bezug zum Traumaereignis besitzt. Im Falle akustischer Halluzinationen ist zu eruieren, ob deren Inhalte einen direkten Erlebnisbezug zu traumatischen Erfahrungen beinhalten, um akustische Intrusionen von Wahrnehmungsstörungen psychotischer Genese differenzialdiagnostisch abzugrenzen (Dell und O’neill, 2009).
  • Artifizielle Störungen: Im gutachtlichen Kontext ist auch die Abgrenzung zu artifiziellen Störungen von Bedeutung. Im Gegensatz zur Simulation, die keine psychische Störung darstellt, handelt es sich bei artifiziellen Störungen um ein Krankheitsbild von klinischer Relevanz. Die Erlebensqualität von Betroffenen einer kPTBS unterscheidet sich wesentlich von der bei artifiziellen Störungen. Da die Symptomatik bei artifiziellen Störungen definitionsgemäß vorgetäuscht ist, entsteht in der Regel durch die Symptomatik selbst kein wesentlicher Leidensdruck.
Tab. 12
Differenzialdiagnostische Kriterien zur Abgrenzung der Borderline Persönlichkeitsstörung von einer kPTBS
 
Borderline Persönlichkeitsstörung
Ängste
Ängste vor dem Verlassenwerden
Eher sozialer Rückzug, Vermeiden von Beziehungen
Zwischenmenschliche Beziehungen
Instabile und intensive zwischenmenschliche Beziehungen, gekennzeichnet durch einen Wechsel zwischen Extremwerten von Idealisierung und Abwertung
Beziehungsstörungen äußern sich eher in chronischer Vermeidung von Beziehungen und Fremdheitserleben als in chaotischer Beziehungsgestaltung
Selbstbild
Wechselhaftes Selbstbild oder Selbstgefühl
Konstant negatives Selbstbild/Identitätsgefühl
Verhalten
Impulsives Verhalten
Deutlich weniger selbstverletzendes und suizidales Verhalten, eher erhöhte emotionale Sensibilität, mangelnde Bewältigungsstrategien

Gutachtliche Kriterien

Die kPTBS ist vor allem im Bereich des sozialen Entschädigungsrechts von Bedeutung. Laut den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (C 2) müssen dabei als Grundvoraussetzungen vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs zunächst „der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung“ im Vollbeweis gesichert sein (BMAS 2015).
Bei der Beurteilung des Zusammenhangs müssen analog zu den Erfordernissen bei der Beurteilung von Gesundheitsschäden nach einmaligen Ereignissen auch bei länger anhaltenden Tatbeständen das klinische Beschwerdebild und der Verlauf der Störung in Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu komplexen Traumafolgestörungen und deren Verlauf stehen. Zu- und Abnahme der Symptomausprägung müssen durch das Vorhandensein oder den Wegfall von Kompensationsmechanismen erklärbar sein. Konkurrierende Faktoren für die Gesundheitsstörung müssen in Betracht gezogen und abgewogen werden und Vor- und Nachschäden voneinander abgegrenzt werden.
Liegen die schädigenden Ereignisse lange zurück (z. B. lang anhaltende körperliche oder sexualisierte Gewalt in der Kindheit) und werden erst viele Jahre später Schädigungsfolgen geltend gemacht oder es besteht keine hinreichende Dokumentation der Ereignisse (z. B. nach Gefangenschaft), ist der Nachweis des schädigenden Vorgangs häufig erschwert. In diesen Fällen sieht das soziale Entschädigungsrecht im begründeten Einzelfall das Beweismaß der Glaubhaftmachung vor, soweit „Unterlagen nicht vorhanden, nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind“. Dies wird jedoch dem Gutachter vom Auftraggeber vorgegeben. Es gehört aber zur gutachtlichen Aufgabe zu beurteilen, ob die vom Antragsteller im Rahmen der gutachtlichen Exploration vorgebrachten Belastungserfahrungen im Einklang mit den Angaben in den Akten bzw. – bei politischer Inhaftierung – den in der Literatur dokumentierten Haftbedingungen stehen (Priebe et al. 1993; Denis et al. 1997).
Die gutachtliche Einschätzung beruht im Wesentlichen auf den nachfolgenden Kriterien:
  • Nachweis eines geeigneten schädigenden Vorgangs: Im Regelfall wird dem Gutachter der Tatbestand vorgegeben und es ist „lediglich“ seine Aufgabe, die vom Antragsteller im Rahmen der gutachtlichen Exploration vorgebrachten Belastungserfahrungen im Kontext mit der Aktenlage einer Plausibilitäts- und Konsistenzprüfung zu unterziehen.
  • Nachweis der gesundheitlichen Schädigung: Lag die länger anhaltende Schädigung im Kindes- und/oder Jugendalter und ist diese durch wiederkehrende Missbrauchs- und/oder Gewalterfahrungen charakterisiert, ist ein Nachweis der gesundheitlichen Schädigung im Sinne eines Erstschadens meist nicht (mehr) möglich. Die gesundheitliche Schädigung vollzieht sich dann vielmehr in einer sich wiederholenden negativen Einwirkung auf die körperliche und psychische Integrität des Kindes und dessen Entwicklung. Aufgabe des Gutachters ist in diesem Fall die Prüfung, ob sich die diagnostischen Vorgaben („Kernsymptome“) einer PTBS zu irgend einem Zeitpunkt im Verlauf seit den schädigenden Ereignissen im erforderlichen „Vollbeweis“ nachweisen lassen (in der englischen Version „all diagnostic requirements for PTSD have been met at some point during the course of the disorder“).
  • Nachweis der Gesundheitsstörung: Auch die psychischen Folgeschäden müssen im „Vollbeweis“ vorhanden sein. Hierbei kommt der Abgrenzung zu schädigungsunabhängigen Persönlichkeitsstörungen entscheidende Bedeutung zu (Tab. 12). Von den in der ICD-11 genannten Symptomen Störung der Affektregulation, negatives Selbstbild und Schwierigkeiten in Beziehungen erscheint differenzialdiagnostisch im Rahmen von Begutachtungen das Vorliegen eines negativen Selbstbildes mit nach innen gerichteten Schuldzeiger am wesentlichsten.
  • Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs: Analog zu den Erfordernissen bei der Beurteilung von Gesundheitsschäden nach einmaligen Ereignissen müssen auch hier das klinische Beschwerdebild und der Verlauf der Störung in Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu komplexen Traumafolgestörungen und deren Verlauf stehen. Zu- und Abnahme der Symptomausprägung müssen durch das Vorhandensein oder den Wegfall von Kompensationsmechanismen erklärbar sein. Konkurrierende Faktoren für die Gesundheitsstörung müssen betrachtet und abgewogen werden und Vor- und Nachschäden voneinander abgegrenzt werden.
ÜBERSICHT Leitlinienempfehlung III.4
Anknüpfungstatsachen für die Anerkennung einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS) als Folge schwerer, lang andauernder Schädigungsereignisse sind
  • ein objektiver Schweregrad der Ereignisse in Kindheit und/oder Erwachsenenalter im Sinne eines schweren und kumulativen Traumas (Typ II-Trauma),
  • der Nachweis der Kernsymptome einer PTBS gemäß Tab. 9, die, soweit aktuell nicht mehr erkennbar, zumindest zeitweilig in der Vergangenheit anhand der Akten dokumentiert sind,
  • der Nachweis von Störungen der Selbstorganisation mit Störung der Affektregulation, negativem Selbstbild und Schwierigkeiten in Beziehungen (Abb. 5), die nicht durch eine schädigungsunabhängige Persönlichkeitsstörung bedingt sind,
  • ein nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand plausibler klinischer Verlauf der Symptomatik,
  • keine konkurrierenden Faktoren, die für die Symptomatik maßgeblich sind oder diese unterhalten,
  • Vorliegen einer authentischen Beschwerdendarstellung.

Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F62.0)

Die ICD-10 kennt als weitere komplexe Traumafolgestörung die andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, in der neuen ICD-11 findet sich diese Diagnose nicht mehr. Die hierzu vorliegende Literatur ist wenig umfangreich (Beltran et al. 2009). Sie bezieht sich überwiegend auf die Überlebenden von Konzentrations- und Kriegsgefangenenlagern mit andauernden lebensbedrohlichen Situationen und ausdrücklich nur auf traumatische Erlebnisse im Erwachsenenalter (Haenel 2000). Gemäß ICD-Definition muss die Belastung dabei so extrem sein, dass die Vulnerabilität der betreffenden Person als Erklärung für die tief greifende Auswirkung auf die Persönlichkeit nicht in Erwägung gezogen werden muss.
Persönlichkeitsänderungen im Anschluss an eine kurzzeitige Lebensbedrohung wie z. B. durch einen Autounfall sind ausdrücklich ausgeschlossen. Aber auch nach Extrembelastungen im Erwachsenenalter entwickelt gemäß einer aktuellen Literaturübersicht (Munjiza et al. 2014) nur eine relativ geringe Zahl der Betroffenen eine andauernde Persönlichkeitsänderung, die Inzidenz wird mit 2,6–6 % angegeben. An erster Stelle stünden interpersonelle Traumen, während ein Zusammenhang mit Naturkatastrophen weniger überzeugend sei. Aufgrund der hohen Eingangsschwelle für die Diagnosestellung gehören andauernde Persönlichkeitsänderungen nach Extrembelastung im gutachtlichen Kontext zumindest für die Lebensumstände in Deutschland zu den Raritäten.

Anpassungsstörungen (F43.2)

Diagnostische Kriterien

Anpassungsstörungen gehören zu den am häufigsten gestellten psychiatrischen Diagnosen (Bryant et al. 2010). Sie können nach ICD-10/11 als Reaktion auf eine entscheidende Lebensveränderung, ein belastendes Lebensereignis oder auch nach schwerer körperlicher Krankheit auftreten. Gemäß DSM-5 sind Anpassungsstörungen definiert als Symptome unterhalb der diagnostischen Schwelle einer PTBS, wenn
  • das Eingangskriterium (A-Kriterium) einer PTBS nicht erfüllt ist und/oder
  • sich auf der Symptomebene (B-E-Kriterien) nicht das „Vollbild“ einer PTBS diagnostizieren lässt.
Als häufigste Symptomatik wird ein Mischbild von Angst und Depression mit Schlafstörungen, Ärger und Wut, Konzentrationsstörungen, Hypervigilanz und Schreckhaftigkeit, intrusive Erinnerungen an das Ereignis, Grübelneigung, Angst, Anhedonie und Alpträume beschrieben (O’Donnell et al. 2016). Hinsichtlich der diagnostischen Kriterien bestehen zwischen ICD-10, ICD-11 und DSM-5 einige Unterschiede, auf die hinzuweisen ist (Tab. 13). Gemäß ICD-10 sind dabei verschiedene Symptomkonstellationen allein oder in Kombination möglich (Tab. 14).
Tab. 13
Wichtigste Unterschiede in den diagnostischen Kriterien von Anpassungsstörungen in der ICD-10- und DSM-5-Klassifikation
Kriterium
ICD-10
ICD-11
DSM-5
Definition
Zustände von subjektivem Leiden und emotionaler Beeinträchtigung nach einem belastenden Lebensereignis – von nicht außergewöhnlichem oder katastrophalem Ausmaß mit Symptomen und Verhaltensstörungen, wie sie bei affektiven Störungen (F3) (außer Wahngedanken und Halluzinationen), bei Störungen des Kapitels F4 (neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen) und bei den Störungen des Sozialverhaltens (F91) vorkommen
Maladaptive Reaktion auf einen identifizierbaren psychosozialen Stressor oder mehrere Stressoren
Die Störung ist gekennzeichnet durch die Beschäftigung mit dem Stressor oder seinen Folgen einschließlich übermäßiger Sorgen, wiederkehrender und beunruhigender Gedanken über den Stressor oder ständiges Grübeln über seine Auswirkungen, sowie durch ein Versagen bei der Anpassung an den Stressor, was erhebliche Beeinträchtigungen in persönlichen, familiären, sozialen, schulischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen verursacht.
Emotionale oder behaviorale Symptome unterhalb der diagnostischen Schwelle einer PTBS auf einen beliebig stark ausgeprägten Belastungsfaktor
Beginn der Symptomatik
innerhalb eines Monats nach dem belastenden Ereignis
innerhalb von 3 Monaten nach Beginn der Belastung
Dauer der Symptomatik
Wenn die Belastung oder deren Folgen beendet sind, dauern die Symptome (meist) nicht länger als weitere 6 Monate an – gemäß ICD-10 außer bei der längeren depressiven Reaktion
Schweregrad der Symptomatik
Das Störungsbild erfüllt nicht die Kriterien für eine andere psychische Störung, beinhaltet jedoch bedeutsame Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen
Tab. 14
Im DSM-5 genannte Subtypen von Anpassungsstörungen mit Bezug auf die ICD-10
ICD-Ziffer
Kategorie
F43.21
mit depressiver Stimmung
F43.22
mit Angst
F43.23
mit Angst und depressiver Stimmung gemischt
F43.24
mit Störung des Sozialverhaltens
F43.25
mit Störung der Emotionen und des Sozialverhaltens gemischt

Entwicklung und Verlauf

In einer aktuellen Metaanalyse wurde die Prävalenz von Anpassungsstörungen weltweit mit 12–19 % beziffert (Appart et al. 2017), gemäß einer repräsentativen Befragung liegt in Deutschland die aktuelle Prävalenz allerdings lediglich bei 2,3 % (Maercker et al. 2012). Anpassungsstörungen entwickeln sich zeitnah nach einem belastenden Ereignis (Tab. 13) – gemäß DSM-5 nach einem akuten Ereignis normalerweise innerhalb weniger Tage – und klingen im Regelfall innerhalb von 6 Monaten ab, wenn die Belastung oder deren Folgen beendet sind. Dauert die Belastung oder deren Folgen an, kann auch die Anpassungsstörung bestehen bleiben und persistieren, was vor allem im Gefolge anhaltender körperlicher Schädigungsfolgen von Bedeutung sein kann (Abschn. 4).
Die zeitliche Limitierung auf 6 Monate beruht auf nur wenigen Studiendaten (Frommberger et al. 2009). Daher kann im begründeten Einzelfall auch noch bei längerem Bestehen eine Anpassungsstörung diagnostiziert werden. Eine neuere Verlaufsstudie, die überwiegend Verkehrsunfallopfer betraf, berichtete noch 12 Monate nach einem Trauma in einem beträchtlichen Umfang über Symptome einer Anpassungsstörung. Sie differenzierte allerdings nicht, inwieweit zu diesem Zeitpunkt noch schwerwiegende körperliche Schädigungsfolgen vorlagen (O’Donnell et al. 2016).

Differenzialdiagnose

Anpassungsstörungen sind vor allem von der PTBS sowie der depressiven Episode abzugrenzen. Wie bereits eingangs beschrieben, müssen für das Vorliegen einer PTBS das Eingangskriterium (A-Kriterium) sowie – zumindest zu irgendeinem Zeitpunkt – alle syndromalen Kriterien (B-E-Kriterien) für die Diagnosestellung erfüllt (gewesen) sein. Zur Abgrenzung der depressiven Episode Abschn. 3.6.

Gutachtliche Kriterien

Auch hier beruht die Beweisführung einer Anpassungsstörung auf dem Nachweis von Indizien („Brückensymptomen“):
  • Geeigneter Schweregrad: In Abgrenzung zur PTBS sind Anpassungsstörungen dadurch gekennzeichnet, dass es sich als Eingangskriterium gemäß DSM-5 bei dem versicherten Unfall oder Schädigungsereignis um einen „beliebig stark ausgeprägten Belastungsfaktor“ handeln kann, der damit das A-Kriterium der PTBS nicht erfüllen muss.
  • Geeignete Symptomatik: Vergleichbar der PTBS ist zu fordern, dass dem Nachweis einer zeitnahen pathologischen psychischen Reaktion umso wesentlichere Bedeutung als notwendiger Anknüpfungstatsache zukommt, je geringfügiger das Ereignis nach objektiven Kriterien ist. Eine verzögerte psychische Reaktion nach einem minderschweren Ereignis wird im Regelfall nur dann eine Anpassungsstörung begründen, wenn anhaltende körperliche Schädigungsfolgen als Erstschaden nachweisbar sind (Abschn. 4.1). Gemäß den in Tab. 14 genannten Subtypen sind folgende Besonderheiten zu beachten:
    • Depressive Anpassungsstörung. Depressive Anpassungsstörungen erfüllen nicht die Kriterien einer „Major Depression. Bei längerem Verlauf ist ggf. gemäß DSM-5 auch eine persistierende depressive Störung (Dysthymie) zu diagnostizieren.
    • Ängstliche Anpassungsstörung. Nicht selten werden z. B. nach PKW-Unfällen Ängste vor dem Autofahren geltend gemacht. Soweit es sich um eine konkret mit dem Erlebnis des Unfallereignisses zusammenhängende „spezifische“ Phobie handelt, deren Beginn in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall nachweisbar ist und die nicht lediglich einer „normalen“ Vorsicht im Sinne einer betont defensiven Fahrweise nach einem erlebten Unfall entspricht, wird im Allgemeinen ein Unfallzusammenhang zu begründen sein. Bei nicht spezifisch mit dem traumatisierenden Ereignis zusammenhängenden, insbesondere auch zunehmenden und generalisierten Ängsten besteht jedoch hoher Begründungsbedarf, warum eine derartige Symptomatik als Schädigungsfolge anzusehen ist.
  • Geeigneter Verlauf: Sowohl gemäß ICD-10/11 als auch DSM-5 halten die Symptome eine Anpassungsstörung im Allgemeinen nicht länger als 6 Monate an, die ICD-10 nennt ergänzend einen Zeitraum von 2 Jahren bei längerer depressiver Reaktion. Bei anhaltend geklagten Beschwerden ohne noch nachweisbaren relevanten Körperschaden (Abschn. 4.1) besteht daher hoher Begründungsbedarf, ob und warum die Symptomatik (noch) auf das Unfall- bzw. Schädigungsereignis zurückzuführen ist. Hierzu gehört auch die Frage, ob geeignete Therapieversuche erfolgten bzw. warum diese nicht stattfanden.
ÜBERSICHT Leitlinienempfehlung III.5
Anknüpfungstatsachen für die Anerkennung einer Anpassungsstörung als Folge des Erlebens eines einmaligen traumatisierenden Ereignisses sind
  • das Vorliegen eines psychisch belastenden Ereignisses,
  • der Nachweis einer psychopathologischen Reaktion („Erstschaden“) in geeignetem zeitlichem Zusammenhang zu dem Ereignis, die über „normales“ Erschrecken hinausgeht,
  • der Nachweis charakteristischer Symptome einer depressiven und/oder ängstlichen Störung von Krankheitswert,
  • ein nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand plausibler klinischer Verlauf der Symptomatik,
  • keine konkurrierenden Faktoren, die für die Symptomatik maßgeblich sind oder diese unterhalten,
  • Vorliegen einer authentischen Beschwerdendarstellung.

Weitere mögliche erlebnisreaktive psychische Störungen

Auch andere psychische Störungen können ereignisreaktiv im Gefolge von Unfall- und sonstigen versicherten Schädigungsereignissen auftreten (Tab. 3). Hierzu zählen depressive Episoden im Sinne der „Major Depression“, Angststörungen, die über eine Anpassungsstörung hinausgehen, dissoziative und somatoforme Störungen, jedoch auch Abhängigkeitserkrankungen, Essstörungen und emotional instabile Syndrome. Gemeinsam ist allen diesen Störungen, dass sie im Zusammenhang mit traumatisierenden Ereignissen grundsätzlich in zweierlei Form auftreten können:
  • Als komorbide Störung einer PTBS. Gemäß einer Zusammenstellung von Philipp (2018) findet sich bei einer PTBS in 28–49 % – im gutachtlichen Kontext noch häufiger – eine komorbide depressive Symptomatik, komorbide Angststörungen liegen in 38–41 %, eine Abhängigkeitsproblematik in 7–40 % und somatoforme Störungen in 12 % vor. Hinzu kommen dissoziative Störungen, die im DSM-5 als „Subtypen“ einer PTBS aufgenommen wurden (Tab. 7). Liegt eine derartige Störung vor, ist im Allgemeinen ein kausaler Zusammenhang zu bejahen, wenn ein klarer zeitlicher Zusammenhang zu einer gutachtlich nachgewiesenen PTBS besteht und konkurrierende Ursachen der Symptomatik nicht nachweisbar sind.
  • Als eigenständiges Krankheitsbild. In diesem Fall handelt es sich letztlich um eine „Anpassungsstörung“ (Maladaptation) an das traumatische Ereignis und/oder dessen körperliche Folgen (Abb. 1), weswegen hier hinsichtlich Entwicklung und Verlauf im gutachtlichen Kontext dem Grunde nach die bereits bei Anpassungsstörungen genannten Kriterien gelten (Abschn. 3.5). Die im Rahmen von Zusammenhangsgutachten wichtigsten sonstigen psychischen Störungen werden im Folgenden kurz skizziert.

Depressive Episode(n) (F32/33)

Ungefähr ein Fünftel aller Menschen erkrankt im Laufe des Lebens mindestens einmal an einer depressiven Episode (Wittchen et al. 2010). Diese hohe Rate abseits versicherter Schädigungsereignisse ist gutachtlich zu berücksichtigen. Zur Abgrenzung depressiver Anpassungsstörungen von einer ereignisreaktiven depressiven Episode („Major Depression“) dient als wesentliches Unterscheidungsmerkmal, dass die Anpassungsstörung nicht den Schweregrad einer „Major Depression“ erreicht, an syndromalen Unterscheidungsmerkmalen findet man in den Klassifikationssystemen bei depressiven Anpassungsstörungen lediglich das Fehlen einer Antriebsstörung und von Denkstörungen.
Das Vorliegen einer depressiven Episode ist gemäß den hierzu vorliegenden diagnostischen Kriterien nicht als Anpassungsstörung zu kodieren. In gutachtlicher Hinsicht ändert sich jedoch nichts hinsichtlich der in Abschn. 3.5 genannten Anknüpfungstatsachen. Die Anerkennung einer länger anhaltenden depressiven Episode als Schädigungsfolge setzt eine eingehende Kausalitätsabwägung hinsichtlich neu hinzu getretener konkurrierender Faktoren voraus. Folgende Aspekte sprechen dabei eher gegen die Annahme, dass die depressive Episode Schädigungsfolge ist:
  • Auftreten auch manischer Symptome (bipolare affektive Störung, F31),
  • Auftreten psychotischer Symptome im Rahmen einer schweren depressiven Episode zum (F32.3),
  • Auftreten rezidivierender depressiver Episoden ohne zugleich anhaltenden unfallbedingten Körperschaden relevanten Umfangs,
  • positive Familienanamnese für affektive Erkrankungen.

Phobische und Angststörungen (F40/41)

Das Spektrum der Angststörungen reicht von spezifischen, sozialen und Agoraphobien über Panikstörungen bis hin zu generalisierten Angststörungen. Mit rund 10 Mio. Betroffenen in Deutschland und einer 12-Monats-Prävalenz von 15,3 % stellen Angststörungen in der deutschen erwachsenen Allgemeinbevölkerung die häufigste psychische Störung überhaupt dar (Jacobi et al. 2014). Frauen sind 2–3mal häufiger betroffenen als Männer. Das Erkrankungsalter variiert vom Kindes- bis zum mittleren Erwachsenenalter, die Erkrankung ist häufig durch undulierende Verläufe charakterisiert. Entsprechend begründet ein zeitlicher Zusammenhang allein keine Kausalität mit einem potenziell traumatisierenden Ereignis.
Soweit phobische und Angststörungen nicht als ängstliche Anpassungsstörung (F43.22) oder als Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Stimmung gemischt (F43.23) kodiert werden (Tab. 14), sind diese gemäß ICD-10 nach F40/41 zu verschlüsseln. Hinsichtlich der gutachtlichen Beurteilung gelten die bereits bei ängstlichen Anpassungsstörungen genannten Anknüpfungstatsachen für die Anerkennung eines Zusammenhangs (Abschn. 3.5).

Dissoziative Störungen (F44)

Gemäß DSM-5 handelt es sich hierbei um „Störungen und/oder eine Unterbrechung der normalen Integration von Bewusstsein, Gedächtnis, Identität, Emotionen, Wahrnehmung, Körperbild, Kontrolle motorischer Funktionen und Verhalten. Dissoziative Symptome können potenziell jeden Bereich psychischer Funktionen beeinträchtigen“.
Die Nomenklatur zu dissoziativen Störungen ist den Klassifikationssystemen ICD und DSM nicht einheitlich (Tab. 15). Während in der ICD-10/11 sowohl Funktionsausfälle auf psychischer als auch körperlicher Ebene zu den „dissoziativen Störungen zählen, sind Störungen mit funktionellen neurologischen Symptomen (sensomotorische Symptome, psychogene Anfälle) im DSM-5 als „Konversionsstörungen bei den somatischen Belastungsstörungen subsummiert. Hinsichtlich der gutachtlichen Einschätzung gelten die bei diesen Störungsbildern genannten Kriterien.
Tab. 15
Dissoziative und Konversionsstörungen in der ICD-10- und DSM-5-Klassifikation
Code
ICD-10
DSM-5
F44.0
Dissoziative Amnesie
F44.1
Dissoziative Amnesie mit Fugue
F44.2
Dissoziativer Stupor
Keine Entsprechung
F44.3
Trance und Besessenheitszustände
Keine Entsprechung
F44.4
Dissoziative Bewegungsstörung
Konversionsstörung mit funktionellen (motorischen) Symptomen
F44.5
Dissoziative Krampfanfälle
Konversionsstörung mit Krämpfen oder Anfällen
F44.6
Dissoziative Sensibilitätsstörung
Konversionsstörung mit Taubheit oder sensorischen Ausfällen
F44.7
Dissoziative Störung (Konversionsstörung) gemischt
Konversionsstörung mit gemischtem Erscheinungsbild
F44.81
Multiple Persönlichkeitsstörung
F48.1
Depersonalisations-/Derealisationssyndrom*
Depersonalisations-/Derealisationsstörung
*Die Depersonalisations- und Derealisationsstörung wird in der ICD-11 ebenfalls unter den dissoziativen Störungen klassifiziert
Dissoziative Störungen entsprechend der DSM-5-Klassifikation treten nicht selten in der Nachwirkung traumatischer Erlebnisse auf. So umfassen sowohl die akute Belastungsstörung als auch die PTBS dissoziative Symptome wie Amnesie, Flashbacks, affektive Abstumpfung, darüber hinaus finden sich im neu eingeführten „Subtyp“ der PTBS Depersonalisations- und Derealisationsphänomene (Tab. 7). Dissoziatives Erleben kam in einer Feldstudie von Ross et al. (1990) allerdings auch bei 5–10 % der Allgemeinbevölkerung vor. Die dissoziative Amnesie war die häufigste Störung mit einer Prävalenz bis zu 3 %, gefolgt von der Depersonalisationsstörung mit 1–2 %. Dabei handelte es sich jedoch weder in jedem Fall um eine pathologische Dissoziation noch um ein krankheitswertig einzustufendes dissoziatives Erleben im Alltag. Die Dissoziative Identitätsstörung, die als die schwerste dissoziative Störung angesehen wird, tritt mit einer Prävalenz von ca. 1 % in der Allgemeinbevölkerung, jedoch mit deutlich höheren Raten bei stationären psychiatrischen Patienten auf (Dorahy et al. 2014).
DEFINITION
Schwere dissoziative Störungen (Dissoziative Identitätsstörung) treten, analog zur kPTBS, in der Regel nicht nach einem einmaligem Schädigungsereignis, sondern als Folge schwerer, lang andauernder Schädigungsereignisse auf.

Somatoforme und Konversionsstörungen (F44.4-F44.6/F45)

Während, wie oben beschrieben, für die im DSM-5 als „dissoziativ“ beschriebenen Störungen syndromale Überschneidungen zur PTBS und kPTBS vermerkt sind, gilt dies nicht für körperlich nicht erklärbare neurologische Symptome und/oder nicht (hinreichend) durch einen Körperschaden begründete Schmerzen im Sinne von Konversionsstörungen. Hierbei sind gutachtlich mehrere Konstellationen zu unterscheiden (Tab. 16). Insbesondere bei im Verlauf zunehmend generalisierter Symptomatik besteht hoher Begründungsbedarf, warum eine derartige Symptomatik (noch) als Schädigungsfolge anzusehen ist, da in diesem Fall im Verlauf regelmäßig psychosoziale Kontextfaktoren in den Vordergrund treten.
Tab. 16
Gutachtliche Bewertung von somatoformen und Konversionsstörungen
Vorliegen einer PTBS
Geeigneter Körperschaden
Kein geeigneter Körperschaden
Bewertung als komorbide Störung (Abschn. 3.2)
Bewertung als mittelbare Unfallfolge (Abschn. 4.1)
Bewertung analog zu Anpassungsstörungen (Abschn. 3.5)
DEFINITION
Aufgrund der multifaktoriellen Genese somatoformer und Konversionsstörungen kommt eine dauerhafte Anerkennung als psychoreaktive Folgestörung nach einmaligen Schädigungsereignissen ohne Nachweis einer PTBS und ohne geeigneten Körperschaden im Allgemeinen nicht in Frage.

Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen (F68.0)

Diese Diagnose stellt in der ICD-10 eine „Restkategorie“ dar. Sie wird im Zusammenhang mit einer Beschwerdenaggravation und mit motivationalen Aspekten (Tab. 2) genannt und entspricht am ehesten dem, was früher als „Rentenneurose“ bezeichnet wurde (Hall und Hall 2012). Die Diagnose ist wenig operationalisiert und findet sich weder im DSM-5 noch in der ICD-11.

Artifizielle Störung (F68.1)

Patienten mit artifizieller Störung täuschen körperliche oder seelische Symptome vor, wobei die Tatsache der Täuschung den Patienten bewusst ist, jedoch die zugrunde liegenden Motive nicht. Im Gegensatz zur Simulation, die kein Krankheitsverhalten darstellt, zielt die Motivation nicht auf die Erlangung z. B. materieller Anreize ab. Die Häufigkeit ist aufgrund der störungsimmanenten Täuschung schwierig zu bestimmen; von einer bedeutsamen Dunkelziffer ist auszugehen (Kapfhammer 2018).
Eine Anerkennung der artifiziellen Störung als Schädigungsfolge nach einmaligem Schädigungsereignis ist aufgrund ihrer multifaktoriellen Genese nicht denkbar, allenfalls kommt eine Verschlimmerung einer vorbestehenden artifiziellen Störung in Frage. Gutachtlich kommt ihr jedoch hauptsächlich differenzialdiagnostische Bedeutung im Rahmen der Beschwerdenvalidierung zu.
ÜBERSICHT Leitlinienempfehlung III.6
Sofern depressive, Angst- und/oder somatoforme und Konversionsstörungen komorbides Begleitsymptom einer nachgewiesenen PTBS und/oder mittelbare Folge schwerwiegender körperlicher Schädigungsfolgen sind, ergeben sich gutachtlich selten Probleme. In anderen Fällen besteht bei anhaltenden krankheitswertigen Störungen aufgrund der multifaktoriellen Verursachung derartiger Erkrankungen im Allgemeinen hoher gutachtlicher Begründungsbedarf, warum diese als Folge des Erlebens eines einmaligen schädigenden Ereignisses einzuschätzen sind.
Die Begutachtung bei dissoziativen Störungen orientiert sich an den Empfehlungen für die kPTBS (Empfehlung III.4).

Begutachtung psychischer Störungen infolge einer Körperschädigung

Geltend gemachte psychische Störungen, die sich im Gefolge eines unfallbedingten Körperschadens entwickeln, stellen im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung und der Haftpflichtversicherung anteilmäßig die größte Gruppe dar. Der im „Vollbeweis“ nachzuweisende „Erstschaden“ ist in diesem Fall die körperliche Verletzung, auf die sich als mittelbare Folge eine seelische Störung „aufpfropft“ (Abb. 1). Ursache einer dann als Fehlanpassung (Maladaptation) an die körperlichen Unfallfolgen einzuschätzenden psychischen Symptomatik können sowohl das Erleben einer besonders belastenden Behandlung (z. B. intensivmedizinische Therapie, operative Eingriffe, lange Krankenhausaufenthalte) als auch eine anhaltende körperliche Beeinträchtigung (z. B. Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, Störung des Körperbildes durch Vernarbung, Verstümmelung einschl. Amputation) sein. Zum Auftreten posttraumatischer Belastungsstörungen bei körperlichen Schädigungen vermerkt das DSM-5, dass „eine lebensbedrohliche Erkrankung oder stark einschränkende medizinische Beschwerden“ nicht „notwendigerweise“ traumatische Ereignisse im Sinne des A-Kriteriums darstellen (Tab. 6).

Depressive, ängstliche, somatoforme und Konversionsstörungen

Entwickeln sich nach einem Körperschaden depressive oder ängstliche Störungen sowie Schmerzsyndrome und/oder neurologische Symptome, die körperlich nicht oder nur zum Teil durch den Körperschaden erklärbar sind, ist ein Kausalzusammenhang mit dem körperlichen Schädigungsereignis im Allgemeinen zu begründen, wenn geeignete Brückensymptome vorliegen, anhand derer – wie in den meisten Rechtsgebieten gefordert – die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs besteht.
  • Geeigneter Körperschaden: Grundsätzlich vermag auch ein körperlicher Bagatellschaden eine mittelbare psychische Reaktionsbildung zu begründen. Dies gilt auch für psychische Folgeschäden, die nur infolge einer besonderen Schadensanfälligkeit, einer besonderen Schadensanlage oder einer besonderen seelischen Labilität auftreten (Mayou und Bryant 2001). In allen Rechtsgebieten wird nicht erwartet, dass die Schädigung einen gesunden Menschen trifft. Eine über mehr als Wochen bis allenfalls Monate anhaltende psychische Reaktionsbildung auf einen Körperschaden setzt im Allgemeinen jedoch voraus, dass dieser mit anhaltenden, funktionell einschränkenden körperlichen Schädigungsfolgen einher geht.
  • Geeigneter zeitlicher Zusammenhang: Unabdingbar ist der Nachweis eines geeigneten zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Körperschädigung und dem Auftreten psychischer Symptome. Dieser kann sowohl das Erleben des Körperschadens und/oder der nachfolgenden therapeutischen Maßnahmen als auch die Situation betreffen, dass im Verlauf von dem Verletzten (zunehmend) realisiert wird, dass relevante lebenseinschränkende körperliche Verletzungsfolgen auf Dauer bestehen bleiben, was erst dann zu einer – zeitlich verzögerten – psychischen Reaktionsbildung führen kann. Diese Zusammenhänge sind gutachtlich detailliert herauszuarbeiten.
  • Geeignete Symptomatik: Grundsätzlich kann es im Gefolge des Erlebnisses körperlicher Schädigungsfolgen zu einem breiten Spektrum psychischer Symptome kommen. Psychotische Symptome sind jedoch im Allgemeinen nicht mit der Entwicklung eines psychoreaktiven Bildes in Verbindung zu bringen.
  • Geeigneter Verlauf: Gemäß Abschn. 3.5 sind Anpassungsstörungen und damit letztlich auch andere psychoreaktive Störungen (z. B. depressive Episoden im Sinne einer „Major Depression, somatoforme und dissoziative Störungen), die gutachtlich einer seelischen Fehlanpassung (Maladaptation) an ein Schädigungsereignis entsprechen, gemäß den psychiatrischen Klassifikationssystemen zeitlich selbstlimitierend, „wenn die Belastung oder deren Folgen beendet sind“. Dauerhaft bestehende psychische Störungen als mittelbare Folge eines körperlichen Schädigungsereignisses sind daher im Allgemeinen gutachtlich nur dann zu begründen, wenn in beeinträchtigendem Umfang körperliche Schädigungsfolgen persistieren.
ÜBERSICHT Leitlinienempfehlung III.7
Anknüpfungstatsachen für die Anerkennung depressiver oder ängstlicher Symptome und/oder von Schmerz- und/oder Konversionsstörungen als mittelbare Folge eines Körperschadens sind
  • das Vorliegen anhaltender körperlicher Schädigungsfolgen, die zu einer relevanten Beeinträchtigung der Aktivität und Teilhabe führen,
  • der Nachweis des Beginns der psychischen Störung in geeignetem zeitlichem Zusammenhang mit dem Körperschaden bzw. den körperlichen Schädigungsfolgen,
  • kein Nachweis konkurrierender Faktoren, die für die Symptomatik maßgeblich sind oder diese unterhalten,
  • Vorliegen einer authentischen Beschwerdendarstellung.
Anhaltende psychische Störungen als mittelbare Folge eines Körperschadens sind im Allgemeinen nur dann zu begründen, wenn in relevantem Umfang körperliche Schädigungsfolgen persistieren.

Abhängigkeitserkrankungen

Einen gutachtlich schwierigen Sonderfall stellt die Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung (ICD-10 F10-19, Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen) im Gefolge einer schädigungsbedingten körperlichen Erkrankung dar. Dabei sind zwei unterschiedliche Situationen zu differenzieren.

Abhängigkeit von verordneten Medikamenten

Wurden Medikamente ärztlicherseits im Rahmen der Behandlung körperlicher Unfallfolgen verordnet, besteht grundsätzlich sowohl im Öffentlichen Recht als auch im Haftpflichtrecht eine Einstandspflicht des Versicherungsträgers, wenn sich eine Abhängigkeitserkrankung entwickelt. Problematisch erscheint die Situation dann, wenn die körperlichen Folgen nach Einschätzung der jeweiligen medizinischen Fachgebiete (weitgehend) abgeklungen sind und sich eine weitere längerfristige Medikamenteneinnahme nicht mehr begründen lässt. In diesem Fall ist vom Gutachter sorgfältig herauszuarbeiten, ob und welche Maßnahmen von dem Betroffenen ergriffen wurden, um den bestehenden medizinisch nicht (mehr) indizierten Medikamentenkonsum zu beenden und warum diese scheiterten.

Abhängigkeit von anderen psychotropen Substanzen

Wird eine schädigungsbedingte Abhängigkeit von Alkohol oder anderen psychotropen Substanzen als Folge eines Körperschadens geltend gemacht, ist nur selten ein Zusammenhang zwischen dem Schädigungsereignis und dessen Folgen anzuerkennen, da hierfür meist persönlichkeitsbedingte Faktoren als ausschlaggebend anzusehen sind. Eine Ausnahme kann die Situation darstellen, wenn wegen nachweislich fehlender oder inadäquater ärztlicher Behandlung (z. B. bei einer schädigungsbedingten Depression oder bei Schmerzen) eine „Eigenbehandlung“ mit psychotropen Substanzen begonnen wurde.
ÜBERSICHT Empfehlung III.8
Anknüpfungstatsachen für die Anerkennung einer Abhängigkeitserkrankung als mittelbare Folge eines Körperschadens sind
  • Ärztliche Verordnung der zur Abhängigkeit führenden Medikamente im Rahmen körperlicher oder psychischer Schädigungsfolgen,
  • Beginn der Abhängigkeitserkrankung in zeitlichem Zusammenhang mit den körperlichen oder psychischen Schädigungsfolgen,
  • Kein Nachweis konkurrierender Faktoren, die für die Symptomatik maßgeblich sind oder diese unterhalten,
  • Vorliegen einer authentischen Beschwerdendarstellung.
  • Ein Zusammenhang zwischen einem Schädigungsereignis und nicht ärztlich verordneten Substanzen ist im Einzelfall nur dann zu begründen, wenn diese nachweislich wegen fehlender oder nicht adäquater ärztlicher Behandlung eingesetzt wurden.
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