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Die Augenheilkunde
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Publiziert am: 18.01.2024

Katarakt-Chirurgie

Verfasst von: Volkan Tahmaz, Erdal Tahmaz und Sebastian Siebelmann
Die Katarakt (lateinisch cataracta, von griechisch καταρράκτης (katarraktēs) = herabstürzend), oder Eintrübung der kristallinen Linse, ist ausgehend von der Prävalenz und Inzidenz eine der bedeutendsten Erkrankungen in der Augenheilkunde und bisher einer konservativen Behandlung nicht zugänglich. Daher zählt die Katarakt-OP zu den am meisten durchgeführten medizinischen Eingriffen überhaupt. Im Jahr 2020 beispielsweise wurden in Deutschland mindestens 311.211 Katarakt-OPs durchgeführt, wobei nicht zuletzt wegen des demografischen Wandels eine stetige Zunahme dieser Zahl prognostiziert wird (Wenzel et al. 2021). Aus diesen Gründen spielt auch in der konservativen Augenheilkunde der Umgang mit der Katarakt-OP eine wichtige Rolle, sei es bei der Patientenberatung und Indikationsstellung, bei der postoperativen Nachsorge oder beim Komplikationsmanagement.

Einleitung

Die Katarakt (lateinisch cataracta, von griechisch καταρράκτης (katarraktēs) = herabstürzend), oder Eintrübung der kristallinen Linse, ist ausgehend von der Prävalenz und Inzidenz eine der bedeutendsten Erkrankungen in der Augenheilkunde und bisher einer konservativen Behandlung nicht zugänglich. Daher zählt die Katarakt-OP zu den am meisten durchgeführten medizinischen Eingriffen überhaupt. Im Jahr 2020 beispielsweise wurden in Deutschland mindestens 311.211 Katarakt-OPs durchgeführt, wobei nicht zuletzt wegen des demografischen Wandels eine stetige Zunahme dieser Zahl prognostiziert wird (Wenzel et al. 2021). Aus diesen Gründen spielt auch in der konservativen Augenheilkunde der Umgang mit der Katarakt-OP eine wichtige Rolle, sei es bei der Patientenberatung und Indikationsstellung, bei der postoperativen Nachsorge oder beim Komplikationsmanagement.
Die Katarakt-Chirurgie hat sich in den letzten Jahrzehnten durch gewaltige Fortschritte in der Technik und Technologie zu einem hochgradig komplexen Fach entwickelt. Zu den einzelnen Teilbereichen existieren eigene Lehrbücher, die beispielsweise die Kalkulation von Intraokularlinsen oder das Komplikationsmanagement gezielt und im Detail abhandeln. Dieses Kapitel ist hingegen bewusst allgemein gehalten und soll lediglich eine umfassende Übersicht über die Grundlagen des Krankheitsbildes Katarakt und der Katarakt-Chirurgie bieten und ein Grundverständnis vermitteln. Für tiefer gehende Kenntnisse verweisen wir auf entsprechend spezialisierte Werke.
Das Kapitel gliedert sich in drei Teile, die sich jeweils mit den notwendigen Schritten vor, während und nach der Kataraktoperation befassen. Vorangestellt ist eine kurze Übersicht über die Pathogenese der Katarakt und die Geschichte der Katarakt-Chirurgie.
Die Geschichte der Katarakt-Chirurgie
Über die Entstehung der chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten der Katarakt herrscht große Uneinigkeit in der Fachwelt, zumal Schriften und Instrumente aus verschiedenen Epochen und Regionen existieren – höchstwahrscheinlich haben sich vor Jahrtausenden ähnliche Techniken unabhängig voneinander in unterschiedlichen Kulturen entwickelt (Leffler et al. 2020). Weitestgehende Einigkeit herrscht jedoch über die Techniken der frühesten Katarakt-OPs, bei denen die getrübte Linse nicht aus dem Auge entfernt, sondern mit vergleichsweise groben Instrumenten in den Glaskörperraum hineingedrückt wurde (sog. Starstich). Hierdurch war zwar eine gewisse Sehverbesserung zu erreichen, doch das Risiko ernsthafter Komplikationen war immens und selbst bei komplikationslosem Verlauf verblieb ein erheblicher Brechkraftfehler.
Den Beginn zum Übergang zur modernen Katarakt-Chirurgie markierte die erste extrakapsuläre Katarakt-Extraktion (ECCE), bei der die Linse entfernt und die Linsenkapsel im Auge belassen wird, im Jahr 1748 durch den Franzosen Jacques Daviel. Die Prozedur ermöglichte höhere Erfolgsraten im Vergleich zum Starstich, war jedoch durch die 10 mm große Inzision der Hornhaut und die weiterhin groben Instrumente mit einem erheblichen Gewebstrauma und hohen Risiken für Komplikationen vergesellschaftet, weswegen die Technik zunächst wieder an Bedeutung verlor (Davis 2016).
Wenig später, im Jahr 1753, beschrieb Samuel Sharp erstmals die intrakapsuläre Katarakt-Extraktion (ICCE), bei der die getrübte Linse mitsamt der Kapsel und dem Zonula-Apparat aus dem Auge entfernt wurde (Hubbell 1904). Die Technik wurde in der Folgezeit weiterentwickelt und häufig in Form einer Kryoextraktion durchgeführt, bei der der Linsenkapselapparat mithilfe einer Kältesonde vereist und komplett extrahiert wurde (Davis 2016).
Im 20. Jahrhundert ermöglichten dann neben großen Fortschritten in den Bereichen der okulären Anästhesie, Instrumentierung und intraoperativen Hygiene im wesentlichen drei Meilensteine die Rückkehr zur ECCE und den Übergang zur modernen Katarakt-Chirurgie: die erste Implantation einer Intraokularlinse durch Ridley im Jahr 1949 (Apple 2006), die Einführung der Phakoemulsifikation (Linsenkernverflüssigung mittels Ultraschall) durch Kelman 1967 und die erste Zulassung eines Ophthalmic Viscosurgical Device (OVD, Viskoelastikum) durch die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) im Jahr 1976. Diese Erfindungen und ihre Weiterentwicklungen führten zu der heute als Goldstandard angesehenen Form der Katarakt-Chirurgie, die als ECCE mit Phakoemulsifikation und Implantation einer kapselfixierten Hinterkammerlinse bezeichnet werden kann.

Erster Teil: vor der Operation

Definition und Klassifikationen der Katarakt

Als Katarakt (auch Grauer Star) wird in der Augenheilkunde eine zunehmende Eintrübung der kristallinen (natürlichen) Linse des Auges bezeichnet. Verantwortlich hierfür ist letztlich das lebenslange Wachstum der Linse, welches jedoch durch die begrenzte Elastizität der Linsenkapsel im Volumen begrenzt ist – dies führt zwangsläufig zu einer Zunahme der Dichte des Linsengewebes im Laufe des Lebens. Die Linse ist darüber hinaus frei von Blutgefäßen, weswegen die Versorgung mit und Entsorgung von Stoffwechselprodukten über Diffusion abläuft. Dieser Prozess wird mit der Zunahme von Volumen und Dichte erschwert und begünstigt die Entstehung der Katarakt. Ein weiterer Faktor ist die Zunahme von oxidativem Stress im Alter, da die Konzentration des Radikalfängers Glutathion in der Linse über die Lebenszeit abnimmt (Chylack Jr. et al. 1993) Da es sich hierbei grundsätzlich um physiologische und graduelle Alterungsprozesse handelt (pathologische Formen existieren und werden weiter unten beschrieben), existiert keine präzise Abgrenzung einer „altersentsprechend“ trüben Linse und einer Katarakt. Die Volumenzunahme und Erhöhung der optischen Dichte der Linse bedingt häufig zudem eine Myopisierung und Abnahme der korrigierten und unkorrigierten Sehschärfe. Unter Studienbedingungen wird meist ein bestkorrigierter Visus von 0,5 dezimal als Grenzwert zur visually significant cataract verwendet, wobei diese Einteilung nur in Abwesenheit anderer Visus-relevanter Pathologien der Augen Anwendung finden kann und im klinischen Alltag nicht immer praktikabel ist. So kann beispielsweise ein Patient durch eine Linsentrübung bereits unterhalb dieser visuellen Schwelle zur Kfz-Tauglichkeit liegen oder durch Lichtstreuung bedingte Blendempfindlichkeit erleben, aber nicht den Grenzwert für eine visually significant cataract erreichen. Daher ist der bestkorrigierte Visus (auch im Seitenvergleich) sicherlich ein guter Indikator für die klinische Relevanz einer Linsentrübung, aber nicht als alleiniges Klassifikationsmerkmal geeignet. Letztendlich sind der subjektive Beschwerdegrad der Patienten und das Empfinden im Alltag ausschlaggebend.
Weiterhin können Katarakte nach ihrer Ätiologie eingeteilt werden, wobei dann die Cataracta senilis als Altersstar den überwiegenden Teil der Fälle ausmacht. Eine Cataracta complicata bezeichnet eine Linsentrübung durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen (z. B. durch Glukokortikoide), okuläre Vorerkrankung oder einen vorangegangenen operativen Eingriff am Auge (z. B. eine Vitrektomie), während eine Cataracta traumatica Folge einer Verletzung des Auges ist. Angeborene Katarakte (häufig nach intrauteriner Infektion, z. B. durch Rötelnviren) werden als Cataracta congenita klassifiziert. Es existieren weitere, teils sehr spezifische Ätiologien (z. B. Glasbläserkatarakt, Röntgenkatarakt, Katarakte bei Stoffwechsel-, Haut- oder Erbkrankheiten) (Burk und Burk 2018). Diese Einteilung ermöglicht eine genaue ätiologische Einordnung der jeweiligen Katarakt, hat aber in aller Regel wenig Konsequenz für die Indikationsstellung und Planung bzw. Durchführung der Operation. Auch hier ist der klinische Schweregrad und die Einschränkung der Patienten durch die Visus-Reduktion ausschlaggebend für die Indikationsstellung zur Operation (Abb. 1).
Insbesondere im deutschsprachigen Raum ist die morphologische Einteilung der (i. d. R.) senilen Katarakt üblich, die insgesamt zwar besser Aufschluss über die notwendige chirurgische Strategie gibt, aber keine präzise definierten Abgrenzungen ermöglicht und darüber hinaus stark von der subjektiven Einschätzung des Untersuchers abhängig ist, eine solche Klassifikation ist beispielsweise für wissenschaftliche Arbeiten nicht geeignet. Die Lokalisation der Linsentrübung kann ebenfalls für eine morphologische Klassifikation herangezogen werden. Die Katarakt wird dann entsprechend beispielsweise als Cataracta nuclearis, corticalis, subcapsularis anterior/posterior, polaris anterior/posterior, congenita bezeichnet (Burk und Burk 2018; Naumann 2013).
Morphologische Stadien der senilen Katarakt
  • Cataracta incipiens
  • Cataracta provecta
  • Cataracta intumescens
  • Cataracta immatura
  • Cataracta matura
  • Cataracta hypermatura (inkl. Cataracta Morgagni)
Um die Untersucherabhängigkeit der Klassifikation zu reduzieren, wurden in der Vergangenheit unterschiedliche Klassifizierungssysteme entwickelt, von denen insbesondere die vereinfachte Katarakt-Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) (Thylefors et al. 2002) und das Lens Opacities Classification System III (LOCS III) (Chylack Jr. et al. 1993) anhand weitestgehend objektivierbarer Kriterien eine reproduzierbare und auch chirurgisch bzw. klinisch relevante Einteilung der Katarakte ermöglichen. Beide Systeme unterteilen Linsentrübungen in nukleäre, kortikale und posterior subkapsuläre Anteile, wobei innerhalb der drei Gruppen eine Schweregradeinteilung nach Referenzbildern oder messbarer Ausdehnung entsprechend der jeweiligen Originalpublikation vorgenommen werden kann (vgl. hierzu auch Abb. 23 und 4).
Letztlich sind alle vorgestellten Klassifikationen in der klinischen Routine anwendbar. Sollte jedoch eine systematische Auswertung zur Qualitätssicherung oder für wissenschaftliche Fragestellungen geplant sein, sind die Systeme der WHO und LOCS III den traditionellen sicherlich überlegen (Abb. 3). Die höchste klinische Relevanz und damit auch Bedeutung für eine Entscheidung zur Operation hat allerdings in aller Regel der subjektive Beschwerdegrad.

Indikationen zur Katarakt-Chirurgie

Generell wird die Entscheidung zur Operation und ggf. die Dringlichkeit unter Einbezug der folgenden Faktoren in Einklang mit dem Patientenwunsch getroffen:
  • Best korrigierter Visus (BCVA): je schlechter die maximal erreichbare Sehschärfe ist, desto eher sollte eine Katarakt-OP angeraten werden, sofern die Lebensqualität durch die Visusminderung eingeschränkt ist. Hier müssen selbstverständlich etwaige Vor- und Nebenerkrankungen bedacht werden – erreicht beispielsweise bei seitengleicher Katarakt ein Auge mit einer Begleiterkrankung der Netzhaut eine geringere Sehschärfe, ist von einer Katarakt-OP unter Umständen keine Sehverbesserung zu erwarten. Andersherum kann allerdings auch eine vergleichsweise geringe Visusminderung eine Indikation zur OP darstellen, wenn beispielsweise bei arbeitstätigen Patienten die Arbeitsfähigkeit und/oder Kfz-Tauglichkeit gefährdet ist.
  • Begleitsymptome: bestimmte Kataraktformen wie beispielsweise eine relativ geringe hintere Schalentrübung können bei relativ guter BCVA dennoch eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität durch starke Blendempfindlichkeit hervorrufen.
  • Therapeutischer Nebeneffekt: in manchen Fällen lässt sich durch eine Katarakt-OP ein erwünschter Nebeneffekt erzielen, beispielsweise ein um, je nach herangezogener Studie, ca. zwischen 10–30 % reduziertes postoperatives Augendruckniveau (Mansberger et al. 2012). Dies kann bei Glaukom-Patienten die notwendige Lokaltherapie reduzieren, insbesondere durch Kombination der Katarakt-OP mit einem drucksenkenden Eingriff (z. B. Trabekulotomie).
Wie bereits eingangs erwähnt erlaubt die Pathophysiologie der Katarakt keine starren Indikationskriterien und erfordert eine individuelle Entscheidungsfindung in Einklang mit dem subjektiven Beschwerdegrad. Eine absolute OP-Indikation besteht lediglich in Fällen, in denen von der Katarakt eine Gefahr für die Gesundheit des Auges ausgeht. Beispiele hierfür sind:
  • Phakomorphes Glaukom sowie Engwinkel-Glaukom: Geht die Trübung der Linse mit einer derart deutlichen Volumenzunahme einher, dass es zu einer druckrelevanten Abflachung der Vorderkammer kommt und die Gefahr für akute oder chronische Anstiege des Augeninnendrucks und dadurch Schädigung des Sehnerven besteht, sollte die Operation zeitnah durchgeführt werden. Auch bei einer sehr flachen Vorderkammer bspw. bei sehr hyperopen Augen kann eine Katarakt-OP mehr Platz in der vorderen Augenkammer schaffen und die Entstehung eines akuten Winkelblocks verhindern.
  • Phakolytisches Glaukom: Kommt es im Rahmen der Katarakt-Entstehung zu einer Freisetzung von Linsenproteinen in die Vorderkammer, können diese den Kammerwasserabfluss einschränken und ebenfalls ein Glaukom auslösen, die Operation sollte zügig durchgeführt werden.
  • Phakoantigen-Glaukom: Bekannt auch als phako-anaphylaktisches Glaukom – stellt eine sehr seltene Form eines Sekundär-Glaukoms dar, bei dem es entgegen dem Namen zu keiner allergischen Reaktion gegen Linsenantigene kommt. Vielmehr handelt es sich um eine Immunkomplexreaktion gegen Linsenproteine, die nach eine Kataraktoperation freigesetzt werden.
  • Linsenfragment-Glaukom: Nach Eröffnung der Vorderkapsel durch ein Trauma können Rindenfragmente in die Vorderkammer gelangen und ebenfalls durch Verlegung des Kammerwinkels und/oder einen inflammatorischen Reiz eine (unter Umständen dramatische) Erhöhung des Augeninnendrucks verursachen, die Operation sollte mit hoher Dringlichkeit durchgeführt werden.
  • Dislokation der Linse: Nach schweren Traumata oder bei gewissen systemischen Erkrankungen (z. B. Marfan-Syndrom oder Homocystinurie) kann es zu einer Dislokation der Linse kommen. In milden Fällen mit guter Sehschärfe besteht kein Therapiebedarf, in moderaten Fällen mit reduzierter Sehschärfe ohne weitere Komplikationen sollte zeitnah operiert werden, in schweren Fällen mit (drohendem) Absturz der Linse in den Glaskörperraum oder Dislokation der Linse in die Vorderkammer mit (drohendem) Anstieg des Augeninnendrucks oder sogar Blockade der Pupille durch die Linse (Iris capture) ist eine notfallmäßige Operation indiziert.
  • Amblyopie-Gefahr: bei angeborenen oder infantilen Katarakten muss die Gefahr einer Amblyopie-Entwicklung eingeschätzt und ggf. mit erhöhter Dringlichkeit operiert werden.

Refraktive Linsenchirurgie

Durch die heutigen modernen und sehr sicheren Verfahren konnte sich neben der reinen Katarakt-Chirurgie, bei der es um den Ersatz einer optisch nicht mehr klaren natürlichen Linse durch eine Kunstlinse geht, ebenfalls die refraktive Linsenchirurgie entwickeln.
Aufgrund der heutzutage hohen Sicherheit der Linsenchirurgie ist es möglich und zu verantworten, die kristalline Linse eines ametropen Auges rein elektiv und ohne Vorliegen einer Katarakt durch eine Kunstlinse zu ersetzen und somit die Fehlsichtigkeit zu korrigieren. Dieses Verfahren wird Clear Lens Exchange (CLE) oder Refractive Lens Exchange (RLE) genannt und ermöglicht eine Korrektur insbesondere höhergradiger Refraktionsfehlern (Hyperopie, Myopie, Astigmatismus und insbesondere Presbyopie). Dabei ergibt sich die Indikation zur Operation aus dem Wunsch nach weitestgehender Brillenunabhängigkeit.

Chirurgische Strategie

Zum Zeitpunkt der OP-Indikation muss immer auch eine umfassende augenärztliche Untersuchung durchgeführt werden, um chirurgisch relevante Befunde und wichtige anamnestische Informationen zu erheben. Im Wesentlichen sollten hierbei die folgenden Aspekte beleuchtet werden:
  • Anatomische Besonderheiten bzw. Charakteristika: Auffällig lange oder kurze Augen und/oder eine sehr tiefe oder flache Vorderkammer haben relevante Auswirkungen auf die Durchführung der Operation, ebenso können tief liegende Augen oder eine kleine Lidspalte die Logistik des Eingriffs erheblich beeinträchtigen. Die maximal erreichbare Mydriasis sollte eruiert werden, da bei ungenügender Weitung der Pupille ggf. Instrumente und/oder Medikamente zur intraoperativen Pupillenerweiterung bereitgehalten werden müssen. Zudem kann eine präoperative Hornhaut-Topo- oder -Tomografie Aufschluss über Erkrankungen der Hornhaut, wie bspw. einen Keratokonus, geben und hilfreich bei der Planung der Implantation von bspw. torischen Linsen sein.
  • Pathologische Veränderungen: Erkrankungen der Hornhaut können den intraoperativen Einblick reduzieren und so das Risiko für Komplikationen erhöhen, die Anwesenheit von Pseudoexfoliationsmaterial ist hinweisend auf eine Schwäche der Zonulafasern und erfordert eine Anpassung der chirurgischen Vorgehensweise. Nach intraokularen Entzündungen oder bei angeborenen intraokularen Fehlbildungen finden sich häufig Synechierungen der Iris, die unter Umständen intraoperativ behoben werden müssen, bevor die Linse manipuliert werden kann. Auch nach schweren Verletzungen der Augen sind unterschiedlichste Vernarbungen und anatomische Veränderungen möglich, die bei der Planung beachtet werden müssen. Eine Rubeosis iridis kann zudem den Augeninnendruck erhöhen (s.u.). Zudem erhöht sich zusätzlich bei Vorliegen dieser Pathologie das Risiko für eine intraoperative iridale Blutung. Weiterhin sollten Pathologien der Hornhaut wie Hornhautdystrophien (z. B. Fuchs Endotheldystrophie) beachtet werden, die zu einer postoperativen Hornhautdekompensation und ggf. der Notwendigkeit einer lamellären Keratoplastik führen können.
  • Systemische und topische Medikation: Systemische Medikamente können das intraoperative Verhalten der okulären Gewebe beeinflussen, beispielsweise kann bei Einnahme systemischer Alpha-Blocker ein Intraoperative Floppy Iris Syndrome (IFIS) auftreten. Augentropfen können beispielsweise die Wirksamkeit von Mydriatika negativ beeinflussen (z. B. Pilocarpin oder Brimonidin) und sollten unter Umständen vor der OP abgesetzt werden.
  • Augeninnendruck: Auch ein präoperativ erhöhter Augeninnendruck sollte Beachtung finden, da eine schnelle intraoperative Senkung des Augeninnendrucks zu einer expulsiven Blutung führen kann.
  • Vorherige Augenoperationen: Auch sollte darauf geachtet werden, ob bereits an dem geplanten Auge Operationen vorangegangen sind, wie bspw. refraktive Hornhautchirurgie (LASIK, PRK, Lentikelchirurgie), Glaukom-Chirurgie oder Netzhautoperationen, die den Verlauf der geplanten Katarakt-OP erschweren könnten bzw. Einfluss auf die Berechnung der gewünschten Linse haben oder eine Kontraindikation für bestimmte Linsentypen (bspw. multifokale Linsen) darstellen können.

Biometrie

Da bei einer Katarakt-OP in den allermeisten Fällen eine Intraokularlinse implantiert wird, spielen die Auswahl und Kalkulation der Linse eine wichtige Rolle bei der OP-Planung. Bevor diese Themen im folgenden Kapitel behandelt werden können, muss zunächst die Messung der hierfür notwendigen Parameter besprochen werden. Nicht alle existierenden Formeln benötigen alle der aufgeführten Parameter zur Kalkulation.
Damit die ausgewählte Intraokularlinse die Funktion der zu explantierenden kristallinen Linse optimal übernehmen kann, müssen die folgenden anatomischen Merkmale des Auges mit möglichst hoher Genauigkeit erfasst werden:
  • Achsenlänge: Dieser Wert beschreibt die Länge des Auges von der Vorderfläche der Hornhaut bis zur Fovea (der exakte hintere Messpunkt variiert je nach Messmethode, siehe weiter unten) und beträgt im Normalfall ca. 24 mm, wenn das Gullstrand-Auge als Referenz verwendet wird. Auf ganze Populationen gerechnet zeigt sich eine erhebliche Varianz der Achsenlänge, wobei myope Augen in der Regel eine größere und hyperope eine kleinere Achsenlänge aufweisen.
  • Hornhautradien: Hieraus lässt sich die Brechkraft der Hornhaut näherungsweise ableiten und die notwendige Brechkraft der Intraokularlinse entsprechend anpassen.
  • Horizontaler Hornhautdurchmesser: Der sogenannte White-to-White-Wert wird in der horizontalen Achse von Limbus zu Limbus gemessen.
  • Vorderkammertiefe: Hiermit lässt sich die effektive Linsenposition (ELP) besser voraussagen und die Genauigkeit der Kalkulation verbessern.
  • Linsendicke: Moderne Formeln verwenden diesen Parameter, um die Abschätzung der ELP zu modifizieren.
Die Messung der Achsenlänge erfolgte lange Zeit akustisch mittels Ultraschall. Hierbei wird das Signal von der Membrana limitans anterior reflektiert und die Achsenlänge entsprechend bis zu dieser Struktur gemessen. Die akustische Achsenlängenmessung wird heutzutage nicht mehr als Standard verwendet, sondern kommt bei Augen zum Einsatz, bei denen modernere Verfahren keine Messung produzieren können. Seit Ende der 1990er-Jahre steht die optische Achsenlängenmessung zur Verfügung, die in Form verschiedener Messmethoden auftritt (beispielsweise Laser-Interferometrie oder optische Kohärenztomografie). Hierbei wird das Signal am retinalen Pigmentepithel reflektiert, sodass anatomisch eine dezent unterschiedliche Bulbuslänge gemessen wird.

Kalkulation und Auswahl der Intraokularlinse

Zur Kalkulation der korrekten Brechkraft der zu implantierenden Intraokularlinse werden publizierte und geprüfte Formeln verwendet, wobei in den letzten Jahrzehnten unzählige Formeln publiziert wurden, die anhand ihrer Zusammensetzung bzw. Berechnungsmethode in verschiedene Gruppen bzw. Generationen unterteilt werden können. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesem Thema lässt der Umfang dieses Kapitels nicht zu, weswegen hier exemplarisch für häufig in der Routine verwendete Formeln die Haigis-Formel, SRK/T und Barrett Universal II sowie als Beispiel für moderne Formeln die Kane-Formel und OCULIX genannt werden können.
Darüber hinaus stehen neben monofokalen Intraokularlinsen als „Standard“ noch eine Reihe von Sonderlinsen mit spezifischen optischen Eigenschaften zur Verfügung. Hier kann kein Linsentyp als generell bester bezeichnet werden, vielmehr muss im Aufklärungsgespräch die individuell am besten geeignete Intraokularlinse besprochen und die finale Entscheidung im Einklang mit dem Patientenwunsch getroffen werden – selbstverständlich unter Einbezug etwaiger medizinischer Kontraindikationen. Eine Übersicht über verfügbare Sonderlinsen findet sich in Tab. 1.
Tab. 1
Übersicht verschiedener optischer Zusatzfunktionen moderner Intraokularlinsen
IOL-Typ
Eigenschaften
Torisch
Korrigiert Astigmatismus – dies kann mit anderen IOL-Typen kombiniert werden, z. B. torisch-multifokal, torische EDOF usw.
Multifokal
Intraokularlinse mit mehreren Brennpunkten (heute meist trifokal), bietet die Möglichkeit einer größeren Brillenunabhängigkeit durch verbesserte Sehschärfe im Nah- und ggf. Intermediärbereich, Nachteil: teils störende Blendeffekte (Halos, Glare)
Extended depth-of-focus/Monofokal +
Verbessert die Sehschärfe vom Intermediär- bis in den Fernbereich und ermöglicht eine größere Unabhängigkeit von Brillen bei weiterhin Korrekturbedarf in der Nähe, weniger optische Phänomene
Asphärisch
Korrigiert zusätzlich sphärische Aberrationen und kann eine verbesserte Kontrastschärfe ermöglichen
Blaufilter
Filtert blaues Licht heraus, auf welches die Zellen der Netzhaut empfindlich reagieren könnten
Bei der Auswahl der geeigneten Linse sollten folgende Punkte nach Goto et al. beachtet werden
1:
Korneale Aberrationen höherer Ordnung (HOAs)
 
Sind vermehrt höhergradige optische Aberrationen der Hornhaut darstellbar, sollte auf die Implantation multifokaler und/oder torischer Linsen verzichtet werden, da das Risiko für störende optische Phänomene nach der Operation erhöht sein kann.
2:
Hornhaut-Topografie bzw. -Tomografie
 
Zeigt sich eine sehr irreguläre vordere und/oder hintere Oberfläche der Hornhaut oder sogar eine Ektasie, so ist die Indikation für Sonderlinsen ebenfalls mit äußerster Zurückhaltung zu stellen, da auch hier postoperativ störende optische Phänomene auftreten können. Handelt es sich um eine refraktiv vorbehandelte Hornhaut, müssen zur korrekten Kalkulation der zu implantierenden Intraokularlinse spezielle, hierfür geeignete Formeln verwendet werden.
3:
Korneale sphärische Aberration
 
Bei Augen, deren sphärische Aberration in Summe negativ ist, kann die Implantation einer asphärischen Intraokularlinse die postoperative Sehqualität günstig beeinflussen.
4:
Kornealer Astigmatismus
 
Lässt sich ein regulärer Astigmatismus der Hornhaut zur Darstellung bringen, kann dieser durch die Implantation einer torischen Intraokularlinse mitkorrigiert werden. Meist wird hier als Schwellenwert ein kornealer Astigmatismus von größer/gleich einer Dioptrie angegeben, wobei keine konkreten Richtlinien hierfür existieren.
(Goto und Maeda 2021)

Auswahl der Anästhesieform

Die überwiegende Mehrheit der Katarakt-OPs in Deutschland wird in Lokalanästhesie unter ambulanten Bedingungen durchgeführt, dies ist für die meisten Patienten auch in Bezug auf Komfort und Sicherheit eine gute Wahl. Eine ausreichende Schmerzfreiheit kann meist auch durch eine Tropfanästhesie (z. B. mittels Oxybuprocain) erreicht werden, eine zusätzliche intrakamerale Gabe von Lidocain zu Beginn der Operation ist ebenfalls möglich. Nachteil der Tropfanästhesie ist die erhaltene Funktion der extrabulbären Augenmuskeln, sodass Bewegungen des Auges während der Operation möglich sind. Eine intraoperative Bewegungsunfähigkeit des Auges kann beispielsweise durch para- oder retrobulbäre Anästhesieverfahren erreicht werden. Diese Verfahren sind für die klinische Routine möglich und sicher, bergen allerdings ein geringes Risiko für postoperative Motilitätsstörungen mit oder ohne Doppelbildwahrnehmung oder eine gefürchtete intraorbitale bzw. retrobulbäre Blutung, die eine Erblindung verursachen kann sowie eine Bulbusperforation. Ebenfalls sind systemische Nebenwirkungen möglich.
Eine Operation unter stationären Bedingungen ist sinnvoll, wenn wegen relevanter okulärer Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko für postoperative Komplikationen besteht und eine Überwachung gewünscht oder notwendig ist. Außerdem kann eine stationäre Aufnahme sinnvoll sein, wenn bei (funktionell) Einäugigen das sehende Auge operiert wird und in der ersten Zeit nach der OP ärztliche und pflegerische Unterstützung benötigt werden.
Operationen in Allgemeinanästhesie sind unter ambulanten oder stationären Bedingungen möglich und kommen zum Einsatz, wenn beispielsweise wegen bestehender Klaustrophobie oder Angststörungen eine Operation unter wachen Bedingungen nicht zumutbar wäre oder beispielsweise Herz-Kreislauf- bzw. Lungenerkrankungen eine flache Rückenlagerung verhindern.

Zweiter Teil – Während der Operation

Wegen der unzähligen möglichen Vorgehensweisen und verschiedenen Techniken würde es an dieser Stelle den Rahmen sprengen, alle Varianten der Katarakt-OP ausführlich zu schildern. Der Übersichtlichkeit halber wird deswegen das übliche Vorgehen bei einer Standard-OP ohne verkomplizierende Faktoren geschildert.

Ablauf der Kataraktoperation

Im Wesentlichen lässt sich eine unkomplizierte Katarakt-OP in sieben Schritte gliedern (Abb. 4), die im Folgenden kurz beschrieben werden:
  • Zugänge: Mithilfe einer Diamant- oder Metallklinge werden drei Zugänge in die Vorderkammer geschaffen: eine Tunnelinzision als „Arbeitszugang“ (Breite in aller Regel 1,8–2,8 mm) auf der dem Operateur zugewandten Seite des Bulbus (temporal oder oben, je nach Sitzposition) und zwei Parazentesen als „Hilfszugänge“ (Breite meist 1,2 mm) in einem Winkel von etwa 60–90° zur Tunnelinzision. Anschließend erfolgt das Stabilisieren der Vorderkammer durch Injektion eines Viskoelastikums (ophthalmic viscosurgical device, OVD), um das Hornhautendothel zu schützen, ausreichend Platz zu schaffen und einen Gegendruck zum vorwärts gerichteten Glaskörper- und Linsendruck zu erzeugen.
  • Kapsulorhexis: Nun wird eine kreisrunden Öffnung in die Vorderkapsel präpariert, um einen Zugang in den Kapselsack und damit zur Linse zu schaffen, dies kann je nach Präferenz mit einer Pinzette oder einer Kanüle (Cystostom) durchgeführt werden.
  • Hydrodissektion und Hydrodelineation: Durch eine dosiert-druckvolle Injektion von BSS (balanced salt solution) unter die Linsenkapsel wird diese von der Rinde der Linse getrennt, eine Injektion von BSS zwischen Nukleus und Epinukleus (Hydrodelineation) mobilisiert den Kern für die folgenden Operationsschritte.
  • Kernmanagement: Der (meist) harte Kern wird mittels Phakostift unter Einsatz von Ultraschallenergie fragmentiert, emulsifiziert und abgesaugt. Hierfür existieren unterschiedliche Strategien, die üblichen werden als Divide and Conquer, Horizontal bzw. Vertical Chop und Stop and Chop bezeichnet.
  • Absaugen von Epinukleus und Rinde (Irrigation/Aspiration) die weicheren verbliebenen Linsengewebe werden je nach Konsistenz mit dem Phakostift oder separaten Absaugkanülen aus dem Auge entfernt.
  • Implantation der Intraokularlinse: die IOL wird unter OVD oder BSS in eingerolltem Zustand in den Kapselsack implantiert und entfaltet sich dort. Falls unter OVD implantiert wird, muss dieses anschließend wieder abgesaugt werden.
  • Tonisieren des Bulbus bzw. Hydrieren der Zugänge: die Schnitte müssen meist nicht mittels Naht verschlossen werden. Stattdessen kann durch druckvolle Injektion von BSS in das umliegende Hornhautgewebe ein (temporäres) Hornhautödem an den Schnitten erzeugt werden, welches die Wunden bis zur Heilung verschließt.

Komplikationen und Komplikationsmanagement

Auch hier erlaubt der Umfang dieses Kapitels keine umfassende Abhandlung aller möglichen Komplikationen und den ihnen entgegen gerichteten Techniken, stattdessen folgt eine Übersicht zu den häufigsten Komplikationen und eine jeweils kurze Schilderung der Strategien, um diese zu vermeiden oder nach ihrem Auftreten mit ihnen umzugehen.
  • Enge Pupille: Eine ausreichende medikamentöse Pupillenerweiterung ist Grundvoraussetzung für eine sichere und effiziente Katarakt-OP. Bei Augen mit bestimmten Merkmalen (z. B. Pseudoexfoliation), Vorerkrankungen (z. B. posteriore Synechierung nach Uveitis) oder bestimmten systemisch verabreichten Medikamenten (z. B. Alpha-Agonisten oder Opioiden) kann eine ausreichende medikamentöse Mydriasis entweder gar nicht erreicht werden oder es kann zu einer zunehmenden Verengung der Pupille im Verlauf der Operation kommen. In solchen Fällen kann zunächst eine Pupillenerweiterung durch intrakamerale Medikamentengabe versucht werden (beispielsweise Adrenalin, Phenylephrin oder Tropicamid). Sollte auch dies keine Mydriasis bewirken, existieren Instrumente zur mechanischen Erweiterung der Pupille (z. B. Malyugin-Ring oder Irisretraktoren).
  • Zonulaschwäche oder Zonulolyse: Die Zonulafasern als Halteapparat der Linse können bei Vorliegen bestimmter Merkmale (z. B. Pseudoexfoliation) oder nach einem Trauma bzw. einer Voroperationen geschwächt oder geschädigt sein. Wenn dieser Umstand vor der Operation bekannt ist, sollte die chirurgische Strategie den mechanischen Stress, dem die Zonulafasern ausgesetzt werden, möglichst gering halten. Fällt während der Operation ein Ausriss der Zonulafasern über eine oder mehrere Uhrzeiten auf, kann durch Implantation eines Kapselspannrings die Linsenkapsel stabilisiert werden, um eine Vergrößerung der Zonulolyse zu vermeiden. Ist die Zonulolyse bereits so weitreichend, dass die Kapselstabilität nicht mehr gewährleistet werden kann, sollte auf eine intrakapsuläre Implantation einer Intraokularlinse verzichtet werden – hier wäre beispielsweise eine Sulkusimplantation möglich.
  • Hinterkapselruptur: Während sämtlicher im Kapselsack stattfindender Schritte kann es zu einer Ruptur der Hinterkapsel kommen – mögliche Ursachen sind zum Beispiel ein starker intrakapsulärer Druckanstieg durch BSS-Injektion bei der Hydrodissektion (Rhexisblock), eine Verletzung der Kapsel durch den Phakostift oder die Absaugkanüle oder vorbestehende Verwachsungen zwischen dem hinteren Linsenpol und der Kapsel. Die Konsequenzen einer Hinterkapselruptur hängen von verschiedenen Faktoren ab: dem Ausmaß der Ruptur, Prolaps von Glaskörper in den Vorderabschnitt, aber auch die Phase der OP, in der die Komplikation auftritt – kommt es zu einer Ruptur, während der Kern noch im Auge ist, kann dieser in den Glaskörperraum abstürzen, was einen Wechsel zu einer Pars-Plana-Vitrektomie mit Linsenbergung aus dem hinteren Augenabschnitt notwendig macht (bzw. Abbruch der OP und Verlegung in eine Augenklinik, wenn Hinterabschnittschirurgie vor Ort nicht möglich ist). Wenn die Hinterkapsel nach der Explantation der kristallinen Linse auftritt, muss die Implantation einer Intraokularlinse in den Kapselsack überdacht werden. Bei kleinen und stabilen Rupturen kann die IOL in der Regel noch in den Kapselsack implantiert werden (ggf. unterstützt durch einen Kapselspannring), bei größeren Rissen muss auf eine andere Implantationsform gewechselt werden, wie z. B. eine Sulkusimplantation.
  • Positiver posteriorer Druck (PPP oder vis a tergo): Beim im Vorderabschnitt eröffneten Auge ist generell ein nach vorne gerichteter Druckgradient zu erwarten – aus diesem Grund wird OVD in die Vorderkammer injiziert und erzeugt einen ausreichenden Gegendruck, um den Linsenkapselapparat zu stabilisieren. In einigen Fällen, z. B. bei stark übergewichtigen Patienten oder Valsalva-Manöver durch Aufregung bei wachen Patienten, ist jedoch der Druck aus dem Glaskörperraum zu groß, um durch OVD neutralisiert zu werden, und es kommt zum PPP. Dies äußert sich durch eine flache Vorderkammer, eine stärker nach vorne gewölbte Vorderkapsel und schlimmstenfalls auch eine sich nach vorne wölbende Hinterkapsel. In solchen Situationen kann durch Erhöhung des Soll-Druckwertes an der Phakomaschine eine Besserung erreicht werden, in jedem Fall ist für die weitere Operation jedoch größte Vorsicht geboten, um nicht beispielsweise eine Verletzung der Hinterkapsel zur riskieren. Auch kann eine präoperative Okulopression den „Druck nach vorne“ vermindern.

Dritter Teil – nach der Operation

Kontrollintervalle

Es existieren keine einheitlichen Standards bezüglich der postoperativen Kontrollen nach der Katarakt-Chirurgie, allerdings sollte in jedem Fall am Tag nach der Operation eine augenärztliche Kontrolluntersuchung mit Sehtest, Augeninnendruckmessung und Spaltlampenbefund durchgeführt werden. Oftmals erfolgt die zweite Nachkontrolle eine Woche nach der Operation, eine dritte Untersuchung kann beispielsweise drei bis vier Wochen nach der OP geplant werden – dann ist meist auch eine relativ zuverlässige subjektive Refraktionsbestimmung mit ggf. Brillenverordnung möglich. Dennoch gibt es Studien, die zeigen, dass sich Änderungen in der Refraktion nach Katarakt-OP auch noch nach Monaten ergeben können.

Wichtige Befunde

Analog zu den weiter unten aufgeführten möglichen Komplikationen sollte bei Nachuntersuchungen auf folgende Befunde geachtet werden:
  • Hornhaut: Epithelschluss, Infiltrate, Descemetfalten, Hornhautödem, Dichtheit der Schnitte
  • Vorderkammer: Zellreiz, Pigment, Tyndall, Fibrin, Linsenreste, verbliebenes OVD, Glaskörper
  • Iris: Verletzungen des Gewebes, Verziehungen der Pupille, Verlust des Pigmentblatts
  • Intraokularlinse: Zentrierung, Position der Haptik, bei torischen IOLs Achsenlage (Markierungen nur in Mydriasis sichtbar – sollte innerhalb der ersten Woche in Mydriasis kontrolliert werden, wenn klinisch ein Hinweis auf eine Fehlrotation besteht)
  • Glaskörper: Zellreiz, Linsenreste
  • Netzhaut: zentrale Anlage

Komplikationen

Die möglichen Komplikationen nach Katarakt-OP und ihr Management stellen ein umfangreiches und komplexes Feld dar, welches an dieser Stelle nicht vollumfänglich behandelt werden kann. Im Folgenden stellen wir die wichtigsten Komplikationen vor und verweisen für weiterführende Informationen auf die entsprechende Fachliteratur.

Frühe Komplikationen

Die meistgefürchtete Komplikation in den ersten Tagen nach der Operation ist zweifelsohne die Endophthalmitis. In schweren Fällen kann diese Komplikation zum Verlust der Sehfähigkeit oder des Auges führen, weswegen schon der Verdacht eine unmittelbare Vorstellung in der nächsten Augenklinik mit stationären Behandlungsmöglichkeiten rechtfertigt. Typische Symptome sind ein dumpfer Augenschmerz und variabler Sehverlust, klassische Befunde sind ein Zellreiz in der Vorderkammer bis hin zu einem Hypopyon, in schwereren Fällen Verdichtungen bzw. Infiltrate im Glaskörperraum. Die Therapie besteht, je nach Schwere der Befunde, in intensiver topischer und/oder systemischer, ggf. intrakameraler oder intravitrealer Antibiotikagabe und in schwersten Fällen einer notfallmäßigen Vitrektomie. Diese Fälle sollten stationär geführt werden. Die Häufigkeit der Endophthalmitis wird in der Literatur für Deutschland mit 0,148 % angegeben, was sie glücklicherweise zu einer relativen Rarität macht (Schmitz et al. 1999).
Häufigere frühe Komplikationen sind Schwankungen im Augeninnendruck: eine Bulbushypotonie ist meist durch undichte Schnitte (i. d. R. Tunnelschnitt) bedingt und kann je nach Schwere mit einer Verbandslinse oder der Anlage einer Tunnelnaht behandelt werden, während ein Augendruckanstieg meist durch residuelles OVD ausgelöst wird – hier ist meist eine topische, ggf. systemische, drucksenkende Behandlung für einige Tage ausreichend, da Viskoelastika meist zügig abgebaut werden.
Insbesondere nach Operationen mit intensivem Einsatz von Phakoenergie und/oder Augen mit reduzierter Endothelzellenzahl kann postoperativ eine Quellung und Trübung der Hornhaut auftreten, die durch intensive Lokaltherapie mit Prednisolon-Augentropfen und ggf. hyperosmolaren NaCl-Augentropfen behoben werden kann – in extremen Fällen mit irreversibler Hornhaut-Epithel-Endothel-Dekompensation der Hornhaut ist eine hintere lamelläre Hornhauttransplantation (DMEK) nötig. In Zukunft könnten hier Rho-Kinase-Inhibitoren an Bedeutung gewinnen.

Spätere Komplikationen

Auch Wochen, Monate oder Jahre nach einer Katarakt-OP können Komplikationen auftreten. Die bedrohlichste ist hierbei die Netzhautablösung, die unbehandelt oft zur Erblindung führt und eine chirurgische Therapie erfordert, die im entsprechenden Kapitel genauer erläutert wird. Die Rate an Netzhautablösungen nach einer Katarakt-OP ist in hohem Maße abhängig von den individuellen Risikofaktoren aufseiten des Patienten (insbesondere hohe Achsenlänge) und intraoperativen Faktoren (insbesondere einer hinteren Kapselruptur), wobei anatomisch reguläre Augen bei komplikationsloser Operation ein sehr geringes Risiko für eine postoperative Netzhautablösung aufweisen.
Mechanische Komplikationen im Sinne einer (Sub-)Luxation der Intraokularlinse mit schlimmstenfalls Absturz in den Glaskörperraum treten nach schweren Traumata oder sehr selten spontan bei vorbestehender Schwäche der Zonulafasern auf – hier kann im Bedarfsfall eine chirurgische Revision mit Explantation der luxierten Intraokularlinse und Implantation einer neuen durchgeführt werden. Da in solchen Fällen eine kapselfixierte Implantation häufig nicht mehr möglich ist, wird auf alternative Implantationsverfahren zurückgegriffen (z. B. Iris- oder Sklerafixierung mit speziellen Intraokularlinsen).
Auch das seltene Krankheitsbild des „malignen Glaukoms“ (ziliolentikulärer Block) kann auftreten. Auch wenn der genaue Wirkmechanismus nicht gänzlich geklärt ist, wird vermutet, dass dabei bspw. nach der Katarakt-Chirurgie (aber auch nach Glaukom-Chirurgie) eine Fehlleitung des Kammerwassers in den vorderen Glaskörper stattfindet, die dazu führt, dass das Iris-Linsen-Diaphragma nach anterior verschoben wird, den Kammerwinkel verschließt und es somit zu einem Augeninnendruckanstieg kommt. Die Therapie besteht meist in einer vorderen oder kompletten Vitrektomie.
Sehr selten kommt es zu chronischen, niedrig-aktiven Endophthalmitiden (meist im Zusammenhang mit Proprionibacterium acnae), die meist schlecht auf eine Lokaltherapie ansprechen und mittels Austausch der Intraokularlinse saniert werden.

Ausblick

Neuere Entwicklungen in der Katarakt-Chirurgie stellen einerseits die Mikroinzisions-Katarakt-Chirurgie (engl. Microinsicion Cataract Surgery, MICS) dar, bei der durch sehr kleine Zugänge von unter 1,8 mm sowohl intraoperative als auch postoperative Komplikationen weiter reduziert werden könnten. Zunehmend erhält auch die Femtosekundenlaser-assistierte Katarakt-Chirurgie (engl. Femtosecondlaser-assisted Cataract Surgery – FLACS) Einzug in den klinischen Alltag der Katarakt-Chirurgen. Bisher gibt es, abgesehen von Einzelstudien noch keine Daten, dass diese der herkömmlichen Phakoemulsifikation mit Hinterkammerlinsenimplantation überlegen ist. Zunehmend könnte sie allerdings bei speziellen Indikationen wie endothelialen Erkrankungen (Fuchs Endotheldystrophie, Pseudoexfoliationssyndrom) oder bei anatomischen Besonderheiten wie sehr flachen Vorderkammern oder bei Kleinkindern an Bedeutung gewinnen. Eine weitere Technologie, die in Zukunft auch insbesondere für die refraktive Linsenchirurgie gewinnen könnte, ist die optische Kohärenztomografie (OCT) des vorderen Augenabschnittes bzw. ebenso die intraoperative OCT. Neue OCT-Geräte sind inzwischen in der Lage, sämtliche für eine Linsenberechnung notwendige Daten zu erfassen, können aber auch eine Epitheldickenkarte und deutlich genauere Erfassung der Linsenposition bzw. einer Verkippung der Linse erfassen. Darüber hinaus kann die intraoperative OCT schon während des Eingriffs die Linsenposition erfassen, die Katarakt-OP insbesondere für unerfahrene Operateure oder bei reduziertem Einblick in die vordere Augenkammer erleichtern. Darüber hinaus kommt der intraoperativen OCT eine zunehmende Bedeutung bei Sonderfällen wie der Implantation von sog. Huckepacklinsen, phaken Hinterkammerlinsen etc. zu.
Zusammenfassend ist die heutige Katarakt-Chirurgie ein sehr sicheres und standardisiertes Verfahren, welches bei einem überschaubarem Komplikations- und Risikoprofil den Patienten eine zügige und sichere visuelle Rehabilitation bei Vorliegen einer Katarakt ermöglicht.
Literatur
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