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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 19.10.2022

Hyperthyreose

Verfasst von: Jan Giso Peter
Die klinisch manifeste Hyperthyreose entsteht durch eine anhaltende Überversorgung der Körperzellen mit Schilddrüsenhormonen. Sie wird definiert durch die klinische Symptomatik und die veränderten Serumspiegel der beteiligten Hormone: Thyroidea-stimulierendes Hormon (TSH), freies Trijodthyronin (fT3), freies Thyroxin (fT4). Als Ursachen kommen infrage: Basedow-Krankheit, andere Entzündungen der Schilddrüse wie subakute Thyroiditis-de-Quervain oder Strahlenthyroiditis, funktionelle Autonomie, Neoplasien wie autonomes Adenom der Schilddrüse oder Formen des Schilddrüsenkarzinoms, hypophysär erhöhte TSH-Sekretion oder Substanzen mit TSH-ähnlicher Aktivität als Paraneoplasie, Jodinduktion oder exogene Schilddrüsenhormonzufuhr. Auswirkungen der Hyperthyreose auf den Schlaf äußern sich überwiegend in Form von Ein- und Durchschlafstörungen.

Synonyme

Schilddrüsenüberfunktion

Englischer Begriff

hyperthyroidism; thyrotoxicosis

Definition

Die klinisch manifeste Hyperthyreose entsteht durch eine anhaltende Überversorgung der Körperzellen mit Schilddrüsenhormonen. Sie wird definiert durch die klinische Symptomatik und die veränderten Serumspiegel der beteiligten Hormone: Thyroidea-stimulierendes Hormon (TSH), freies Trijodthyronin (fT3), freies Thyroxin (fT4). Als Ursachen kommen infrage: Basedow-Krankheit, andere Entzündungen der Schilddrüse wie subakute Thyroiditis-de-Quervain oder Strahlenthyroiditis, funktionelle Autonomie, Neoplasien wie autonomes Adenom der Schilddrüse oder Formen des Schilddrüsenkarzinoms, hypophysär erhöhte TSH-Sekretion oder Substanzen mit TSH-ähnlicher Aktivität als Paraneoplasie, Jodinduktion oder exogene Schilddrüsenhormonzufuhr. Auswirkungen der Hyperthyreose auf den Schlaf äußern sich überwiegend in Form von Ein- und Durchschlafstörungen.
Siehe auch „Schilddrüsenerkrankungen“.

Genetik, Geschlechterwendigkeit

Die Basedow-Krankheit als häufigste Ursache der Hyperthyreose kommt bei bis zu 2 % der Frauen vor und ist bei Männern 10-fach seltener. Sie ist wie die autoimmune Hypothyreose mit HLA-DR-Polymorphismen assoziiert.

Epidemiologie, Risikofaktoren

60–80 % der Hyperthyreosen sind durch die Basedow-Erkrankung verursacht. An zweiter Stelle der Ursachen steht die toxische Struma multinodosa, gefolgt vom autonomen Adenom.

Pathophysiologie

Die Schilddrüse bildet die beiden lipophilen Hormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4), die größtenteils an Plasmaproteine gebunden sind. Nur die freien Anteile fT3 und fT4 sind biologisch wirksam. Sie modulieren im Zellkern auf Transkriptionsebene die Genexpression. Beim Erwachsenen helfen sie bei der Regulation des Wärmehaushalts und der metabolischen Homöostase. Das zentrale Steuerungselement der Schilddrüsenfunktion bildet eine negative Rückkopplungsschleife. Über das Thyreotropin-releasing-Hormon (TRH) des Hypothalamus wird die Hypophyse zur Produktion von Thyreoidea-stimulierendem Hormon (TSH) angeregt, das die Produktion und Sekretion von T3 und T4 in die Blutbahn steigert. Die peripheren Schilddrüsenhormone wirken hemmend auf die TRH- und TSH-Produktion zurück.
Überfunktion der Schilddrüse hat Hypermetabolismus zur Folge. Im Rahmen der gesteigerten Stoffwechselvorgänge entsteht ein Zustand der Übererregbarkeit mit messbar erhöhter Nervenleitgeschwindigkeit. Die genauen Wege der Entstehung einer Insomnie mit Ein- und Durchschlafstörungen bei Hyperthyreose sind nicht erforscht. Ein Teil der hyperthyreoseinduzierten Schlafstörungen kann durch Restless-Legs-ähnliche Symptome, sogenannte RLS-Mimics, hervorgerufen werden, ohne dass ein voll ausgebildetes Restless-Legs-Syndrom (RLS) vorliegen muss. Der zirkadiane Verlauf des TRH-Ausschüttung ähnelt dem Verlauf von Restless-Legs-Symptomen mit einem Anstieg in den Abendstunden. Der Dopaminstoffwechsel spielt bei der Entstehung vom „Restless-Legs-Syndrom“ (RLS) eine zentrale Rolle. Gleichzeitig wird die Dopaminsynthese von Enzymen mitbestimmt, die im Schilddrüsenstoffwechsel Schlüsselrollen übernehmen. Weiteren Beobachtungen entspringt die Hypothese, dass das RLS bzw. Restless-Legs-Symptome durch eine Imbalance zwischen der Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse (HPT-Achse) und dem dopaminergen System (mit)verursacht sei (Pereira et al. 2010; Ioachimescu und Ioachimescu 2016).

Symptomatik

Die Hyperthyreose kann sich in absteigender Häufigkeit wie folgt äußern: Hyperaktivität, Reizbarkeit, Dysphorie, Hitzeunverträglichkeit und Schwitzen, „Nachtschweiß“, Palpitationen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit und vermehrte Erschöpfbarkeit, Gewichtsverlust bei gesteigertem Appetit, Diarrhö, Polyurie, Oligomenorrhö und Libidoverlust. Sie geht oft mit Ein- und Durchschlafstörungen einher, und in den Abendstunden treten Bewegungsdrang und Missempfindungen insbesondere in den Beinen und Füßen vermehrt auf. Genaue Zahlen dazu sind nicht bekannt.
An Befunden können erhoben werden: Tachykardie, Vorhofflimmern vor allem bei älteren Patienten, Tremor, „Struma“, feuchtwarme Haut, Muskelschwäche mit proximaler Myopathie und Gynäkomastie. Hinzu kommen bei der Basedow-Krankheit eine endokrine Orbitopathie mit Lidretraktion und mangelhaftem Lidschluss, periorbitale Ödeme, Proptosis, Diplopie und Hornhautbeteiligung bis hin zum Visusverlust.

Komorbide Erkrankungen

Aufgrund der autoimmunen Genese der Basedow-Krankheit treten auch häufiger andere Autoimmunerkrankungen als in der Normalpopulation auf. Eine klinisch manifeste Hyperthyreose ist durch verminderte Schlafqualität und Schlafmenge auch ein Risikofaktor für das Auftreten von depressiven und anderen psychischen Störungen. Hingegen wurde bei Hyperthyreose ohne klinische Manifestation kein vergleichbarer Zusammenhang nachgewiesen. Es gibt einige Hinweise auf eine kausale Beziehung zwischen klinisch manifester Hyperthyreose und gleichzeitig einsetzendem „Schlafwandeln“. Gehäuft treten bei Patienten mit Hyperthyreose Restless-Legs-Symptome auf.

Diagnostik

Bei Verdacht auf Hyperthyreose sollten zunächst TSH und fT4 bestimmt werden und abhängig von den Befunden eine weiterführende Diagnostik erfolgen, wie TPO-Antikörperbestimmung, Ultraschalldiagnostik, Zytodiagnostik oder Szintigraphie. Bei Patienten mit insomnischen Beschwerden ist die Hyperthyreose eine wichtige Differentialdiagnose. Außerdem kann die Hyperthyreose klinische Bilder von Panikattacken, Manien, Phäochromozytom oder Tumorerkrankungen mit Kachexie und Nachtschweiß imitieren.

Therapie

Die Therapie richtet sich nach der Ätiologie und dem Ausprägungsgrad. Infrage kommen: medikamentöse Therapie mit Thyreostatika, operative Therapie mit thyreostatischer Prämedikation oder die Radiojodtherapie. Eine therapeutische Konsequenz aus dem Zusammenhang zwischen Schilddrüsenstoffwechsel und den Restless-Legs-Symptomen ergibt sich derzeit nicht.

Zusammenfassung, Bewertung

Die Hyperaktivität bei Hyperthyreose geht mit reduzierter Schlafqualität und verkürzten Schlafzeiten einher. Folgen sind Insomnie und Stimmungsbeeinträchtigungen, die eine Depression auslösen können. Dies trifft nicht bei subklinischer „Laborhyperthyreose“ zu. Andere Syndrome können durch die Hyperthyreose imitiert werden. Es gibt einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Schilddrüsenstoffwechsel und Restless-Legs-Symptomen bzw. dem Restless-Legs-Syndrom, derzeit ohne therapeutische Konsequenz. Es fehlen zuverlässige Studiendaten über den zahlenmäßigen Zusammenhang zwischen Schlaf und Hyperthyreose. Allgemein gilt, dass bei unklaren Ein- und Durchschlafstörungen klinisch und labordiagnostisch auf eine mögliche Schilddrüsenerkrankung geachtet werden sollte.
Literatur
Ajlouni KM, Ahmad AT, Al-Zahiri MM et al (2005) Sleepwalking associated with hyperthyroidism. Endocr Pract 11(1):5–10CrossRef
Ioachimescu AG, Ioachimescu OC (2016) Thyroid Disorders. In: Kryger MH, Roth T, Dement W (Hrsg) Principles and practice of sleep medicine, 6. Aufl. Elsevier
Pereira JC, Pradella-Hallinan M, de Lins PIH (2010) Imbalance between thyroid hormones and the dopaminergic system might be central to the pathophysiology of restless legs syndrome: a hypothesis. Clinics (Sao Paulo) 65(5):548–54
Tan EK, Ho SC, Eng P et al (2004) Restless legs symptoms in thyroid disorders. Parkinsonism Relat Disord 10:149–151CrossRef