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Natrium

Verfasst von: O. Müller-Plathe
Natrium
Synonym(e)
Na
Englischer Begriff
sodium
Definition
Natrium (chemisches Symbol: Na) ist mengenmäßig das wichtigste Kation des extrazellulären Raums.
Molmasse
Relative Atommasse: 22,9897.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Aufnahme und Bedarf: Die tägliche Natriumzufuhr liegt bei etwa 150 mmol. Na wird im Wesentlichen als NaCl mit der Nahrung aufgenommen. Minimaler Kochsalzbedarf ca. 1 g/Tag. Die reale Aufnahme liegt in den meisten Industrieländern mit etwa 10–12 g/Tag doppelt so hoch wie der Idealwert von 5–6 g/Tag. Ein Umsatz entsprechend 10 g NaCl entspricht etwa 8 % des extrazellulären Natriums. Durch starkes Schwitzen kann der NaCl-Bedarf erheblich steigen.
Bestand: Bei 70 kg KG etwa 4200 mmol (60 mmol/kg), davon rasch austauschbar 2800 mmol.
Verteilung:
  • Extrazellulärer Raum, ohne Knochen (EZR) 50 %
  • Knochensubstanz 40 %
  • Transzellulärer Raum 8 %
  • Intrazellulärer Raum (IZR) 2 %
Die Menge des extrazellulären Natriums bestimmt normalerweise das Volumen des EZR.
Elimination: Mit dem Urin >90 %, mit dem Stuhl <10 %, ggf. erhebliche Anteile mit dem Schweiß.
Natriumfraktionen im Plasma:
  • Ionisiertes (freies) Natrium (Na+) 98,5 %
  • Komplex an Karbonat und Hydrogenkarbonat gebunden 1,0 %
  • An Protein gebunden 0,5 %
Der Aktivitätskoeffizient beträgt 0,75 (Elektrolyte).
Funktion – Pathophysiologie
Regulation der Ausscheidung: Sie muss im Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt gesehen werden. Na+ wird glomerulär filtriert und zu 80 % im proximalen Tubulus aktiv reabsorbiert, zusammen mit Cl und der osmotisch äquivalenten Menge H2O. Im absteigenden Teil der Henleschen Schleife wird H2O infolge der hohen Osmolalität im Nierenmark passiv reabsorbiert. Im aufsteigenden Teil wird Cl aktiv reabsorbiert, Na+ folgt. Die Feineinstellung erfolgt im distalen Tubulus unter dem Einfluss von Aldosteron, das die Reabsorption von Na+ im Austausch mit K+ (und H+) stimuliert. In den Sammelrohren wird unter dem Einfluss des antidiuretischen Hormons (ADH; Antidiuretisches Hormon) die Reabsorption von H2O durch Beeinflussung der Permeabilität gesteuert. Im Endharn erscheint normalerweise etwa 1 % des filtrierten Natriums.
Folgen von Hypo- und Hypernatriämie
Hyponatriämie führt zur Wasserverschiebung in den IZR, bei starker Ausprägung mit dem Risiko der Hirnschwellung (Stupor, Koma, Anorexie und Krämpfe).
Hypernatriämie führt normalerweise zu starkem Durstgefühl und ADH-Ausschüttung. Bleibt die Hypernatriämie bestehen, tritt intrazellulärer Volumenverlust ein, der vor allem die Gehirnfunktion gefährdet. Es kann zu Tremor, Ataxie, Hyperreflexie, Verwirrung, Koma und sogar zum Tode kommen, besonders bei rascher Entwicklung. Der drohende Volumenverlust der Gehirnzellen wird abgemildert durch Bildung sogenannter idiogener Osmole (Glutamat, Taurin, Glutamin, Myoinositol, Kreatin und weitere kleinmolekulare Substanzen) in der Zelle. Wegen dieser Vorgänge ist vor einer zu raschen Korrektur einer länger bestehenden Hypernatriämie dringend zu warnen, weil dabei aus der kompensatorischen intrazellulären Anreicherung eine gefährliche Volumenzunahme der Hirnzellen resultieren kann.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Für herkömmliche Messung als Gesamtnatrium: Heparinplasma oder Serum nach venöser Abnahme.
Für Messung als „ionisiertes Natrium“: Heparinblut, am besten in einer mit lyophilisiertem, elektrolytadaptiertem Heparin präparierten Plastikspritze abgenommen.
Urin: Einzelproben oder 24-Stunden-Sammelurin.
Weitere Flüssigkeiten: gastrointestinale Sekrete, Drainageflüssigkeiten, Schweiß u. a. zur Feststellung von Elektrolytverlusten.
Probenstabilität
Plasma, Serum: bei 25 °C 4 Tage, bei 4–8 °C 2 Wochen, bei −20 °C 1 Jahr; bei Aufbewahrung über mehr als 4 Tage Abtrennung von Erythrozyten erforderlich. Schutz vor Verdunstung!
Heparinblut: Messung innerhalb von 1 Stunde.
Urin: wie Serum.
Präanalytik
Keine besonderen Blutabnahmebedingungen. Für die übliche gemeinsame Messung mit Kalium sind ggf. die strengeren Entnahme- und Stabilitätsregularien für diese Messgröße zu beachten.
Analytik
1.
Flammenatomemissionsspektrometrie (FAES; Flammenatomabsorptionsspektrometrie/-spektroskopie), „Flammenphotometrie“: sehr zuverlässiges, mechanisierbares Verfahren mit geringen Reagenzienkosten. Kaum zu integrieren in klinisch-chemische Analysenautomaten. Sicherheitsauflagen wegen der Benutzung brennbarer Gase. Grundlage der IFCC-Referenzmethode. Impräzision unter Routinebedingungen <0,8 %.
 
2.
Ionenselektive Elektrode (ISE, indirekt) nach Verdünnung der Probe: meistens Na-spezifische Glaselektrode, aber auch Membranelektroden mit Ionencarrier. Weit verbreitetes Routineverfahren, mechanisierbar und gut in Analysenautomaten zu integrieren. Impräzision unter Routinebedingungen <1,5 %.
 
3.
Enzymatische Methode: Aktivierung des Enzyms β-Galaktosidase (EC 3.2.1.23) zur Spaltung von 2-Nitrophenyl-β-D-galaktopyranosid, wobei als Chromophor 2-Nitrophenol freigesetzt wird, das bei Wellenlänge 415 nm gemessen werden kann.
 
4.
Ionophormethode: photometrische Methode mithilfe eines Na-spezifischen makrozyklischen Ionophors, dessen Chromophoranteil bei Bindung von Na an den Ionophoranteil sein Absorptionsspektrum ändert.
 
5.
Ionenselektive Elektrode (ISE, direkt) im unverdünnten Heparinblut oder Heparinplasma: sehr schnelle Messung im Vollblut (<1 Minute), ohne den Aufwand der Zentrifugation und der Probendilution. Vermeidung der Pseudohyponatriämie bei erhöhtem Protein- oder Lipidgehalt. Nicht geeignet für Messungen in anderen Flüssigkeiten als Blut oder Plasma.
 
Die Methoden 3 und 4, die ohne zusätzliche Messeinrichtungen in Analysenautomaten integriert werden können, sind wegen höherer Kosten weniger verbreitet.
Die Methoden 1–4 erfassen messtechnisch unmittelbar die molare Natriumkonzentration im Plasma. Sie sind auf den Konzentrationsbereich im Plasma eingestellt. Bei Messungen in anderen Medien muss auf den Linearitätsbereich der Methode geachtet und ggf. die Verdünnung entsprechend angepasst werden.
Die Methode 5 erfasst messtechnisch die Aktivität des ionisierten Natriums im Plasmawasser, also die molale Aktivität (Elektrolyte). Durch ein entsprechendes Kalibrationsverfahren (Kalibrierung) wird das Messsignal jedoch auf ein Plasma mit normalem Protein- und Lipidgehalt, also auf ein etwa 7,2 % größeres Verteilungsvolumen bezogen, um die Ergebnisse kompatibel mit denen der konventionellen Natriumbestimmung zu machen. Es handelt sich also um eine „justierte Molalitätmessung“, für die in Analogie zum Ionisierten Calcium die Bezeichnung „ionisiertes Natrium“ vorgeschlagen wurde.
Konventionelle Einheit
mval/L oder mEq/L.
Internationale Einheit
mmol/L.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
1.
Referenzbereich – Erwachsene
Plasma, Serum 135–145 mmol/L.
24-Stunden-Urin 40–250 mmol/Tag.
Referenzbereich – Kinder
Plasma, Serum 135–145 mmol/L.
24-Stunden-Urin 20–115 mmol/Tag.
Indikation
Störungen des Salz- und Wasserhaushalts, intensivmedizinische Überwachung, Kontrolle der Infusionstherapie, Diuretikatherapie, Nierenkrankheiten, Polydipsie, Polyurie, endokrine Erkrankungen (Nebennieren, Hypothalamus, Schilddrüse), Entgleisung anderer Elektrolyte oder des Säure-Basen-Haushalts.
Interpretation
Veränderungen des Plasmanatriums lassen nicht immer Rückschlüsse auf gleichsinnige Veränderungen des Natriumbestandes zu. Natriumergebnisse müssen mit Blick auf den Wasserhaushalt interpretiert werden, da Volumenänderungen das Plasmanatrium durch Dilution (Hyponatriämie) oder Konzentration (Hypernatriämie) beeinflussen können.
Hyponatriämie
Sie zeigt – mit einer Ausnahme – Hyposmolalität im EZR an. Die Ausnahme ist die Hyponatriämie bei starker Anreicherung osmotisch aktiver Substanzen wie Glukose, Fruktose, Mannitol und Sorbitol. Diese Zustände machen sich durch eine erhöhte osmotische Lücke bemerkbar (Osmolalität).
Hyperlipidämie oder Hyperproteinämie können bei konventioneller Bestimmung des Gesamtnatriums, nicht jedoch mit der direkten ISE-Technik im unverdünnten Blut oder Plasma, zum Phänomen der Pseudohyponatriämie führen.
Vorkommen
Hyponatriämie bei Normovolämie (keine Ödeme oder Exsikkose, Urin-Natrium >20 mmol/L):
  • SIADH (Syndrome of inadequate ADH secretion)
Hyponatriämie bei Hypovolämie:
  • Durch renale Natriumverluste (Exsiccose, Urin-Natrium >20 mmol/L):
    • Osmotische Diurese (Glukose, Harnstoff, Mannitol)
    • Salzverlustniere
    • Mineralokortikoidmangel (z. B. M. Addison)
    • Spironolacton, Kaliumcanrenoat
    • Metabolische Alkalose
    • Ketonurie
    • Proximale renaltubuläre Acidose (Typ II).
  • Durch extrarenale Natriumverluste (Exsikkose, Urin-Natrium <10 mmol/L):
Hyponatriämie bei Hypervolämie:
  • Nierenversagen (Ödeme, Urin-Natrium >20 mmol/L)
  • Ödeme kardialen, hepatischen und nephrotischen Ursprungs (Urin-Natrium <10 mmol/L). Es liegt eine ADH- und Aldosteronstimulierung durch Verminderung des zirkulierenden Blutvolumens trotz extrazellulärer Hypervolämie vor.
Hypernatriämie
Sie zeigt ausnahmslos eine Hyperosmolalität im EZR an (Plasmaosmolalität >300 mmol/kg). Zu den besonderen Gefahren der Hypernatriämie s. Pathophysiologie.
Vorkommen
Hypernatriämie bei Normovolämie (Urin-Natrium unterschiedlich): ungenügende Zufuhr von elektrolytfreiem Wasser:
  • Zentral bedingte Hypodipsie, Bettlägerigkeit, Schwäche, Koma
  • Verlust elektrolytfreien Wassers:
    • Zentraler oder renaler Diabetes insipidus
    • Erhöhte Perspiratio insensibilis: Hyperventilation, Tracheostomie, Schwitzen, Fieber
Die Hypernatriämie bei Normovolämie ist oft nur die Vorstufe für die folgende Konstellation.
Hypernatriämie bei Hypovolämie:
  • Renal bedingt:
    • Osmotische Diurese, z. B. bei dekompensiertem Diabetes mellitus
    • Diuretische Therapie bei verminderter Wasseraufnahme
  • Extrarenal bedingt:
    • Gastrointestinale elektrolytarme Verluste (vor allem Durchfälle bei Kindern)
    • Erhöhte Perspiratio insensibilis
Hypernatriämie bei Hypervolämie (Urin-Natrium >20 mmol/L):
Diagnostische Wertigkeit
Die klinische Relevanz beginnt <130 und >150 mmol/L. Bei Werten <125 und >155 mmol/L können die beschriebenen neurologischen Symptome auftreten. Bei Natriumkonzentrationen >160 mmol/L besteht akute Lebensgefahr.
Literatur
Bichet DG, Kluge R, Howard RL, Schrier RW (1993) Pathogenesis of hyponatremic states. In: Seldin DW, Giebisch G (Hrsg) Clinical disturbances of water metabolism. Raven Press, New York
Howard RL, Bichet DG, Schrier RW (1993) Pathogenesis of hypernatremic and polyuric states. In: Seldin DW, Giebisch G (Hrsg) Clinical disturbances of water metabolism. Raven Press, New York