Anaerobe
Bakterien sind insbesondere bei abszedierenden polybakteriell Infektionen des Gastrointestinal- (einschließlich Mundhöhle), Respirations- und weiblichen Genitaltraktes sowie bei Organabzessen von Leber, Lunge und Gehirn in Betracht zu ziehen. Darüber hinaus stellen Bereiche mit reduzierter O
2-Spannung und erniedrigtem Redoxpotenzial (z. B. nekrotisierende Malignome), schlecht perfundierte Gewebe (z. B. infolge Trauma) und chemische Nekrosen Prädilektionsstellen dar. Im Rahmen von Infektionen mit anaeroben Bakterien im Mund-Rachen-Raum (z. B. Retro- oder Peritonsillarabszesse) kann es im Rahmen des Lemierre-Syndroms (Synonym: Postangina-Sepsis) zu einer Kombination aus eitriger Thrombophlebitis der V. jugularis und Auftreten septischer Embolien kommen. In den meisten Fällen wird in der
Blutkultur Fusobacterium necrophorum nachgewiesen. Gefürchtet sind perirektale
Abszesse bei Kindern mit Neutropenie durch die anaeroben Darmbakterien Bacteroides fragilis oder Clostridium perfringens. Die foudroyante Ausbreitung der Infektion mit ausgedehnten Nekrosen von Weichteilgewebe ist möglich und die Letalität hoch. Infektionen mit Keimen der Bacteroides-fragilis-Gruppe oder mit Clostridien können rasch zum septischen Schock führen mit allen bekannten Komplikationen und einer hohen Letalität. Bei Anlage anaerober Blutkulturen werden je nach Studie auch bei Neu- und Frühgeborenen in bis zu 5 % der positiven Blutkulturen Anaerobier isoliert. Es handelt sich meist um Bakterien der Bacteroides-fragilis-Gruppe, Clostridien, anaerobe Kokken, Propionibakterien und andere. Manche Autoren verweisen auf ein erhöhtes Risiko für neonatale Anaerobier-Sepsis nach Amnioninfektion mit Nachweis von Gardnerella vaginalis im
Abstrich der Mutter. Da der Darm des Neu- und Frühgeborenen wenige Tage nach der Geburt mit Anaerobiern besiedelt ist und neben aeroben
Enterobakterien in der Bauchhöhle oft auch Anaerobier nachzuweisen sind, wird bei der Therapie der
nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) des Frühgeborenen der Einsatz eines anaerobierwirksamen Antibiotikums empfohlen. Neben der NEC gehören die
Sepsis, die Omphalitis sowie der neonatale
Gasbrand durch Clostridium perfringens zu typischen Anaerobier-Infektionen des Neugeborenen.