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Psychosen im Kindes- und Jugendalter

Verfasst von: Jochen Kindler und Franz Resch
„Psychose ist eine psychiatrische Erkrankung, die durch eine grobe Beeinträchtigung der Realitätstestung charakterisiert ist und sich typischerweise durch das Auftreten von Wahnsymptomen, Halluzinationen, desorganisierter Sprache oder desorganisiertem oder katatonem Verhalten manifestiert.“ Bis zu 1/3 der Psychosen haben ihren Beginn im Kindes- und Jugendalter. Pathophysiologisch wird ein Zusammenspiel von genetischen und umweltbedingten Faktoren angenommen, die zu einer Veränderung dopaminerger und glutamaterger Neurotransmission im Gehirn führen. Die klinische Diagnostik fußt auf der psychopathologischen Erhebung der Symptome, wobei somatische Ursachen ausgeschlossen werden müssen. Im Zentrum der Therapie steht die Pharmakotherapie mit Antipsychotika in Kombination mit psychotherapeutischen und psychosozialen Interventionen. Die Pharmakotherapie sollte im Verlauf eng monitiert werden, da metabolische Nebenwirkungen die Langzeitmortalität beeinflussen und Gegenmaßnahmen früh einsetzen müssen. Psychotherapeutische Methoden fokussieren u. a. auf kognitive Verzerrungen und soziale Kognitionen und können das psychosoziale Funktionsniveau signifikant verbessern. Die Prognose wird von Erkrankungsbeginn, Residualsymptomatik, beleitenden kognitiven Einschränkungen und der Therapiecompliance geprägt. Der Verlauf, auch der chronischen Psychosen, ist aber sehr heterogen, wobei für den einzelnen Patienten davon ausgegangen werden sollte, dass „alles möglich ist“.

Einleitung

Der Begriff Psychose ist nicht eindeutig definiert. Psychose wird aber verstanden als ausgeprägte Einschränkungen in der Realitätstestung (Shahrokh und Hales 2003). Die Gruppe der psychotischen Erkrankungen werden im ICD-11 bzw. DSM-5 zusammengefasst unter „Schizophrenie-Spektrum Störungen und andere Psychotische Störungen“, bei denen diese Realitätstestung für bestimme Zeiträume verloren geht. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale der unterschiedlichen Psychosen liegen in der Ausprägung der Symptome, deren Kombination, ihrer Ursache und im zeitlichen Verlauf. Die Schizophrenie als wichtigste Diagnose dieser Gruppe ist eine chronische Form der Psychose.
Die Psychosen im Kindes- und Jugendalter und die damit verwandten Störungen sind charakterisiert durch Symptome, die die Wahrnehmung, das Denken, die Stimmung und das Verhalten der Person betreffen und die mit dem Verlust der normalen Kontextualisierung und der Koordination von kognitiven und emotionalen Prozessen einhergehen.
Die Symptome werden üblicherweise in Positivsymptome, wie Halluzinationen (Wahrnehmung ohne äußeren Stimulus), formale Denkstörungen (Verlust der Zusammenhänge im Denken) und Wahn (fixierte und mit der Realität nicht übereinstimmende Idee, die durch gegenteilige Beweise nicht korrigierbar ist), sowie Negativsymptome (affektive Verflachung, Antriebsverlust, Spracharmut, sozialer Rückzug, Selbstvernachlässigung) unterteilt. Hinzu können kognitive Einschränkungen wie Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen kommen. Typischerweise geht bei Kindern und Jugendlichen der psychotischen Erstepisode eine Prodromalphase voraus (Kap. „Psychoserisikosyndrome im Kindes- und Jugendalter“), die durch eine Reduktion des sozialen und kognitiven Funktionsniveaus charakterisiert ist. Die Prodromalphase inkludiert Symptome wie Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, ungewöhnliches Verhalten, ungewöhnliche Wahrnehmungen und Ideen, gestörte Kommunikation und Affekt, sozialer Rückzug, Apathie und reduziertes Interesse an Aktivitäten, wobei aber der Realitätsbezug mit Ausnahme von kurzen Momenten bestehen bleibt. Diese Phase kann mehrere Jahre dauern und kann sich negativ auf die Schulleistungen auswirken (Leistungsknick).
Der Prodromalphase folgt typischerweise eine akute Episode, die mit dem Vollbild von positiven Symptomen wie Halluzinationen, Wahn sowie Verhaltensstörungen einhergeht und üblicherweise von Angst und Agitation begleitet wird. Die psychotischen Wahrnehmungen resultieren aus einem Zusammenbruch von Perzeption, Gedächtnis und Affekten (schizo-phren). Die Therapie der Psychosen umfasst pharmakologische, psychotherapeutische und -soziale sowie edukative Elemente. Im Anschluss an die akute Phase können die positiven Symptome völlig verschwinden oder deutlich zurückgehen. Bei einem Teil der Patienten bleiben negative Symptome und kognitive Störungen in einer Residualphase bestehen oder werden durch neuerliche akute Phasen unterbrochen.

Prävalenz, Inzidenz

Die Lebenszeitprävalenz der Psychosen liegt insgesamt bei ~3,4 %, die der Schizophrenien bei ~1 %. Die jährliche Inzidenzrate der Schizophrenien liegt bei 10–40 (Median 15,5) auf 100.000, schwankt also erheblich (Peraelae et al. 2007).
Schizophrenien im Kindes- und Jugendalter werden im amerikanischen Sprachraum unterteilt in:
1)
Psychosen mit Beginn in der Kindheit, <13. Lebensjahr (Childhood Onset Psychosis, COP bzw. Very Early Onset Psychosis, VEOP),
 
2)
Psychosen mit frühem Beginn, >13. bis <18. Lebensjahr (Early Onset Psychosis, EOP).
 
Die Prävalenz von Psychosen bei präpubertären Kindern (COP) ist sehr gering, wobei epidemiologisches Wissen zu dieser Erkrankung limitiert ist. Basierend auf den heute verfügbaren Daten geht man von einer Prävalenz der COP von 1,6–1,9 auf 100.000 Kindern aus. Im Jugendalter (EOP), besonders nach dem 14. Lebensjahr, steigt die Prävalenz rasch an.
Bei Männern wird die Diagnose 1,4-mal häufiger gestellt. Die Prävalenz der EOP liegt zwischen 10,6 (Frauen) und 19 (Männern) auf 10.000. Insgesamt gibt es einen bimodalen Erkrankungs-Peak.
Der erste Erkrankungsgipfel liegt zwischen 15.–24. Lebensjahr, mit einer leichten Häufung von Männern, der zweite zwischen dem 55.–64. Lebensjahr mit einer Häufung bei Frauen (Haefner et al. 1995). Eine australische Studie fand, dass etwa ein Drittel der Erstpsychosen zwischen dem 15. und 19. Lebensjahr auftritt (Amminger et al. 2006).

Krankheitsentwicklung und Krankheitsverlauf

Prämorbide Phase

Das prämorbide Funktionsniveau bezeichnet das soziale Verhalten, die schulischen Leistungen und andere psychosozialen Anpassungen des Kindes vor Beginn des Prodroms. Es ist ein wichtiger Indikator für den Verlauf der Erkrankung und dient zur Einschätzung des Potenzials des Patienten. Häufig finden sich bereits in dieser Phase Störungen wie ADHS, Verhaltensstörungen, ASS oder Angststörungen. Studien deuten darauf hin, dass das prämorbide Funktionsniveau bei EOP geringer ist, als bei Beginn der Erkrankung im Erwachsenenalter (Schimmelmann et al. 2007).

Prodrom

Im Erwachsenenalter beginnen >80 % der Psychosen mit einem Prodrom (Schultze-Lutter et al. 2010), d. h. einer Phase spezifischer Risikosymptome (Basissymptome, BS; attenuierte psychotische Symptome, APS; kurze (engl. brief), limitierte, intermittierende psychotische Symptome, BIPS), unspezifischer Symptome (ängstlich-depressiv), Leistungsknick und sozialem Rückzug (Kap. „Psychoserisikosyndrome im Kindes- und Jugendalter“). Wie hoch dieser Prozentsatz bei Kindern und Jugendlichen ist, ist aktuell noch nicht völlig geklärt.

Dauer der unbehandelten Psychose (DUP)

Auch eindeutige psychotische Symptome werden häufig nicht berichtet, lange nicht erkannt bzw. keiner unmittelbaren Behandlung zugeführt. Die Dauer zwischen Erkrankungsbeginn und Erstbehandlung (DUP, duration of untreated psychosis) ist bei EOP länger (17+/−1 Monat) als bei Beginn im Erwachsenenalter.
Generell gilt, dass Schizophrenien mit einer kurzen DUP, die also rasch nach Entstehung einer Erstpsychose behandelt werden, eine bessere Prognose haben und niedrigere Antipsychotikadosen erfordern, als bei langer DUP (Schimmelmann et al. 2008).

Verlauf der Psychose

Psychosen können einmalig auftreten, in mehrfachen Episoden oder einen chronischen Verlauf nehmen. Klinisch geht man von der Drittelregel aus, nimmt also an, dass jeweils 1/3 eine einmalige Episode, 1/3 mehrfache Episoden und 1/3 einen chronischen Verlauf aufweisen – wobei dies weder klar mit Daten untermauert noch widerlegbar wäre. Nach Langzeitstudien ist davon auszugehen, dass 21–57 % einen günstigen Verlauf haben.

Remissionsphase

Positivsymptome nehmen im Verlauf in der Regel ab. Negativsymptome und kognitive Symptome bleiben eher stabil. 45–70 % der Schizophrenien haben zumindest zeitweise eine Vollremission.

Prognose

Schizophrenien haben eine schlechtere Prognose als andere Formen der Psychosen (Abb. 1). Eine kurze Dauer der DUP, gutes prämorbides soziales und kognitives Funktionsniveau, höheres Alter bei Erstpsychose (>14 Jahre), rasches therapeutisches Ansprechen und gute Therapie-Adhärenz sind günstige prognostische Faktoren (Lambert et al. 2010). Ein negativer prognostischer Faktor ist Suchtmittelkonsum im Verlauf der Erkrankung.
Je nach Alter bei Ersterkrankung kann COP/EOP zu einer Verzögerung oder Verhinderung des Erreichens der klassischen Meilensteine der psychischen Entwicklung in Kindheit und Jugend führen (z. B. Kontaktaufnahme zu Peers, Aufbau von Selbstvertrauen und Empathie, Regulation der Impulskontrolle, Entwicklung von sexuellen bzw. Liebesbeziehungen, ethische und moralische Entwicklung, Ablösung von Familie, schulische und berufliche Ausbildung). Die der Erstpsychose folgenden 5 Jahre werden als kritische Periode für die Verlaufsvorhersage betrachtet.
Schizophrenien mit Beginn in der Kindheit und Jugend haben im Vergleich zu Erkrankungen mit Beginn im Erwachsenenalter ein niedrigeres prämorbides Funktionsniveau, es finden sich mehr Suizidversuche und eine stärkere Negativsymptomatik.
COP haben eine schlechtere Prognose als Schizophrenieformen mit Beginn in Jugend oder Erwachsenenalter, z. B. sind persistierende Symptome häufiger, je früher die Erkrankung beginnt.

Pathogenese

Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell, als das heute am ehesten gültige Modell, beschreibt die Pathogenese der Psychosen als ein Zusammenwirken von multiplen genetischen, biologischen und psychosozialen Faktoren: Auf ein durch angeborene oder erworbene Bedingungen „vulnerables“ Gehirn treffen Lebensereignisse und Stressoren, die beim Überschreiten einer bestimmten Schwelle zu psychotischen Symptomen führen (Schimmelmann und Resch 2013).
Die unterschiedlichen Theorien, die die Zusammenhänge zwischen Biologie, Psychologie und psychotischem Symptom zu erklären versuchen, verwenden dabei verschiedene Beschreibungsebenen: mikroskopisch/biochemisch (Transmitterhypothesen), makroskopisch (gestörte Verbindung zwischen Hirnarealen, Bottom-up- und Top-down-Hypothese) oder biografisch (Entwicklungstheorien).

Genetik

Die Erblichkeit der Schizophrenie liegt nach einer neueren Studie bei etwa 64 % (Lichtenstein et al. 2009) und ist damit hoch.
Das genetische Risiko steigt mit dem Verwandtschaftsgrad der Betroffenen auf bis zu 50 % bei eineiigen Zwillingen. Wenn ein Elternteil (ein Geschwister) erkrankt ist, besteht ein Risiko von 13 % (respektive 8 %) bei Kindern und Jugendlichen ebenfalls an einer Schizophrenie zu erkranken. Der weitaus größte Teil der erkrankten Patienten hat aber keine erstgradigen Familienangehörigen mit einer Schizophrenie (Sullivan et al. 2003). Dies schließt aber einen genetischen Einfluss, wie er beispielsweise durch Spontanmutationen entsteht, nicht aus. Gerade die eineiigen Zwillingsstudien zeigen, dass genetische Faktoren zwar einen erheblichen Teil, aber eben nicht die gesamte Varianz erklären können, sondern zusätzliche Umweltfaktoren eine ätiologisch wichtige Rolle spielen.

Single Nucleotid Polymorphismen

Neuere chipbasierte Technologien erlauben seit einigen Jahren die parallele Genotypisierung von bis zu 1.000.000 Genvarianten, den single nucleotide polymorphisms (SNPs). Die SNPs sind häufige in der Bevölkerung vorkommende Genvarianten mit kleinen oder sehr kleinen Effektstärken. Man geht heute davon aus, dass ein Teil der Varianz (~30 %) der genetischen Vulnerabilität der Schizophrenie durch diese häufigen Genvarianten mit kleinen Effekten erklärt werden kann und vermutet, dass Hunderte solcher relevanter SNPs mit jeweils sehr kleinen Effektstärken, in unterschiedlichen Kombinationen vorkommen.
Das Psychiatric Genomics Consortium hat in einer genomweiten Assoziationsstudie (GWAS) zu ~37.000 Patienten und ~113.000 Kontrollen, in einer Kollaboration von 35 Ländern und >80 Zentren, erstmals genomweit signifikante Befunde erbracht (Schizophrenia Working Group 2014). Insgesamt wurden 108 Genloci identifiziert, die mit Schizophrenie assoziiert sind. Zum einen bestätigten die gefundenen Genloci bereits bekannte oder vermutete Gene, die vor allem in den Glutamat- und Dopaminstoffwechsel involviert sind: DRD2 kodiert den Dopamin D2-Rezeptor, der zentral in der Dopaminhypothese (Abschn. 7.1) der Schizophrenie und der Angriffspunkt vieler Antipsychotika ist. GRM3, GRIN2A, SRR, GRIA1 betreffen die glutamaterge Neurotransmission und die synaptische Plastizität und bestätigen damit die NMDA-Hypothese (Abschn. 7.4) der Schizophrenie. CACNA1C, CACNB2 und CACNA1 weisen auf eine Störung der Kalziumkanäle in den Neuronen hin. Außerdem war eine Reihe von im Immunsystem involvierten Genen mit Schizophrenie assoziiert, allen voran die am stärksten signifikantete Assoziation auf dem Chromosom 6, wo verschiedene Gene des Haupthistokompatibilitätskomplexes (MHC) lokalisiert sind.

Copy Number Variations

Im Gegensatz zu den SNPs sind die copy number variations (CNVs) seltene Genvarianten mit mittlerer bis großer Effektstärke (Stefansson et al. 2008). Die CNVs sind Deletionen oder Duplikationen im Genom. CNVs machen ca. 12 % des Genoms des Menschen aus. Sie können vererbt werden, treten aber meistens spontan als De-novo-Mutation auf. Die klassische CNV ist ein DNA-Abschnitt von einer Länge von mindestens 100.000 Bausteinen von sich wiederholenden Kopien kurzer DNA-Sequenzen. Die CNVs als seltene genetische Hochrisikovarianten finden sich bei Schizophrenie genauso wie bei Autismus und beeinflussen kognitive Fähigkeiten und Hirnstrukturen. Hotspots der für Schizophrenie relevanten CNVs sind auf Chromosom 1, 3, 15, 16 und 17 lokalisiert, wobei die meisten aber einzigartig, also lokalisatorisch nicht vorhersagbar sind. Das bekannteste für die Schizophrenie relevante Beispiel ist die Mikrodeletion in 22q11.2 (Di-George bzw. velokardiofaziales Syndrom). Allein diese Mikrodeletion erklärt ca. 1–2 % aller Schizophreniefälle (International Schizophrenia Consortium 2008).

Endophänotypen

Im Falle der Schizophrenien wird heute angenommen, dass verschiedene Ursachen über unterschiedliche pathogenetische Wege zur einer gemeinsamen „Endstrecke“, dem Phänotypus Schizophrenie führen. Diesem kategorialen Ansatz steht ein dimensionaler Ansatz gegenüber, wie er auch in DSM-5 und den National Institute of Mental Health Research Domain Criteria (NIMH RDoC) verfolgt wird. Endophänotypen sollen eine Brücke zwischen Phänotypus und Genotypus einer Erkrankung darstellen, liegen also näher am biologischen Geschehen als die klassische psychiatrische Phänomenologie. Endophänotypen der Schizophrenie müssen per Definition
1.
in der Bevölkerung mit Schizophrenie assoziiert sein,
 
2.
erblich sein,
 
3.
sollen bei erkrankten Individuen vorkommen, unabhängig davon, ob sie manifest erkrankt sind oder nicht, d. h. trait- und nicht state-abhängig sein und
 
4.
sie müssen mit der Erkrankung ko-segregieren, d. h. in Familien gemeinsam mit der Erkrankung auftauchen.
 
Endophänotypen der Schizophrenie (Allen et al. 2009) sind z. B. kognitive Defizite (exekutive Funktionen, Aufmerksamkeit, visuell-räumliches Gedächtnis), sensorische Marker (prepulse inhibition, P300, N400) oder MR-Marker (Volumen von Ventrikel, Planum temporale, Gyrus temporalis superior, fMRI Aktivierung bei Arbeitsgedächtnisaufgabe), Augenfolgebewegungen und neurologische „soft signs“.

Epigenetik

Epigenetik bezeichnet die reversible Regulation genomischer Funktionen (Transkription, Translation), die unabhängig von der DNA-Sequenz (Jaenisch und Bird 2003) und über Methylierung der DNA erfolgt. Die Epigenetik kann einerseits den Einfluss von Umweltfaktoren (z. B. Traumata, Infektionen, Toxine) auf die Genexpression untersuchen und damit Gen-Umwelt-Interaktionen aufklären. Andererseits wird damit auch die transgenerationale Weitergabe, also Veränderungen von Genenregulationen, die von Eltern ans Kind weitergegeben werden, beforscht. Die Unterschiede in den Konkordanzraten zwischen eineiigen Zwillingen (Abschn. 5.1) werden durch epigenetische Mechanismen erklärt. Es ist zu erwarten, dass in Zukunft wichtige Erkenntnisse für die Neurobiologie der Schizophrenie aus der Epigenetik kommen werden, die aktuellen Studienergebnisse sind noch uneinheitlich.

Psychosoziale Risikofaktoren und Umweltfaktoren

Das Vulnerabilitäts-Stress Modell geht, wie oben beschrieben, von einer Wechselwirkung genetischer Prädisposition und unterschiedlicher Umwelteinflüsse aus. Ein Drittel aller Psychosen hat einen engen Bezug zu Umweltfaktoren. Auch wenn die Kausalität zwischen Umweltfaktoren und Psychose nicht einfach nachweisbar ist, sollen die wichtigsten Erkenntnisse hier zusammengefasst werden:

Urbanes Umfeld

Mehrere Metaanalysen konnten einen Zusammenhang und eine Dosis-Wirkungsbeziehung von großstädtischem Umfeld und Psychoseentwicklung aufweisen (van Os et al. 2010). Außerdem konnten spezifische Zusammenhänge zwischen Urbanität (gegenwärtiges Leben/Aufwachsen in einer Stadt) und Hirnaktivität in Amygdala und dem anterioren zingularen Kortex, also von Regionen, die für die Verarbeitung von sozialem Stress zuständig sind, gezeigt werden (Lederbogen et al. 2011). Diese Regionen sind bei schizophrenen Patienten beeinträchtigt.

Migration

Ein Zusammenhang zwischen ethnischer Minderheit und Psychose wurde sowohl in der ersten als auch zweiten Generation von Migranten gefunden (van Os et al. 2010), wobei das Risiko bei sozialer Isolierung besonders groß ist und deutlich vermindert, wenn die eigene ethnische Gruppe in der Umgebung in großer Zahl vertreten ist. Soziale Faktoren können dopaminerge Reaktionsprozesse im Rahmen der Gehirnentwicklung beeinträchtigen und zu einer Überempfindlichkeit des mesolimbischen Dopaminsystems führen. Eine wichtige Hypothese in diesem Zusammenhang ist die sog. Social-defeat-Hypothese. Sie geht davon aus, dass soziale Unterdrückung einen Risikofaktor für Schizophrenie darstellen kann (Selten und Cantor-Graae 2007).

Pränatale Umwelteinflüsse

Für eine Reihe von pränatalen Entwicklungseinflüssen auf den Fötus wurde eine ätiologische Bedeutung hervorgehoben. Es handelt sich dabei um pränatalen mütterlichen Stress, Ernährungsdefizite, erhöhte Serumspiegel von Blei und Homozystein im mütterlichen Kreislauf, Rhesusinkompatibilität, pränatale Toxoplasmose oder andere Infektionserkrankungen (Übersicht bei van Os et al. 2010).

Trauma

Es besteht ein Zusammenhang zwischen psychologischen Traumata, damit assoziierten Veränderungen der Gehirnfunktion und -struktur und der Entwicklung von psychotischen Symptomen (Varese et al. 2012). Einerseits wird ein direkter Einfluss von Trauma auf den Dopaminstoffwechsel postuliert, andererseits werden posttraumatische epigenetische Veränderungen für den Zusammenhang verantwortlich gemacht.

Cannabis

Gesichert ist, dass das im Cannabis vorhandene Delta-9-Tetrahydrocannabinol vorübergehende psychotische Symptome induzieren kann (Morrison et al. 2009).
Cannabiskonsum kann zu früherem Erkankungsbeginn und ungünstigerem Verlauf einer Schizophrenie beitragen.
Die Datenlage, ob Cannabiskonsum die Erkrankung unabhängig von genetischer Prädisposition hervorrufen kann, ist aktuell noch nicht eindeutig beurteilbar. Es ist davon auszugehen, dass ein schwacher kausaler Zusammenhang bestehen könnte, aber Cannabiskonsum in vielen tausenden Fällen verhindert oder behandelt werden müsste, um einen einzelnen Fall Schizophrenie zu verhindern (Gage et al. 2013). Umgekehrt scheint das im Cannabis deutlich geringer vorkommende Cannabidiol antipsychotische Eigenschaften zu haben. Das therapeutische Potenzial von Cannabidiolpräparaten wird gegenwärtig in Studien untersucht.

Strukturelle und funktionelle Befunde

Graue Hirnsubstanz

Die graue Hirnsubstanz von Patienten mit Schizophrenie zeigt weitverteilte Volumensreduktionen. Am meisten sind frontale (z. B. dorsolateraler präfrontaler Kortex), temporale (superiorer und mittlerer temporaler Gyrus), insulare und limbische (Hippocampus, anteriores cingulum) Regionen sowie der Thalamus betroffen.
Einige Studien zeigen, dass die altersbedingte physiologische Volumenreduktion bei Schizophrenien beschleunigt sein dürfte.
Es findet sich ein Zusammenhang mit der Ausprägung kognitiver Defizite. Obwohl sich ein Zusammenhang der Volumenreduktionen mit antipsychotischer Medikation zeigen lässt, sind frontale und temporale Verminderungen der grauen Hirnsubstanz bereits unabhängig von letzterer in geringerem Ausmaß in Risikostadien und graduell stärker bei jenen, die später zur Psychose konvertieren, darstellbar. Untersuchungen bei COP und EOP sind deutlich seltener, die Datenlage daher uneinheitlicher. Die vorhandenen Studien deuten aber in die gleiche Richtung, z. B. haben Thompson und Mitarbeiter (2001) in einer Longitudinalstudie mit Kindern und Jugendlichen mit Schizophrenie progrediente Volumenreduktionen in frontalen, temporalen, aber auch parietalen Regionen gefunden (Abb. 2).

Weiße Hirnsubstanz

Die bei Patienten mit Schizophrenie am stärksten betroffenen Areale der weißen Hirnsubstanz sind Cingulum, Corpus callosum, Fasciculus uncinatus und Fasciculus arcuatus mit einem generellen Trend für reduzierte fraktionelle Anisotropie (Kumra et al. 2004; Kyriakopoulos et al. 2008). Weiterhin wurden Veränderungen im Fasciculus longitudinalis, in frontalen, temporalen, kortikospinalen und okzipitalen Bahnen gefunden. Bei Patienten mit Psychoserisiko finden sich Veränderungen u. a. mit Betonung im Corpus callosum und der Radiatio thalamica.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vorhandenen Reduktionen von grauer und weißer Hirnsubstanz auf (z. B. kortiko-striato-thalamo-zerebello-kortikale) Netzwerkstörungen hindeuten und daher nicht auf einzelne Regionen beschränkt, sondern weiträumig disseminiert sind.
Aufgrund krankheitsbedingter, konfundierender Effekte, wie z. B. Auswirkung von Antipsychotikatherapie oder komorbider Erkrankungen auf graue/weiße Hirnsubstanz, wurde der wissenschaftliche Fokus in den letzten Jahren vermehrt auf junge Patienten, Risikostadien (UHR und genetische Hochrisikovarianten) sowie Longitudinaluntersuchungen gelegt. Die Resultate deuten insgesamt auf eine im Vergleich zu Gesunden beschleunigte Abnahme von grauer Hirnsubstanz/weißen Faserverbindungen mit Betonung im frontotemporalen Kortex bei Schizophrenie hin. In den betroffenen Arealen lässt sich eine reduzierte neuronale Aktivität zeigen (Kindler et al. 2015, 2016a).

Funktionelle Befunde

Hirnfunktionen werden heute üblicherweise im Ruhezustand (Resting state) oder während Task-Aktivität mit unterschiedlichen Methoden (z. B. EEG, fMRI) untersucht. Bei Patienten mit Schizophrenien werden Veränderungen unterschiedlichster Hirnfunktionen von früher Informationsverarbeitung bis hin zu komplexen kognitiven Prozessen gefunden (Kindler et al. 2011).

Funktionelle Konnektivität im Ruhezustand (Resting state connectivity)

Passend zu den Befunden von reduzierter struktureller Konnektivität zeigen Studien zur funktionellen Konnektivität von großräumigen Gehirnnetzwerken (large scale brain networks, Raichle et al. 2001) reduzierte Verbindungen im Ruhezustand, so im affektiven Netzwerk, ventralen Aufmerksamkeitsnetzwerk, im Thalamus-Netzwerk, im somatosensorischen Netzwerk und im Default-mode-Netzwerk (Dong et al. 2018). Auch die Netzwerke untereinander zeigen Hypokonnektivität (Hubl et al. 2018). Insgesamt stützen diese Befunde die Dyskonnektivitätshypothese (Abschn. 7.5) der Schizophrenie. Einzig die Konnektivität zwischen Aufmerksamkeitsnetzwerk und affektivem Netzwerk zeigt sich erhöht, was ein Hinweis auf abnorm erhöhte Salienz bei Schizophrenie (Abschn. 7.2) sein könnte.

Auditives System

Patienten mit Schizophrenie zeigen Unterschiede zu Gesunden in ihrer auditorischen Wahrnehmung bereits auf früher, d. h. basaler Verarbeitungsstufe, was auf Bottom-up-Störungen hindeutet. Akustisch evozierte Potenziale erzeugen typische EEG-Antworten (P50, N100, P300, Mismatch-Negativität). Schizophrene Patienten zeigen eine abnorme Unterdrückung der P50, eine Komponente, die Veränderungen des sog. sensorischen Gatings darstellt. Die Idee eines gestörten sensorischen Gatings ist eine wichtige Teilhypothese der Bottom-up-Störung: Schizophrene Patienten können schlechter irrelevanten sensorischen Input inhibieren, was zu einer Überladung mit z. T. unwichtigen Informationen führt. Eine Meta-Analyse von 46 Studien zeigte, dass zusammengefasst von einem Gating-Defizit bei schizophrenen Patienten ausgegangen werden muss. Die Mismatch-Negativität (MMN) bildet die frühe Antwort des primären auditorischen Kortex auf seltene Veränderungen von Stimuluseigenschaften wie Dauer oder Tonhöhe ab (z. B. mittels Oddball-Paradigma) und zeigt sich als Negativierung im ereigniskorrelierten Potenzial (ERP), einer typischen EEG-Welle nach 100–200 ms. Defizite der MMN-Generierung bei schizophrenen Patienten wurden mit großer Übereinstimmung beschrieben. Das MMN-Defizit wird heute als Biomarker neurokognitiver Dysfunktion bei Schizophrenie (Javitt et al. 2008) angesehen und korreliert mit NMDA-Rezeptoraktivität. Die N100, die im primären auditorischen Kortex und in sekundären Regionen generiert wird, weist bei schizophrenen Patienten Defizite auf (Ford et al. 2001). Bei Gesunden ist die N100 während des Sprechens vermindert ist, was auf Top-down-Modulation hindeutet. Bei Schizophrenen findet sich diese Verminderung aber zusätzlich auch beim Hören, was bei den Patienten eher für Bottom-up-Defizite spricht. Die N100 ist ebenfalls NMDA-Rezeptor-vermittelt.
Die P300 ist eine Positivierung ca. 300 ms nach einem seltenen Zielreiz (z. B. Oddball-Paradigma). P3a ist Ausdruck der Reizneuheit, frontozentral betont und korreliert mit psychosozialen Funktionen, Arbeitsgedächtnis und funktionellem Outcome. Bei schizophrenen Patienten ist die P3a-Amplitude auf akustische Reize vermindert und die Latenz verlängert und die Defizite korrelieren mit Positiv- und Negativsymptomen.
Bei akustischen Halluzinationen finden sich beispielsweise Aktivierungen kortikaler Areale (Homan et al. 2012; Kindler et al. 2013), die in Sprachbildung (z. B. Broca-Areal) und -rezeption (Wernicke-Areal, primärer Hörkortex) involviert sind, ohne objektivierbaren akustischen Stimulus. Diese Befunde weisen ebenfalls auf Bottom-up-Mechanismen hin. Störungen der Bottom-up-Mechanismen können auch für das visuelle System gezeigt werden.

Neuromotorische Befunde

Schizophrene Patienten zeigen eine Reihe motorischer Symptome, die lange Zeit auf Nebenwirkungen von klassischen Neuroleptika zurückgeführt wurden. In neueren Untersuchungen wurde gezeigt, dass motorische Symptome wie leichtgradige unwillkürliche Bewegungen, Parkinsonismus, Tremor, Rigidität, neurologische Soft signs, katatone Symptome oder psychomotorische Verlangsamung auch bei unmedizierten Patienten, bei nichterkrankten Familienmitgliedern oder Patienten mit klinischem Psychoserisiko beobachtbar sind (Kindler et al. 2016b). Die motorischen Symptome deuten auf primäre Störungen in zerebello-thalamo-kortikalen oder kortiko-striatalen Motornetzwerken hin. Wie weit motorische Symptome als Endophänotypen oder diagnostische Prädiktoren in Frühstadien verwendbar sind ist Gegenstand aktueller Studien.

Augenfolgebewegungen

Eine Störung der langsamen Augenfolgebewegungen wird bei bis zu 80 % der Patienten mit Schizophrenie und bis zu 50 % der Angehörigen von Patienten beschrieben. Die langsamen Augenfolgebewegungen werden daher als Endophänotypus bzw. biologischer Trait-Marker betrachtet, der sich allerdings aufgrund zu geringer Spezifität nicht zur Diagnostik eignet.

Hypothesen

Dopaminhypothese der Schizophrenie

Dies ist die älteste und am längsten überdauernde Hypothese zur Schizophrenieentstehung.
Die ursprüngliche Dopaminhypothese betrachtete Schizophrenie als hyperdopaminergen Zustand, eine „Dopaminvergiftung“.
Grundlegend dafür waren einerseits Befunde wie die Induktion von psychotischen Zuständen durch dopaminfreisetzende Substanzen wie Amphetamin und andererseits die antipsychotische Wirksamkeit von Dopamin-2(D2)-Rezeptorantagonisten. Weiterhin hatten Post-mortem-Untersuchungen und Positronemissionstomografiestudien in vitro und in vivo Unterschiede in der Verteilung von D2-Rezeptoren bestätigt. Diese erste Version der Dopaminhypothese (I) konnte ausreichend gut die Positivsymptome der Schizophrenie erklären, war aber nicht geeignet kognitive Symptome zu erfassen. In einer späteren Rekonzeptualisierung und Modifikation (Dopaminhypothese II) wurde spezifiziert, dass bei Schizophrenie ein hyperdopaminerger Zustand in subkortikalen Regionen, vor allem dem Striatum, auftritt, wohingegen kognitive Symptome auf eine dopaminerge Unterversorgung des Präfrontalkortex (präfrontale Hypodopaminergie) zurückzuführen sind. Es findet sich also ein dopaminerges Ungleichgewicht mesolimbischer-mesokortikaler Projektionen mit Unterfunktion der mesokortikalen und Überfunktion der mesolimbischen Bahnen. Dennoch fokussierte auch diese Hypothese zu sehr auf Dopamin allein, was die Funktion von atypischen Antipsychotika nur unzureichend erklärt. Howes und Kapur (2009) formulierten nun eine 3. Version der Dopaminhypothese (III) die aus 4 Komponenten besteht:
1)
Multiple „Hits“ während der Entwicklung interagieren und führen zu einer Dopamindysregulation, die die letzte gemeinsame Endstrecke zur Psychose darstellt.
 
2)
Der Ort der dopaminergen Dysregulation ist weniger der D2-Rezeptor selbst, sondern liegt vielmehr in der Präsynapse, am Ort der Kontrollfunktion für die Dopaminausschüttung. Es handelt sich also um eine präsynaptische dopaminerge Dysregulation. Dies hatten jüngere PET Studien bei Psychosen und Psychoserisiko gezeigt und erklärt so die (unzureichende) Wirkung von Antipsychotika, die per D2-Blockade zu einer paradoxen Erhöhung der Dopaminsynthese führen können.
 
3)
Die dopaminerge Dysregulation ist mit Psychosen generell bzw. einer Anfälligkeit für Psychosen (Psychoserisiko) assoziiert.
 
4)
Die dopaminerge Dysregulation verändert die Bewertung von Stimuli, wahrscheinlich durch Veränderung der Salienz (Abschn. 7.2).
 
5)
Die kognitiven Störungen könnten direkt auf eine striatale dopaminerge Dysfunktion zurückzuführen sein (Kindler et al. 2018). Möglich ist allerdings auch, dass die kognitiven Störungen unabhängig von Dopamin durch andere Neurotransmitterveränderungen zustande kommen. Die Version III der Dopaminhypothese ist damit mehr eine Hypothese der „Psychose“ (v. a. positiver psychotischer Symptome) innerhalb der Schizophrenie, als eine gesamthafte Erklärung der Schizophrenie.
 

Schizophrenie als Salienzsyndrom

Der Begriff der Salienz entstammt der Neuropsychologie und bedeutet das Hervorstechen eines Reizes aus der Umgebung und die in der Folge damit einhergehende Aufmerksamkeitsausrichtung auf den betreffenden Reiz (Kapur 2003). Saliente Informationen erhalten im Vergleich zu nichtsalienten Informationen eine besondere emotionale Gewichtung. Salienz kann definiert werden als die Eigenschaft eines Reizes, unerwartet zu sein, und eine Änderung der Aufmerksamkeit bzw. des Verhaltens zu bewirken (Walter et al. 2005).
Salienz ist durch den Neurotransmitter Dopamin vermittelt, was im Falle der bei Schizophrenien beschriebenen übermäßgen Ausschüttung von Dopamin zu fehlgeleiteter Salienz und falscher Gewichtung von Informationen führt und als Erklärungsansatz für die Entstehung von Positivsymptomen dient.
Eine Salienzstörung (Störung der Bedeutsamkeitszuschreibung) im Rahmen einer Psychose bedeutet entsprechend, Reize von innen oder außen überzubewerten und z. B. im Rahmen eines Wahns, falsch (nicht realitätsgetreu) zu interpretieren. Zur Entstigmatisierung wurde diskutiert den Begriff Schizophrenie mit Salienzsyndrom zu ersetzen.

Störung von Bottom-up- und Top-down-Prozessen

Die Reverse-Hierarchie-Theorie besagt, dass sensorische Verarbeitung (Bottom-up) sehr früh von höheren kortikalen Zentren (Top-down) in Feedbackschleifen moduliert wird, unsere Wahrnehmung also ein Konstrukt ist, dass aus Bottom-up- und Top-down-Interaktionen entsteht. Über unsere Sinne werden durchgehend unterschiedlichste Informationen aufgenommen. Parallel dazu wird eine Vorhersage (Efference copy), eine Information aus gespeicherten Daten aus Erfahrungen und Erinnerungen, ausgesendet, um die neu aufgenommenen Informationen zu interpretieren und ihnen Bedeutung zu verleihen.
Schizophrenie wurde lange Zeit als isolierte Top-down-Regulationsstörung betrachtet, die auf Defiziten des Präfrontalkortex beruht und daraus resultierend zu sekundären Dysfunktionen in sensorischen (niederen) Hirnregionen führt. Umgekehrt würden Störungen der Bottom-up-Prozesse auf isolierte Störungen der primären sensorischen Regionen und deren Verarbeitung zurückzuführen sein, die zu Weiterleitung von falschen Informationen a priori führen. Heute geht man davon aus, dass es bei schizophrenen Patienten zu einer Störung auf mehreren Ebenen kommt und sowohl Bottom-up-Defizite im Sinne einer veränderten sensorischen Verarbeitung, der Aktivierung höherer Zentren, als auch der Top-down-Modulation des Inputs bestehen.

Glutamathypothese der Schizophrenie

Die Glutamathypothese der Schizophrenie (Kantrowitz und Javitt 2009) beruht auf der Beobachtung, dass eine Blockade des glutamatergen NMDA-Rezeptors durch Phencyclidin (PCP) oder Ketamin Positiv- und Negativsymptome, aber auch kognitive Störungen bei Gesunden induzieren kann, die den bei akuter und chronischer Schizophrenie beobachteten klinischen Bildern stark ähneln.
Die Hypothese wird durch eine Vielzahl genetischer und neurochemischer Befunde gestützt und ist durch Tiermodelle untermauert. Zunächst wurde eine Hypofunktion der NMDA-Rezeptoren als alleiniges Erklärungsmodell postuliert. Heute wird allerdings eher eine dysfunktionale glutamaterge Transmission mit regionaler Zunahme des Glutamats und einer Hypofunktion des assoziierten NMDA-Rezeptors angenommen. Durch die Unterfunktion des NMDA-Rezeptors kommt es zu einer mangelnden Hemmung exzitatorischer glutamaterger Neurone durch GABAerge Interneurone, deren Aktivität durch eben diese NMDA-Rezeptoren gesteuert wird. Als Folge wird eine Disinhibition des glutamatergen thalamo-kortikalen Inputs zu den Pyramidenbahnzellen des präfrontalen Kortex angenommen. Die vermehrte Freisetzung von Glutamat führt zu einer vermehrten Aktivierung von non-NMDA-R, einer erhöhten Erregbarkeit von Strukturen des präfrontalen Kortex und einer irregulären Aktivität glutamaterger Neurone, die letztlich zu einer Störung der Informationsverarbeitung führt. Die Dysregulation der dopaminergen Neurotransmission wird in diesem Modell als Folge dieser glutamatergen Funktionsstörung gesehen.
Die Hoffnung auf der Glutamathypothese basierend effektive neue pharmakologische Therapien (z. B. Glycin Reuptake Inhibitoren) für die Schizophrenie zu entwickeln, wurde bislang nicht erfüllt.

Dyskonnektivitätshypothese der Schizophrenie

Die Dyskonnektivitätshypothese (Stephan et al. 2009; Friston et al. 2016) versucht Symptome und zugrunde liegende molekulare und neuronale pathophysiologische Prozesse zu verbinden. Der grundlegende pathophysiologische Mechanismus von Dyskonnektivität liege in fehlerhafter NMDA(n-methyl-d-aspartat)-Rezeptor mediierter synaptischer Plastizität aufgrund abnormer Regulation von NMDA-Rezeptoren durch modulatorische Neurotransmittersysteme wie Dopamin, Serotonin und Acetylcholin. Schizophrenie sei nicht das Resultat eines strukturellen Defektes einer einzelnen umrissenen Hirnregion (funktionelle Segregation), wie noch von Wernicke postuliert, sondern entstehe aufgrund fehlerhafter funktioneller Integration von Information, also fehlerhafter Interaktion mindestens zweier (oder mehrerer) Regionen. Die Induktion von psychotischen Symptomen bei Gesunden (ohne jeglichen Defekt) mittels NMDA-Rezeptorantagonisten (z. B. Ketamin) wäre nur so erklärbar. Physiologisch, so postuliert sie, kann Psychose auf einem Systemlevel am besten verstanden werden als fehlerhafte Neuromodulation aufgrund veränderter synaptischer Aktivität, welche intrinsische (molekulare) und extrinsische (large scale) Konnektivität mediiert. Diskonnektivität wird interpretiert als abnorme Kontrolle der erfahrungsbedingten Plastizität, die der kognitiven, emotionalen und sensomotorischen Anpassung an die Umwelt dient. Während die Glutamathypothese ausschließlich auf die Rolle der NMDA-Rezeptoren fokussiert, geht die Dyskonnektivitätshypothese einen Schritt weiter und betont also den Einfluss von Neurotransmittern wie Dopamin auf die NMDA mediierte synaptische Effizienz.
Das Gehirn kann als statistisches Organ (Bayesian brain) verstanden werden, das permanent Hypothesen und Annahmen generiert, um sensorische Wahrnehmungen bestmöglich zu erklären. Unsere Wahrnehmungen (bottom up) und deren Repräsentationen werden abgeglichen mit (top down) Voraussagen (Predictive coding). Der Fehler in der Voraussage (Prediction error) erzeugt ein Mismatch-Signal, dass je nach Übereinstimmung zwischen Voraussage und sensorischer Wahrnehmung größer oder kleiner ausfällt. Das Mismatch-Signal, also die Differenz zwischen Erwartung und Erfahrung, wird in diesem hierarchisch organisierten System verwendet, um innere Repräsentationen upzudaten und zu optimieren. Demnach entstehen mit Zunahme an Erfahrungen neue Annahmen bzw. modifizierte Erwartungshaltungen.
Große Bedeutung kommt in der Dyskonnektivitätshypothese der Schizophrenie der Kodierung der Präzision bzw. Ungenauigkeit des Prediction-error-Signals (Vorhersagefehlers) zu, die den Bedeutungsgehalt (Salienz) von Informationen bedingt (Annahme eher falsch/eher richtig). Die Kodierung des Prediction errors ist von der NMDA-Rezeptor mediierten synaptischen Effizienz (synaptic gain) und dopaminerger Modulation abhängig. Ein Fehler in dieser Kodierung kann dazu führen, dass die Einschätzung der Präzision/ Ungenauigkeit einer Wahrnehmung unangemessen hoch oder niedrig ist. Bei Schizophrenien wird in diesem Kontext ein fälschlicherweise zu gering ausfallendes, oder völlig fehlendes Prediction-error-Signal postuliert, das in der Folge zu abnorm gesteigerter Sicherheit in Wahrnehmungen/Annahmen führt. Symptome wie Halluzinationen oder Wahn könnten so erklärt werden, die letztlich einen Versuch des Gehirns darstellen, den fundamentalen Fehler in der Einschätzung der Bedeutung zu kompensieren. Psychopathologie wird in diesem Konzept also als Fehler der Error-Prädiktion und demnach als Fehler in der Vorhersage von Wahrscheinlichkeiten bzw. der daraus entstehenden falschen Schlussfolgerung verstanden.
Die Stärke der Dyskonnektivitätshypothese liegt in der Verbindung von mikroskopischer Ebene (synaptischer Effizienz, NMDA-Rezeptoren, Dopamin), makroskopischer Ebene (funktionelle Konnektivität verschiedener Hirnareale) und Psychopathologie (prediction error signalling und Entstehung von Wahn und Halluzinationen).

Immunologische Faktoren

Die Idee, dass Schizophrenie durch Infektionen hervorgerufen werden könnte, ist relativ alt. Geburtskohortenstudien hatten bereits in den 1960er-Jahren gezeigt, dass schizophrene Patienten häufiger in den Winter- und Frühlingsmonaten geboren wurden, weshalb die Hypothese entstand, dass virale Infektionen im letzten Trimenon ursächlich mit der Entstehung der Schizophrenie zusammenhängen könnten. Jüngere genetische Untersuchungen (Schizophrenia Working Group of the Psychiatric Genomics Consortium 2014) befeuerten die Suche nach immunologischen Ursachen der Schizophrenie aufs Neue, als neben Genen des Dopamin- und Glutamatsystems auch solche des Immunsystems entdeckt wurden. Auf Basis von epidemiologischen Untersuchungen und Tierversuchen wurde schließlich die Hypothese der mütterlichen Immunaktivierung (MIA) als Risikofaktor für neuropsychiatrische Erkrankungen formuliert (Estes und McAllister 2016). Beispielsweise ist ein erhöhtes mütterliches CRP während der Schwangerschaft assoziiert mit einem erhöhten Risiko für Schizophrenie des Kindes (Odds Ratio 1.3). Eine Reihe von spezifischen Infektionen während der Schwangerschaft (z. B. Toxoplasma gondii, Rubella-Virus) können das Risiko signifikant steigern. Die MIA-Hypothese geht davon aus, dass eine pränatale immunologische Aktivierung bei gleichzeitig vorhandener genetischer Prädisposition zu einer Veränderung des Immunstatus des Fetus und seiner neuronalen Entwicklung führt. Die Auswirkung mütterlicher Infektionen auf die Zellmigration im sich entwickelnden Embryo und Fötus und daraus resultierende mögliche strukturelle Defizite der zellulären zerebralen Architektur gaben der Hypothese einen pathogenetischen Erklärungswert. Die MIA erhöht das Risiko für eine Reihe neuropsychiatrische Erkrankungen, allen voran Autismus und Schizophrenie. Es wird angenommen, dass ein „second hit“ durch Stress oder Drogengebrauch schließlich zum Ausbruch der Erkrankung führt. Es wird erwartet, dass immunologische Faktoren bei ca. einem Drittel der Patienten mit Schizophrenie eine pathogenetische Rolle spielen, und in Zukunft möglicherweise auch therapeutisch genutzt werden könnten.

Entwicklungsneurologische Modelle der Schizophrenie

Schizophrenie kann als neuronale Entwicklungsstörung angesehen werden. Nach Thomas Insel werden die 4 Stadien unterteilt: Risiko, Prodrom, (Erst-)Psychose und chronische Erkrankung. Der Ausbruch der Psychose wäre bereits als Spätstadium zu verstehen, der Beginn der Erkrankung demnach deutlich früher anzusiedeln. Betrachtet man Schizophrenie als neuronale Entwicklungsstörung, so eröffnet dies neue Möglichkeiten für die Prävention der Erkrankung (Insel 2010).
Je nach Zeitpunkt, zu dem die Entwicklungsstörung beginnt, werden verschiedene Modelle unterschieden, die von Keshavan (1999) im 3-Hit-Modell vereint werden: 1. genetisch oder prä-/perinatal durch Noxen bedingte Entwicklungsstörung, 2. Stress durch problematische psychosoziale Anforderungen in Adoleszenz und frühem Erwachsenenalter, 3. neurotoxische Wirkung der unbehandelten Psychose im frühen Krankheitsverlauf.
Der erste (1.) Hit führt zum Verlust glutamaterger Neurone im kortikostriatalen Sytem. Die reduzierte Glutamataktivität könnte Grundlage für die prämorbid beobachtbaren kognitiven Defizite sein. Das physiologisch im Jugendalter auftretende synaptische Pruning, also die Elimination von ineffizienten Synapsen, wird durch Veränderungen glutamaterger und dopaminerger Neurotransmission übersteigert, was (2.) zu „exzessivem Pruning“ führt. Aufgrund von Stress kommt es zur Hochregulierung der durch fehlende Synapsen verminderten Dopaminausschüttung. Durch die exzessive sekundäre Dopaminfreisetzung kommt es in der Folge zur Erstpsychose mit Positivsymptomen. Wenn dieser Zustand lange andauert, folgt schließlich eine Hochregulation der Glutamatsekretion (3.), die oxidativen und neurotoxischen Stress verursacht und letztlich zur Neurodegeneration führt.

Psychopathologie

Bei Psychosen besteht der Kern der Psychopathologie in einer Störung des Realitätsbezuges, der sich in Auffälligkeiten im inhaltlichen und formalen Denken sowie in Wahrnehmungsstörungen äußert.
Unterschieden werden Positivsymptome, die bei Gesunden nicht beobachtbar sind, bei Erkrankten also „hinzukommen“. Diese sind Wahn, Halluzination und desorganisiertes Denken/Handeln. Negativsymptome betreffen Antrieb, Motivation, Affekte, soziale Interaktionen und Kommunikation und fallen im Gegensatz als Mangel bei Erkrankten auf.

Wahn

Der Wahn als die klassische inhaltliche Denkstörung ist nach Jaspers eine fixierte Idee, die auch inhaltlich spezifische Themen betreffen kann, aber vor allem durch seine formalen Kriterien auffällt: 1) subjektive Gewissheit, 2) Unkorrigierbarkeit, 3) Unwahrscheinlichkeit/Unmöglichkeit des Inhalts (Jaspers 1973).
In der subjektiven Gewissheit kommt die hohe Bedeutsamkeit der subjektiven Erlebnisse zum Ausdruck, die den Wahn inhaltlich ausgestalten. Eine Relativierung ist dem Wahnkranken nicht möglich.
Die Unbeeinflussbarkeit ist die Aufrechterhaltung der subjektiven Gewissheit vom Ausgangspunkt des Wahns über den Zeitverlauf und gegen jegliche widerlegende Evidenz. Eine Änderung des Bezugspunktes bzw. eine Übernahme einer alternativen Perspektive ist dem Wahnkranken nicht möglich.
Die Unmöglichkeit des Inhalts ist das schwächste Kriterium und insbesondere bei bizarren Wahnvorstellungen gegeben. Wahnthemen wie Krankheits- oder Eifersuchtswahn sind prinzipiell mögliche, aber nicht gegebene Sachverhalte.
Wahn ist Ich-synton, wird also als zum Ich-gehörend erlebt und nicht als störend empfunden. Wahnthemen variieren nach Kulturkreis. In unserer Kultur finden sich häufig: Verfolgungswahn/Beeinträchtigungswahn, religiöser Wahn, Beziehungswahn, Eifersuchtswahn, Verarmungswahn, Größenwahn, Schuldwahn, Erfinderwahn, Krankheitswahn. Die Wahnthemen bleiben in hohem Ausmaß über die Zeit konsistent.
Wir gehen davon aus, dass Wahnsymptome beim Kind erst dann entstehen können, wenn dieses zu einer sozialen Perspektivenübernahme in der Lage ist – wenn also die Theory of Mind und die daraus hervorgegangene Trennung eines eigenen Standpunkts von dem eines anderen etabliert sind. Die inhaltliche Ausgestaltung von Wahnphänomenen ist in der Adoleszenz nicht anders als bei Erwachsenen, wobei systematisierte Wahngebilde seltener beobachtbar sind.

Ich-Störungen

Die Ich-Störungen sind Ausdruck einer Uneinheitlichkeit des Selbstkonzepts, gehen mit gravierender Fragmentierung und Verzerrung der Selbstwahrnehmung einher und führen zur Beeinträchtigung der Selbstintegration mit Veränderungen des Ich-Gefühls. Nach Scharfetter (1999) spielen dabei Beeinträchtigungen der Ich-Vitalität (Gefühl der Lebendigkeit), der Ich-Aktivität (selbstbestimmtes Handeln), der Demarkation (Ich-Abgrenzung), der Ich-Konsistenz (Einheit in unterschiedlichen [Gefühls-]Kontexten) und der Ich-Kohärenz (Einheit im biografischen Entwicklungsverlauf) eine Rolle. Schizophrene Patienten erleben dabei, dass ihre Gedanken sich ausbreiten und anderen inhaltlich zugänglich werden, dass ihnen Gedanken eingegeben oder entzogen werden und dass eigene Motive, Gefühle, Bewegungen und Handlungen von außen gelenkt und beeinflusst sind. Unter Depersonalisation verstehen wir Entfremdungsgefühle gegenüber der eigenen Person, unter Derealisation ein Fremdheitsgefühl im Bezug zur Umwelt. Patienten wähnen sich wie in einem Traum oder in einer künstlich gestalteten, absichtlich gegen sie gerichteten Umwelt. Kurt Schneider (1976) hat einige der Ich-Störungen als Symptome 1. Ranges zusammengefasst, weil er ihnen eine hohe Spezifität für Schizophrenie zurechnete.

Halluzinationen

Halluzinationen sind Sinneswahrnehmungen bei fehlendem äußerem Stimmulus und können prinzipiell jede Sinnesmodalität (akustisch, optisch, taktil, gustatorisch, olfaktorisch) betreffen. Bei erwachsenen Patienten mit Schizophrenie finden sich (zumindest phasenweise) akustische Halluzinationen im Sinne von imperativen, kommentierenden, beschimpfenden oder dialogisierenden Stimmen in >80 % der Fälle.
Optische Halluzinationen werden vergleichsweise seltener (im Durchschnitt unter 35 %) beobachtet.
Im Kindesalter finden sich Halluzinationen auf allen Sinnesgebieten relativ häufig, stehen oftmals in Zusammenhang mit Angstzuständen, psychischen Belastungen oder mit körperlichen Ausnahmezuständen wie hohem Fieber. Solche halluzinatorischen Erlebnisse beginnen plötzlich und treten typischerweise nachts in der Einschlaf- oder Aufwachsituation auf. Diese frühen Trugwahrnehmungen werden als prognostisch gutartig eingeschätzt. Im Schulalter können halluzinatorische Phänomene einen eher persistierenden Charakter aufweisen. Halluzinationen besitzen jedoch keine spezifische diagnostische Qualität. Persistierende Halluzinationen gehen oftmals mit anderen psychopathologischen Phänomenen einher. Aufgrund der hohen Frequenz von gutartigen Halluzinationen bei Kindern- und Jugendlichen kommt dem gleichzeitigen Auftreten von Einbußen im psychosozialen Funktionsniveau für die prognostische Einschätzung besondere Bedeutung zu.

Katatone Symptome

Katatone Symptome umfassen zwei extreme Pole von motorischen Symptomen und werden verstanden als 1) heftige psychomotorische Erregung, auch als Bewegungssturm bezeichnet oder 2) kataleptische (Bewegungs-)Starre, die mit Haltungsstereotypien einhergehen kann. Patienten verharren in abnorm anmutenden Positionen, die auch mit Kraft von außen in der Regel nicht überwunden werden können.
Katatone Symptome werden in der Regel von erhöhtem Muskeltonus begleitet und können einen Zustand der wächsernen Biegsamkeit (Flexibilitas cerea) erzeugen.
Die beiden Zustände Starre und Bewegungssturm können unmittelbar ineinander übergehen und als Stupor und Raptus auftreten. Stupor bezeichnet eine intrapsychisch bedingte Reaktionsunfähigkeit, bei der von einem hellwachen Patienten auf Umgebungsreize nicht reagiert wird. Negativismus ist eine Form der Nicht-Kommunikation. Im Kindes- und Jugendalter sind katatone Symptome seltener als beim Erwachsenen anzutreffen. Sie sind jedoch von hoher klinischer Relevanz, da es zu lebensbedrohlichen Zuständen (perniziöse Katatonie mit Fieber, vegetativer Entgleisung, Elektrolytverschiebung, Tachykardie, Hypertonie, Erhöhung der Kreatinkinase) kommen kann oder sie auf Nebenwirkungen von Neuroleptika hinweisen (malignes neuroleptisches Syndrom). Wir empfehlen bei katatonen Symptomen auch an neuroimmunologische Krankheitsbilder (z. B. NMDA-Rezeptor-Enzephalitis) zu denken und gegebenenfalls entsprechende Abklärungen einzuleiten (z. B. Liquorpunktion, Antikörperbestimmung).

Denkstörungen

Störungen des formalen Gedankengangs können das Tempo und die Kohärenz des Denkens betreffen und äußern sich in Assoziationslockerung, Sperrungen, Gedankenabreißen, Gedankenblockaden, Entgleisungen des Gedankengangs und Gedankendrängen.
In schweren Fällen sprechen wir von der Zerfahrenheit des Denkens. Die Patienten zeigen Verworrenheit, ihre Sprachproduktion mündet in ein Faseln oder das Phänomen der „Schizophasie“ (Inkohärenz). Denkstörungen werden in der Regel vom Untersucher beurteilt, der einschätzen muss, inwiefern das Denkziel erreicht wurde. In der klinischen Praxis wird u. a. die Interpretation von Metaphern benutzt, um leichtgradige Denkstörungen (konkretistische Interpretation) einzuschätzen. Formale Denkstörungen bilden ein Scharnier zwischen Plussymptomen und Minussymptomen. Währen die akute Inkohärenz des Gedankenablaufs den Plussymptomen zu zurechnen ist, bilden kognitive Dysfunktionen und Störungen im Bereich der exekutiven Funktionen, der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses als Minussymptome signifikante Bestandteile der Vorphase von früh beginnenden Schizophrenien. Störungen des formalen Denkablaufs werden erst ab dem Grundschulalter diagnostiziert, da die Regeln des Diskurses bei Vorschulkindern erst erarbeitet werden. Auch die Interpretation von Metaphern kann bis ins Schulalter hinein noch als normal einzuschätzen sein (Resch et al. 1998). Störungen des Denkablaufs im Grundschulalter umfassen Assoziationslockerungen, Inkohärenz des Denkens und unlogische Schlussfolgerungen.

Negativsymptome

Zu den Negativsymptomen werden Apathie, Mangel an Spontanität, verminderte Aktivität, Sprachverarmung, Initiativemangel sowie eine reduzierte nonverbale Kommunikation gezählt.
Bei entsprechenden Patienten kommt es zu einer Verarmung der Mimik, einer Rücknahme des Blickkontaktes, einer Dämpfung der Stimmmodulation und gedrückter Körperhaltung. Die Affektverflachung geht nicht selten mit einem Antriebs- und Interessenverlust einher (Resch und Weisbrod 2009). Es kommt zum Leistungseinbruch und vermehrtem sozialen Rückzug. Typischerweise finden wir Negativsymptome in der Prodromalphase der Psychosen und nach Abklingen der floriden Plussymptome auch als Residualsymptomatik.
Es finden sich bei Patienten mit Schizophrenie auch unspezifische Symptome wie Konzentrationsstörungen, Aufmerksamkeits- und Antriebsstörungen, Verlust von Motivation, Beeinträchtigungen von Schlaf, unspezifische Angstphänomene, sozialer Rückzug, Misstrauen, Leistungsknick in schulischen und beruflichen Belangen sowie erhöhte Irritabilität. Diese haben einzeln genommen kaum Spezifität für die Erkrankung, können aber in Kombination einen hohen Wert für die Prädiktion haben.

Kognitive Symptome

Neurokognitive Störungen

Kognitive Defizite sind bei schizophrenen Störungen vielfach beschrieben worden und gehören zu den am besten replizierten Befunden.
Die S3-Behandlungsleitlinien zur Schizophrenie (Gaebel et al. 2006) empfehlen bei Erstmanifestation im Rahmen der körperlichen und neurologischen Untersuchung eine testpsychologische Abklärung in den Bereichen Exekutivfunktionen, Gedächtnisleistungen und Aufmerksamkeit.
Kognitive Auffälligkeiten sind bereits lange vor dem Moment der Diagnosestellung zu finden. Besonders im Bereich der juvenilen Psychosen sollten die neuropsychologische Diagnostik und die gezielte Behandlung kognitiver Dysfunktionen einen hohen Stellenwert einnehmen – einerseits bei Früherkennung und Prävention, andererseits vor dem Hintergrund des Alters der Betroffenen und der Tatsache, dass kognitive Defizite einen äußerst schwerwiegenden Einfluss auf die weitere Biografie haben (z. B. schulische/berufliche Ausbildung).
Hinsichtlich des allgemeinen kognitiven Leistungsniveaus können prämorbide Intelligenz und aktuelle kognitive Leistungsfähigkeit unterschieden werden. Die prämorbide Intelligenz spiegelt das Potenzial und die Ressourcen vor Krankheitsbeginn wider. Ein niedriger prämorbider IQ ist ein Risikofaktor für die Entstehung einer Psychose und kann zu früherem Erkrankungsbeginn führen. Testungen der aktuellen Leistungsfähigkeit sind hilfreich für die Einschätzung der Arbeits-, Ausbildungs- und Studierfähigkeit, Beantragung von Rehabilitations- und Wiedereingliederungsmaßnahmen.
Die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit misst die Schnelligkeit der Ausführung kognitiver Prozesse. Bei schizophrenen Patienten mit frühem Erkrankungsbeginn konnte in Studien eine stark reduzierte Leistung in diesem Bereich nachgewiesen werden.
Die Aufmerksamkeit ist die Fähigkeit, sich einer relevanten Information aus der Umwelt zuzuwenden und sich gezielt auf diese zu konzentrieren, ohne sich von anderen Reizen bzw. Informationen ablenken zu lassen. Im Bereich der Aufmerksamkeit ist bei schizophrenen Patienten einerseits die Daueraufmerksamkeit bzw. Vigilanz beeinträchtigt, anderseits die selektive sowie die geteilte Aufmerksamkeit.
Räumlich-konstruktive Fertigkeiten werden benötigt, um nonverbale Informationen aufzunehmen, zu interpretieren, sie mit Bedeutung zu belegen und sie zudem mental oder konkret zu manipulieren. Auch in dieser Domäne konnten deutliche Defizite bei Patienten mit Schizophrenie nachgewiesen werden
Exekutivfunktionen betreffen höhere kognitive Prozesse, wie z. B. Handlungsplanung und -kontrolle, geistige Flexibilität und Umstellfähigkeit, Problemlösung sowie das Verständnis und Einhalten von Regeln. Das bedeutet, über die exekutiven Funktionen werden tieferliegende kognitive Prozesse miteinander integriert. Insgesamt werden für alle Bereiche der exekutiven Funktionen Defizite bei schizophrenen Patienten berichtet.
Mit Wortflüssigkeit wird das Ausmaß definiert, wie schnell jemand auf das von ihm gelernte Vokabular zugreifen kann. Die Fähigkeit, verbale Informationen im Gedächtnis zu speichern und für andere Aufgaben wieder abzurufen, wird als verbale Lern- und Gedächtnisfähigkeit definiert. Hier finden sich ebenfalls Einschränkungen bei Patienten mit Schizophrenie.
Mit visuellem Gedächtnis wird eine Fertigkeit analog zur verbalen Lern- und Gedächtnisfähigkeit bezeichnet, nur dass es hierbei um die Aufnahme und Verarbeitung von nonverbalen Informationen geht. Auch hier werden starke Leistungseinbussen gefunden.
Tab. 1 stellt die Ergebnisse einer Meta-Analyse von Nieto und Castellanos (2011) dar, die die bei Schizophrenie mit Beginn im Kindes- und Jugendalter zu beobachtenden neuropsychologischen Defizite zusammenfasst. Bei diesen Patienten wird eine reduzierte Leistungsfähigkeit in unterschiedlichsten neurokognitiven Bereichen gefunden mit Effektstärken, die klinische Relevanz widerspiegeln (>0,8). In Tab. 2 finden sich von uns vorgeschlagene neurokognitive Tests ab Kindesalter mit Altersangaben. Im Erwachsenenbereich wird im angloamerikanischen Sprachraum die MATRICS-Testbatterie (Nüchterlein et al. 2008) empfohlen, wobei kaum Daten zur Anwendbarkeit bei Kindern und Jugendlichen vorliegen.
Tab. 1
Defizite kognitiver Funktionen, angegeben als Effektstärke entsprechend den Differenzen vom Mittelwert im Vergleich zu Gesunden (nach Hedges & Olkin, SMD; 1985. EOS early onset schizophrenia = Schizophrenie mit Beginn in Kindheit oder Jugendalter. Ab einem Wert von 0,8 kann man von einer starken Abweichung ausgehen. Die Tabelle basiert auf den Daten der Meta-Analyse von Nieto und Castellanos 2011)
Kognitive Domäne
Defizit bei EOS-Patienten
Allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit
−1,15
Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit
−1,27
Aufmerksamkeit
−1,01
Arbeitsgedächtnis
−0,99
Visuell-räumliche Fähigkeiten
−0,96
Exekutive Funktionen
−0,95
Wortflüssigkeit
−0,95
Verbale Lern- und Gedächtnisfähigkeit
−0,86
Visuelles Gedächtnis
−0,82
Tab. 2
Testbatterie zur Erfassung neurokognitiver Defizite bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Kognitive Domäne
Test
Altersangabe
Allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit
MWT-B
Lector-Test
WIE (Wortschatz, allgemeines Wissen)
20–65
16–89
Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit
TMT-A
WIE (Zahlen-Symbol-Test)
15–94
16–89
Aufmerksamkeit
D2-R
TAP
9–60
10–89
Arbeitsgedächtnis
WMS-R (Zahlen Vorwärts/Rückwärts, Blockspanne)
TAP (Arbeitsgedächtnis)
16–75
10–89
Räumlich-konstruktive Fähigkeit
LPS (Test 8/9)
WIE (Mosaiktest)
9–85
16–89
Exekutive Funktionen
TMT-B
WCST
Tower of London
BADS (Zoo-Map)
15–94
6,5–89
>6
16–94
Wortflüssigkeit
LPS (Test 5/6)
RWT
9–85
>8
Verbale Lern- und Gedächtnisfähigkeit
VLMT
CVLT
RBMT (Geschichte nacherzählen, direkter und verzögerter Abruf)
6–79
20–60
16–96
Visuelles Gedächtnis
RCFT
WMS-R (Blockspanne vorwärts/rückwärts)
LPS (Tests 8–12)
6–89
15–75
9–85
MWT-B (Lehrl 1995): Mehrfach-Wortschatz-Intelligenztest; Lector Test (Reischies et al. 2005) WIE (von Aster et al. 2006): Wechsler Intelligenztest für Erwachsene; TMT (A & B): Trail Making Test (Reitan 1992); D2-R (Brickenkamp et al. 2010), TAP (Zimmermann und Fimm 2012): Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung; WMS-R (Härting et al. 2000): Wechsler Memory Scale-Revised; LPS (Horn 1983): Leistungsprüfsystem; WCST (Heaton et al. 1993): Wisconsin Card Sorting Test; BADS (Wilson et al. 1996): Behavioural Assessment of the Dysexecutive Syndrome; RWT (Aschenbrenner et al. 2001): Regensburger Wortflüssigkeits-Test; VLMT (Helmstaedter et al. 2001): Verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest; CVLT (Niemann et al. 2008): California Verbal Learning Test; RBMT (Wilson et al. 1985): Rivermead Behavioral Memory Test; RCFT (Meyers und Meyers 1995): Rey Complex Figure Test and Recognition Trial

Kognitive Verzerrungen

Von kognitiven Verzerrungen (bzw. kognitivem Bias) spricht man, wenn systematische Fehler in Denken, Wahrnehmen, Erinnern oder Beurteilung auftreten, und diese letztlich auf einer inadäquaten Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten beruhen (Moritz 2008).
Kognitive Verzerrungen wie vorzeitiges Schlussfolgern, Attribuationsfehler, Fehlerinnerungen und solche im Bereich der sozialen Kognitionen sind bei schizophrenen Patienten mehrfach beschrieben und werden z. T. von verhaltenstherapeutischen Konzepten gezielt bearbeitet. Die kognitiven Verzerrungen sind sowohl bei erwachsenen Patienten, Erstpsychosen als auch Risikopatienten repliziert worden und stellen einen wichtigen Prädiktor für das allgemeine Funktionsniveau der Patienten dar.
Vorzeitiges Schlussfolgern
Ein Testverfahren zur Prüfung der Neigung zu Jumping-to-conclusions ist der Fische-Test. Hierbei werden der Testperson 2 Behälter mit verschieden farbigen Fischen präsentiert. In einem der Behälter befinden sich zu 85 % grüne Fische und 15 % rote Fische, in dem 2. Behälter sind die Farbverhältnisse genau umgekehrt. Danach werden verdeckt Fische aus nur einem der Behälter geangelt und der Proband muss nach jedem Zug anhand der Farbe der Fische eine Einschätzung darüber abgeben, aus welchem der beiden Behälter die Fische stammen. Danach werden die Fische wieder zurückgelegt. Patienten mit Schizophrenie treffen ihre Entscheidung basierend auf weniger Fischversuchen und damit rascher, aber fehlerbehafteter als Kontrollprobanden.
Attribution
Attribution (Zuschreibung) bezeichnet den zumeist vorbewussten Prozess, der Reizen, Wünschen, Gefühlen, Erfolgen und Misserfolgen ihre Ursachen zuschreibt. Patienten mit Psychosen bewerten die Ursachen negativer Ereignisse übermäßig external, stabil und global, die Ursachen positiver Ereignisse hingegen übermäßig internal, stabil und global. Patienten tendieren also dazu die Ursache für negative Vorkommnisse in übersteigertem Maße bei anderen zu suchen, Erfolge aber eher sich selbst zuzuschreiben.
Metagedächtnis
Patienten mit Schizophrenie zeigen eine erhöhte Urteilsicherheit für Fehlerinnerungen (Moritz 2008). Aufgrund der Einschränkungen in Gedächtnisleistungen schizophrener Patienten wäre zu erwarten, dass sie ihre Konfidenzurteile – also die Sicherheit mit der eine Erinnerung als korrekt bewertet wird – als niedriger einstufen als Gesunde. Im Gegenteil dazu scheint es aber so zu sein, dass schizophrene Patienten Informationen vergessen und Intrusionen unterliegen, d. h. etwas berichten, was nicht passiert ist. Falsche Erinnerungen werden von ihnen mit hohen Konfidenzurteilen belegt und als echt beurteilt (Moritz et al. 2003). Gesunde Personen nutzen den Zweifeln an der eigenen Wahrnehmung, um weitere Anhaltspunkte zu sammeln, um Hypothesen zu untermauern oder zu verwerfen. Bei schizophrenen Patienten konnte nachgewiesen werden, dass eine Unterscheidung von richtigen und falschen Erinnerungen anhand des Konfidenzurteils weitaus weniger als Prädiktor für die Vertrauenswürdigkeit der Gedächtnisantwort dient, was dazu führt, dass falsche Gedächtnisinhalte nur wenig bezweifelt werden.
Soziale Kognitionen
Soziale Kognitionen sind die Basis für Handlungsintentionen und deren Bewertung in zwischenmenschlichen Interaktionen. Theory of Mind (ToM) ist die Fähigkeit, sich die Gefühle, Intentionen und Gedanken anderer sowie die eigenen bewusst zu machen (Frith und Corcoran 1996), und kann als rein kognitive Perspektivenübernahme verstanden werden, bei der Annahmen über die Absichten oder den Wissenstand einer Person gemacht werden. Schizophrenie-Patienten zeigen ähnliche Leistungsdefizite in der ToM wie Patienten mit Asperger-Syndrom. Sowohl das Nachvollziehen der Wahrnehmung einer anderen Person (ToM 1. Ordnung), das Generieren einer eigenen Vorstellung von den Gedanken einer anderen Person über einen Dritten (ToM 2. Ordnung) als auch die affektive Perspektivenübernahme, bei der aus Mimik oder Prosodie auf den Gefühlszustand einer Person geschlossen wird, sind bei Schizophrenie beeinträchtigt. Letztlich ist auch die soziale Wahrnehmung, die das Verstehen und Befolgen sozialer Regeln, das Erfassen von Metaphern, Ironie und das „Zwischen-den-Zeilen-Lesen“ umfasst, bei Schizophrenie-Patienten gestört.
Auch in Bezug auf soziale Kognitionen finden sich Fehlurteile mit hoher Konfidenz, d. h. die Patienten schätzen eine falsche soziale Beurteilung als absolut richtig ein. Es wird angenommen, dass dies mit schwerwiegenden psychosozialen Konsequenzen (z. B. aggressiven Durchbrüchen bei vermeintlicher Beobachtung) korreliert.

Diagnostik und Differenzialdiagnostik

Diagnose Schizophrenie nach DSM-5

Die Kriterien der Diagnose Schizophrenie nach DSM-5 sind im Folgenden gelistet.
Diagnose Schizophrenie nach DSM-5 (mit freundl. Genehmigung des Hogrefe Verlags Göttingen aus dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition, © 2013 American Psychiatric Association, dt. Version © 2018 Hogrefe Verlag)
Kriterienkasten „Schizophrenie F20.9“
A.
Zwei (oder mehr) der folgenden Symptome, jedes bestehend für einen erheblichen Teil einer einmonatigen Zeitspanne (oder kürzer, wenn erfolgreich behandelt). Mindestens eines dieser Symptome muss (1), (2) oder (3) sein
1.
 
3.
Desorganisierte Sprechweise (z. B. häufiges Entgleisen oder Zerfahrenheit).
 
4.
Grob desorganisiertes oder katatones Verhalten
 
5.
Negativsymptome (z. B. verminderter emotionaler Ausdruck oder reduzierte Willenskraft [Avolition])
 
 
B.
Für eine erhebliche Zeitspanne seit dem Beginn der Störung sind eine oder mehrere zentrale Funktionsbereiche wie Arbeit, zwischenmenschliche Beziehungen oder Selbstfürsorge deutlich unter dem Niveau, das vor dem Beginn erreicht wurde (oder, falls der Beginn in der Kindheit oder Adoleszenz liegt, wird das zu erwartende Niveau der zwischenmenschlichen, geistigen oder beruflichen Leistungen nicht erreicht).
 
C.
Zeichen des Störungsbildes halten durchgehend für mindestens 6 Monate an. Diese 6-monatige Periode muss mindestens einen Monat mit Symptomen (oder weniger, falls erfolgreich behandelt) umfassen, die das Kriterium A (d. h. floride Symptome) erfüllen, und kann Perioden mit prodromalen oder residualen Symptomen einschließen. Während dieser prodromalen oder residualen Perioden können sich die Zeichen des Störungsbildes auch durch ausschließlich negative Symptome oder durch zwei oder mehr Symptome manifestieren, die im Kriterium A aufgelistet und in einer abgeschwächten Form vorhanden sind (z. B. seltsame Überzeugungen, ungewöhnliche Wahrnehmungserlebnisse).
 
D.
Eine Schizoaffektive Störung und eine depressive oder bipolare Störung mit psychotischen Merkmalen wurden ausgeschlossen, da entweder 1) keine Episode einer Major Depression oder Manie gemeinsam mit den floriden Symptomen aufgetreten ist oder 2) falls affektive Episoden während der floriden Phase aufgetreten sind, ihre Gesamtdauer im Vergleich zur Dauer der floriden und residualen Perioden kurz war.
 
E.
Das Störungsbild ist nicht Folge der physiologischen Wirkung einer Substanz (z. B. eine Substanz mit Missbrauchspotenzial oder ein Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors.
 
F.
Bei einer Vorgeschichte mit einer Autismus-Spektrum-Störung oder einer Kommunikationsstörung mit Beginn im Kindesalter wird die zusätzliche Diagnose einer Schizophrenie nur dann gestellt, wenn mindestens einen Monat lang (oder weniger, falls erfolgreich behandelt) zusätzlich zu den anderen erforderlichen Symptomen einer Schizophrenie auch ausgeprägte Wahnphänomene oder Halluzinationen vorhanden sind.
 
Bestimme, ob:
Die folgenden Verlaufscodierungen sollen nur bei einer Erkrankungsdauer von einem Jahr verwendet werden und wenn sie nicht im Widerspruch zu den diagnostischen Verlaufskriterien stehen.
  • Erste Episode, Gegenwärtig Akut: Erstmanifestation der Störung, bei der die bestimmenden diagnostischen Symptom- und Zeitkriterien erfüllt sind. Eine akute Episode ist ein Zeitabschnitt, in dem die Symptomkriterien erfüllt sind.
  • Erste Episode, Gegenwärtig Teilremittiert: Teilremission beschreibt einen Zeitabschnitt, in dem eine Verbesserung nach einer vorangegangenen Episode aufrechterhalten wird und die Kriterien der Störung nur teilweise erfüllt sind.
  • Erste Episode, Gegenwärtig Vollremittiert: Eine vollständige Remission beschreibt einen Zeitabschnitt nach einer vorangegangenen Episode, in dem keine störungsspezifischen Symptome vorhanden sind.
  • Multiple Episoden, Gegenwärtig Akut: Multiple Episoden können nach einem Minimum von zwei Episoden diagnostiziert werden (d. h. nach einer Erstmanifestation, einer Remission und mindestens einem Rezidiv).
  • Multiple Episoden, Gegenwärtig Teilremittiert
  • Multiple Episoden, Gegenwärtig Vollremittiert
  • Kontinuierlich: Symptome, die die diagnostischen Symptomkriterien der Störung erfüllen, bleiben für den Großteil des Krankheitsverlaufs bestehen, wobei Zeiträume mit unterschwelligen Symptomausprägungen nur von sehr kurzer Dauer im Verhältnis zum Gesamtverlauf der Erkrankung sind.
  • Nicht Näher Bezeichnet
Bestimme, ob:
  • Mit Katatonie (für eine Definition siehe die Kriterien für Katatonie in Verbindung mit einer Anderen Psychischen Störung, S. 161) Codierhinweis: Codiere zusätzlich F06 1 Katatonie in Verbindung mit einer Schizophrenie, um das Vorhandensein einer komorbiden Katatonie anzuzeigen.
  • Bestimme den aktuellen Schweregrad:
Der Schweregrad wird mittels einer quantitativen Einschätzung der primären Symptome einer Psychose bestimmt, hierzu zählen Wahn, Halluzinationen, desorganisierte Sprechweise, ungewöhnliches psychomotorisches Verhalten und Negativsymptome.
Der aktuelle Schweregrad (betrachtet wird der schwerste Ausprägungsgrad während der vergangenen 7 Tage) jedes dieser Symptome kann auf einer fünfstufigen Skala von 0 (nicht vorhanden) bis 4 (vorhanden und schwergradig) eingestuft werden. (Siehe „Klinische Beurteilung der Dimensionen psychotischer Symptomschwere“ im Kap. „Erhebungsinstrumente“).
Beachte: Die Diagnose einer Schizophrenie kann auch ohne diese zusätzliche Schweregradcodierung gestellt werden
Assoziierte Symptome, die mit der Diagnose Schizophrenie einhergehen können, sind:
Dem dimensionalen Ansatz des DSM-5 entsprechend soll die Ausprägung der Symptome angegeben werden, Tab. 3.
Tab. 3
Spezifikatoren Schweregrad (d. h. in den letzten 7 Tage sind)
Domäne
0
1
2
3
4
 
Nicht vorhanden
Fragwürdig vorhanden
Vorhanden, aber mild
Vorhanden und mittelgradig
Vorhanden, schwer
I
Halluzinationen
Abwesend
Erfüllt in Schweregrad oder Dauer Psychosekriterien nicht
Kaum handlungsanweisende Wirkung, kaum Stress durch Stimmen
Mittelgradig
Hoher Druck Stimmen nachzugeben/ handlungsleitend/großer Stress
II
Wahn
Abwesend
s.o.
Kaum handlungsanweisende Wirkung, kaum Stress durch Wahn
Mittelgradig
Handlungsanleitender Wahn/starker Stress durch Wahnsymptome
III
Desorganisierte Sprache
Abwesend
s.o.
Leichtgradige Schwierigkeiten Sprache zu folgen
Mittelgradig
Nahezu unmöglich Sprache zu folgen/zu verstehen
IV
Abnorme psychomotorische Symptome
Abwesend
s.o.
Vereinzelt abnormes oder bizarres motorisches Verhalten/Katatonie
Mittelgradig
Konstantes/durchgehendes abnormes oder bizarres motorisches Verhalten/ Katatonie
V
Negative Symptome
Abwesend
s.o.
Milde Abnahme der mimischen Expressivität, Prosodie, Gestik oder des selbst-initiierten Verhaltens
Mittelgradig
Schwere Abnahme der mimischen Expressivität, Prosodie, Gestik oder des selbst-initiierten Verhaltens
VI
Kognitive Einschränkungen
Abwesend
s.o.
Leichtgradige Reduktion der kognitiven Funktionen unterhalb des Alters, SES und 0,5–1 SD unterhalb des Leistungsdurchschnitts
Mittelgradig
Schwere Reduktion der kognitiven Funktionen unterhalb des Alters, SES und >2 SD unterhalb des Leistungsdurchschnitts
VII
Depression
Abwesend
s.o.
Milde depressive Verstimmung
Mittelgradig
Schwere Depression, Hoffnungslosigkeit, evtl. Schuldwahn
VIII
Manie
Abwesend
s.o.
Leichtgradig gehobene Stimmung
Mittelgradig
Schwere Manie, (täglich, extensiv, expansiv, gereizt, ruhelos)

Unterschiede DSM-5 vs. DSM-IV

Subtypen
Die klassischen Subtypen der Schizophrenie (z. B. paranoider, hebephrener, katatoner, undifferenzierter Typus und Residualtyp) werden im DSM-5 nicht mehr unterschieden, da diese Differenzierung keine ausreichende diagnostische Stabilität, unzureichende Reliabilität/Validität zeigte sowie nicht zur Verbesserungen in z. B. Therapieansprechen geführt hatte.
Stattdessen wird der dimensionale Ansatz im DSM-5 betont, wodurch die Heterogenität der Symptome und deren Schweregrad gewürdigt werden soll. Die APA empfiehlt daher Beurteilung und Einschätzen des Schweregrades der Kernsymptome (DSM-5, Sektion III).
Katatonie
Katatonie/katatone Symptomatik (Abschn. 8.4, 9.4.7) kann im DSM-5 als zusätzlicher/s Spezifikator/Merkmal für depressive, bipolare oder psychotische Erkrankungen diagnostiziert werden, als separate Diagnose im Kontext einer anderen medizinischen Erkrankung oder als eine andere spezifizierte Erkrankung.

Diagnose Schizophrenie im ICD-11

Zum Zeitpunkt der Anfertigung des Manuskriptes ist noch keine Vollversion von ICD-11 verfügbar (https://icd.who.int/browse11/l-m/en).
Schizophrenie (ICD-10 F2) wird im neuen Kapitel (ICD-11) als „Schizophrenie-Spektrum und andere primäre psychotische Störungen“ erscheinen.
Die Diagnosegruppe ist charakterisiert durch eine signifikante Beeinträchtigungen in der Realitätstestung und durch Symptome wie persistierender Wahn, persistierende Halluzinationen, desorganisierter Gedankengang (typischerweise manifestiert als desorganisierte Sprache), desorganisiertes Verhalten, das Gefühl der Passivität bzw. Kontrolle von außen, negative Symptome sowie flacher Affekt, Störungen der Willenskraft und psychomotorische Symptome. Diese Symptome treten mit ausreichender Frequenz und Intensität auf, um klar von sozialen oder kulturellen Normen abzuweichen. Sekundäre psychotische Störungen, wie z. B. bei medizinisch/körperlich verursachten Psychosen bzw. Psychosen aufgrund von Substanzgebrauch/-entzug sollen getrennt werden.
Das gesamte Kapitel umfasst folgende Störungen:
  • schizoaffektive Störung,
  • akute und transiente psychotische Störung,
  • wahnhafte Störung,
  • andere primäre psychotische Störungen,
  • unspezifizierte primäre psychotische Störungen.

Schizophrenie: Klinisch-diagnostische Leitlinien im ICD-11

Schizophrenie ist nach ICD-11 charakterisiert durch Störungen multipler mentaler Modalitäten, wie Denken (Wahn, desorganisierter Gedankengang), Perzeption (Halluzinationen), Selbstwahrnehmung (Vorstellung, dass Gefühle, Impulse, Gedanken oder Verhalten unter externer Kontrolle sind), Kognitionen (Aufmerksamkeitsstörung, Störung des verbalen Gedächtnisses und der sozialen Kognitionen), der Willenskraft (Verlust des Antriebs/der Motivation) und des Affekts (abgeflachte emotionale Expression).
Mindestens 2 der im Folgenden genannten Kriterien (eines davon muss A–D sein) muss über die meiste Zeit für eine Dauer von 1 Monat oder mehr vorhanden sein (berichtet vom Patienten, beobachtet durch den Kliniker oder durch andere Informanten)
Diagnose Schizophrenie nach ICD-11
  • A: Persistierender Wahn, z. B. Größenwahn, Verfolgungswahn, Beziehungswahn
  • B: Persistierende Halluzinationen, z. B. auditorische Halluzinationen, aber auch anderer Sinnesqualitäten
  • C: Desorganisiertes Denken (formale Denkstörungen), z. B. gelockerte Assoziationen, Inkohärenz, Neologismen. In schweren Fällen kann Gesprochenes nicht mehr nachvollzogen werden (Wortsalat)
  • D: Gefühl des äußeren Einflusses, der externen Kontrolle, Gefühl des Gemachten, z. B. Gefühl, dass Gedanken gemacht, eingegeben oder entzogen werden durch andere Personen oder dass Gedanken zu anderen übertragen werden
  • E: Negative Symptome, z. B. verflachter Affekt, Alogie oder Sprachverarmung, Antriebsverarmung, sozialer Rückzug, Anhedonie
  • F: Stark desorganisiertes Verhalten, betreffend jegliche zielorientierte Aktivität, z. B. unvorhersagbare oder inadäquate emotionale Response, Verhalten, das bizarr oder ziellos wirkt
  • G: Psychomotorische Störungen, z. B. katatone Symptome, Ruhelosigkeit, Agitation, Negativismus, Mutismus, Stupor, Echopraxie, wächserne Flexibilität

Unterschiede ICD-11 vs. ICD-10

Auch die ICD-11 verzichtet auf klassische Subtypen und führt stattdessen Symptom- und Verlaufsspezifikatoren ein.
Anders als im ICD-10 (WHO 1992) können einzelne Symptome nicht mehr zur Diagnose Schizophrenie führen, sondern es werden auch im ICD-11, gleich wie im DSM-5, zwingend 2 Symptome der Gruppe A–G für die Dauer von mindestens 1 Monat (Cave: DSM-5: 6 Monate) verlangt. Damit wurde der im ICD-10 bestehende Fokus auf die klassischen Erstrangssymptome nach Kurt Schneider (kommentierende, imperative und dialogisierende Stimmen, Gedankeneingebung, Gedankenentzug, Gedankenausbreitung, Gefühl des Gemachten sowie bizarrer Wahn) zurückgenommen. Diese hatten sich nicht spezifisch genug und die Unterscheidung bizarr vs. nichtbizarr nicht ausreichend reliabel gezeigt.

Diagnostik der Schizophrenien im Kindes- und Jugendalter

Es gibt weder im ICD-11 noch im DSM-5 eigene Diagnosekriterien für Schizophrenien mit Beginn in der Kindheit oder Jugendalter.
Die Symptomatik der Schizophrenien im Kindes- und Jugendalter weist Überschneidungen mit der Schizophrenie im Erwachsenenalter auf, zeigt aber auch wichtige Unterschiede.
Isolierte psychotische Symptome (typischerweise akustische Halluzinationen) ohne funktionelle Einschränkungen sind im Kindesalter relativ häufig anzutreffen, z. B. bei ca. 6 % der 11-Jährigen der Allgemeinbevölkerung können psychotische Symptome gefunden werden (Horwood et al. 2008). Daraus resultiert die Empfehlung, dass für die Diagnose einer Schizophrenie (COP/EOP) klare Hinweise auf eine Verschlechterung bzw. neu aufgetretene Einschränkungen im Funktionsniveau des Kindes, zusätzlich zu den psychotischen Symptomen, vorhanden sein müssen.

Andere relevante Störungen aus dem Psychosenspektrum nach DSM-5

Wahnhafte Störung

Kriterienkasten „Diagnostische Kriterien Wahnhafte Störung F22 (S. 122 f.)“
A.
Vorhandensein von einem (oder mehreren) Wahnphänomen(en), die mindestens einen Monat lang anhalten.
 
B.
Das Kriterium A einer Schizophrenie war niemals erfüllt.
Beachte: Sofern Halluzinationen vorhanden sind, so stehen diese nicht im Vordergrund und sind im Einklang mit dem Wahnthema (z. B. die Überzeugung des Befalls mit Insekten im Rahmen eines Dermatozoenwahns).
 
C.
Abgesehen von den direkten Auswirkungen der Wahnphänomene ist das Funktionsniveau nicht wesentlich beeinträchtigt und das Verhalten ist weder offensichtlich ungewöhnlich noch bizarr.
 
D.
Falls manische und schwergradige depressive Episoden aufgetreten sind, war die Gesamtdauer dieser Episoden verglichen mit der Gesamtdauer der Wahnperioden relativ kurz.
 
E.
Die Wahnphänomene sind nicht Folge der physiologischen Wirkung einer Substanz oder eines medizinischen Krankheitsfaktors und können nicht besser durch eine andere psychische Störung, wie eine Körperdysmorphe Störung oder eine Zwangsstörung, erklärt werden.
 
Bestimme, ob:
  • Typ mit Liebeswahn: Dieser Subtyp trifft zu, wenn das zentrale Wahnthema darin besteht, dass eine andere Person den Betroffenen liebt.
  • Typ mit Größenwahn: Dieser Subtyp trifft zu, wenn das zentrale Wahnthema in der Überzeugung besteht, über ein großes (aber unerkanntes) Talent oder entsprechende Erkenntnisse zu verfügen oder eine bedeutsame Entdeckung gemacht zu haben.
  • Typ mit Eifersuchtswahn: Dieser Subtyp trifft zu, wenn das zentrale Wahnthema einer Person darin besteht, dass ihr (Ehe-)Partner untreu ist.
  • Typ mit Verfolgungswahn: Dieser Subtyp trifft zu, wenn sich das zentrale Wahn thema einer Person auf die Überzeugung bezieht, man habe sich gegen sie verschworen, sie werde betrogen, ausspioniert, verfolgt, vergiftet oder unter Drogen gesetzt, bösartig verleumdet, belästigt oder am Erreichen langfristige Ziele gehindert.
  • Typ mit Körperbezogenem Wahn: Dieser Subtyp trifft zu, wenn das zentrale Wahnthema sich auf körperliche Funktionen und Empfindungen bezieht.
  • Typ mit Gemischtem Wahn: Dieser Subtyp trifft zu, wenn kein einzelnes Wahn thema vorherrschend ist.
  • Nicht Näher Bezeichneter Typ: Dieser Subtyp trifft zu, wenn das vorherrschende
    Wahnthema nicht genau bestimmt werden kann oder in den vorgegebenen Typen nicht beschrieben ist (z. B. Beziehungswahn ohne ausgeprägte Verfolgungs- oder Größenideen).
Bestimme, ob:
  • Mit Bizarrem Inhalt: Wahnphänomene werden als bizarr eingestuft, wenn sie eindeutig unmöglich, nicht nachvollziehbar und nicht aus alltäglichen Erfahrungen herleitbar sind (z. B. die Überzeugung von Betroffenen, dass ein Fremder innere Organe der Betroffenen entfernt und durch die Organe einer andere Person ersetzt hat, ohne Wunden oder Narben zu hinterlassen).
Bestimme, ob:
Die folgenden Verlaufzusatzscodierungen sollen nur bei einer Erkrankungsdauer von einem Jahr verwendet werden:
  • Erste Episode, Gegenwärtig Akut: Erstmanifestation der Störung, bei der die bestimmenden diagnostischen Symptom- und Zeitkriterien erfüllt sind Eine akute Episode ist ein Zeitabschnitt, in dem die Symptomkriterien erfüllt sind.
  • Erste Episode, Gegenwärtig Teilremittiert: Teilremission beschreibt einen Zeitabschnitt, in dem eine Verbesserung nach einer vorangegangenen Episode aufrechterhalten wird und die Kriterien der Störung nur teilweise erfüllt sind.
  • Erste Episode, Gegenwärtig Vollremittiert: Eine vollständige Remission beschreibt einen Zeitabschnitt nach einer vorangegangenen Episode, in dem keine störungsspezifischen Symptome vorhanden sind.
  • Multiple Episoden, Gegenwärtig Akut
  • Multiple Episoden, Gegenwärtig Teilremittiert
  • Multiple Episoden, Gegenwärtig Vollremittiert
  • Kontinuierlich: Symptome, die die diagnostischen Symptomkriterien der Störung erfüllen, bleiben für den Großteil des Krankheitsverlaufs bestehen, wobei Zeiträume mit unterschwelligen Symptomausprägungen nur von sehr kurzer Dauer im Verhältnis zum Gesamtverlauf der Erkrankung sind
  • Nicht Näher Bezeichnet
Bestimme den aktuellen Schweregrad:
  • Der Schweregrad wird mittels einer quantitativen Einschätzung der primären Symptome einer Psychose bestimmt, hierzu zählen Wahn, Halluzinationen, desorganisierte Sprechweise, ungewöhnliches psychomotorisches Verhalten und Negativsymptome.
  • Der aktuelle Schweregrad (betrachtet wird der schwerste Ausprägungsgrad während der vergangenen 7 Tage) jedes dieser Symptome kann auf einer fünfstufigen Skala von 0 (nicht vorhanden) bis 4 (vorhanden und schwergradig) eingestuft werden. (Siehe „Klinische Beurteilung der Dimensionen psychotischer Symptomschwere“ im Kap. „Erhebungsinstrumente“).
Beachte: Die Diagnose einer Wahnhaften Störung kann auch ohne diese zusätzliche Schweregradcodierung gestellt werden.

Kurze psychotische Störung

Kriterienkasten „Kurze Psychotische Störung F23 (S. 126 f.)“
A.
Vorhandensein eines (oder mehrerer) der folgenden Symptome. Mindestens eines davon muss (1), (2) oder (3) sein:
1.
 
3.
Desorganisierte Sprechweise (z. B. häufiges Entgleisen oder Zerfahrenheit).
 
4.
Grob desorganisiertes oder katatones Verhalten
 
 
Beachte: Ein Symptom sollte nicht gewertet werden, wenn es sich um ein kulturell gebilligtes Reaktionsmuster handelt.
B.
Die Dauer einer Episode beträgt mindestens einen Tag, aber weniger als einen Monat, mit schlussendlicher Rückkehr zum prämorbiden Funktionsniveau.
 
C.
Das Störungsbild kann nicht besser erklärt werden durch eine Major Depression oder eine bipolare Störung mit psychotischen Merkmalen oder eine andere psychotische Störung, wie eine Schizophrenie oder eine Katatonie, und es ist nicht Folge der physiologischen Wirkung einer Substanz (z. B. eine Substanz mit Missbrauchspotenzial oder ein Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors.
 
Bestimme ob:
  • Mit Deutlichen Belastungsfaktoren (kurze reaktive Psychose): Wenn die Symptome kurz nach und offensichtlich als Reaktion auf Ereignisse auftreten, die einzeln oder zusammengenommen für fast jede Person desselben Kulturkreises unter ähnlichen Umständen erheblich belastend wären.
  • Ohne Deutliche Belastungsfaktoren: Wenn die psychotischen Symptome nicht kurz nach oder offensichtlich als Reaktion auf Ereignisse auftreten, die einzeln oder zusammengenommen für fast jede Person desselben Kulturkreises unter ähnlichen Umständen erheblich belastend wären.
  • Mit Peripartalem Beginn: Bei Beginn während der Schwangerschaft oder innerhalb von 4 Wochen nach der Entbindung.
Bestimme, ob:
  • Mit Katatonie (für eine Definition siehe die Kriterien für Katatonie in Verbindung mit einer Anderen Psychischen Störung, S. 161).
Codierhinweis: Codiere zusätzlich F06 1 Katatonie in Verbindung mit einer Kurzen
Psychotischen Störung, um das Vorhandensein einer komorbiden Katatonie anzuzeigen
Bestimme den aktuellen Schweregrad:
  • Der Schweregrad wird mittels einer quantitativen Einschätzung der primären Symptome einer Psychose bestimmt, hierzu zählen Wahn, Halluzinationen, desorganisierte Sprechweise, ungewöhnliches psychomotorisches Verhalten und Negativsymptome.
  • Der aktuelle Schweregrad (betrachtet wird der schwerste Ausprägungsgrad während der vergangenen 7 Tage) jedes dieser Symptome kann auf einer fünfstufigen Skala von 0 (nicht vorhanden) bis 4 (vorhanden und schwergradig) eingestuft werden. (Siehe „Klinische Beurteilung der Dimensionen psychotischer Symptomschwere“ im Kap. „Erhebungsinstrumente“).
Beachte: Die Diagnose einer Kurzen Psychotischen Störung kann auch ohne diese zusätzliche Schweregradcodierung gestellt werden.

Schizo*phreniforme Störung

Kriterienkasten „Schizophreniforme Störung F20.81 (S. 130 f.)“
A.
Zwei (oder mehr) der folgenden Symptome, jedes bestehend für einen erheblichen Teil einer einmonatigen Zeitspanne (oder kürzer, wenn erfolgreich behandelt). Mindestens eines dieser Symptome muss (1), (2) oder (3) sein
1.
 
3.
Desorganisierte Sprechweise (z. B. häufiges Entgleisen oder Zerfahrenheit).
 
4.
Grob desorganisiertes oder katatones Verhalten
 
5.
Negativsymptome (z. B. verminderter emotionaler Ausdruck oder reduzierte Willenskraft [Avolition])
 
 
B.
Eine Episode dauert mindestens einen Monat, aber weniger als 6 Monate. Wenn die Diagnose ohne Abwarten einer Gesundung gestellt werden muss, sollte sie als „vorläufig“ gekennzeichnet werden.
 
C.
Eine Schizoaffektive Störung und eine depressive oder bipolare Störung mit psychotischen Merkmalen wurden ausgeschlossen, da entweder 1) keine Episode einer Major Depression oder Manie gemeinsam mit den floriden Symptomen aufgetreten ist oder 2) falls affektive Episoden während der floriden Phase aufgetreten sind, ihre Gesamtdauer im Vergleich zur Dauer der floriden und residualen Perioden kurz war.
 
D.
Das Störungsbild ist nicht Folge der physiologischen Wirkung einer Substanz (z. B. eine Substanz mit Missbrauchspotenzial oder ein Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors.
 
Bestimme ob:
  • Mit Günstigen Prognostischen Merkmalen: Diese Zusatzcodierung setzt das Vorhandensein von mindestens zwei der folgenden Faktoren voraus: Auftreten von ausgeprägten psychotischen Symptomen innerhalb von 4 Wochen nach den ersten bemerkbaren Veränderungen des üblichen Verhaltens oder der Leistungsfähigkeit; Konfusion oder Ratlosigkeit; gute prämorbide soziale und berufliche Leistungsfähigkeit; keine affektive Abstumpfung oder Verflachung.
  • Ohne Günstige Prognostische Merkmale: Diese Zusatzcodierung ist zu verwenden, wenn zwei oder mehr der oben genannten Merkmale nicht vorliegen.
Bestimme, ob:
  • Mit Katatonie (für eine Definition siehe die Kriterien für Katatonie in Verbindung mit einer Anderen Psychischen Störung, S. 161).
Codierhinweis: Codiere zusätzlich F06 1 Katatonie in Verbindung mit einer Schizophreniformen Störung, um das Vorhandensein einer komorbiden Katatonie anzuzeigen.
Bestimme den aktuellen Schweregrad:
  • Der Schweregrad wird mittels einer quantitativen Einschätzung der primären Symptome einer Psychose bestimmt, hierzu zählen Wahn, Halluzinationen, desorganisierte Sprechweise, ungewöhnliches psychomotorisches Verhalten und Negativsymptome.
  • Der aktuelle Schweregrad (betrachtet wird der schwerste Ausprägungsgrad während der vergangenen 7 Tage) jedes dieser Symptome kann auf einer fünfstufigen Skala von 0 (nicht vorhanden) bis 4 (vorhanden und schwergradig) eingestuft werden. (Siehe „Klinische Beurteilung der Dimensionen psychotischer Symptomschwere“ im Kap. „Erhebungsinstrumente“).
Beachte: Die Diagnose einer Schizophreniformen Störung kann auch ohne diese zusätzliche Schweregradcodierung gestellt werden.

Schizoaffektive Störung

Kriterienkasten „Schizoaffektive Störung (S. 142 f.)“
A.
Ununterbrochene Krankheitsperiode, während der entweder eine Episode einer Major Depression oder eine manische Episode besteht, gleichzeitig mit Kriterium A der Schizophrenie.
 
Beachte: Die Episode der Major Depression muss das Kriterium A1, depressive Verstimmung, einschließen.
B.
Wahnphänomene oder Halluzinationen für mindestens 2 Wochen bei gleichzeitiger Abwesenheit einer affektiven Episode (depressiv oder manisch) während der Lebenszeitdauer der Erkrankung.
 
C.
Symptome, die die Kriterien einer affektiven Episode erfüllen, bestehen die meiste Zeit der Gesamtdauer der floriden und residualen Perioden der Erkrankung.
 
D.
Das Störungsbild ist nicht Folge der physiologischen Wirkung einer Substanz (z. B. eine Substanz mit Missbrauchspotenzial oder ein Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors.
 
Bestimme, ob:
  • F25.0 Bipolarer Typ: Dieser Subtyp liegt vor, wenn eine manische Episode Teil des Erscheinungsbildes ist Episoden einer Major Depression können ebenfalls auftreten
  • F25.1 Depressiver Typ: Dieser Subtyp liegt vor, wenn nur Episoden einer Major Depression Teil des Erscheinungsbildes sind
Bestimme, ob:
  • Mit Katatonie (für eine Definition siehe die Kriterien für Katatonie in Verbindung mit einer Anderen Psychischen Störung, S. 161).
Codierhinweis: Codiere zusätzlich F06 1 Katatonie in Verbindung mit einer Schizoaffektiven Störung, um das Vorhandensein einer komorbiden Katatonie anzuzeigen
Bestimme, ob:
Die folgenden Verlaufscodierungen sollen nur bei einer Erkrankungsdauer von 1 Jahr verwendet werden und wenn sie nicht im Widerspruch zu den diagnostischen Verlaufskriterien stehen.
  • Erste Episode, Gegenwärtig Akut: Erstmanifestation der Störung, bei der die bestimmenden diagnostischen Symptom- und Zeitkriterien erfüllt sind. Eine akute Episode ist ein Zeitabschnitt, in dem die Symptomkriterien erfüllt werden Erste Episode, Gegenwärtig Teilremittiert: Teilremission beschreibt einen Zeitabschnitt, in dem eine Verbesserung nach einer vorangegangenen Episode aufrechterhalten wird und die Kriterien der Störung nur teilweise erfüllt sind.
  • Erste Episode, Gegenwärtig Vollremittiert: Eine vollständige Remission beschreibt einen Zeitabschnitt nach einer vorangegangenen Episode, in dem keine störungsspezifischen Symptome vorhanden sind.
  • Multiple Episoden, Gegenwärtig Akut: Multiple Episoden können nach einem Minimum von zwei Episoden diagnostiziert werden (d. h. nach einer Erstmanifestation, einer Remission und mindestens einem Rezidiv).
  • Multiple Episoden, Gegenwärtig Teilremittiert.
  • Multiple Episoden, Gegenwärtig Vollremittiert.
  • Kontinuierlich: Symptome, die die diagnostischen Symptomkriterien der Störung erfüllen, bleiben für den Großteil des Krankheitsverlaufs bestehen, wobei Zeiträume mit unterschwelligen Symptomausprägungen nur von sehr kurzer Dauer im Verhältnis zum Gesamtverlauf der Erkrankung sind.
  • Nicht Näher Bezeichnet
Bestimme den aktuellen Schweregrad:
  • Der Schweregrad wird mittels einer quantitativen Einschätzung der primären Symptome einer Psychose bestimmt, hierzu zählen Wahn, Halluzinationen, desorganisierte Sprechweise, ungewöhnliches psychomotorisches Verhalten und Negativsymptome.
  • Der aktuelle Schweregrad (betrachtet wird der schwerste Ausprägungsgrad während der vergangenen 7 Tage) jedes dieser Symptome kann auf einer fünfstufigen Skala von 0 (nicht vorhanden) bis 4 (vorhanden und schwergradig) eingestuft werden. (Siehe „Klinische Beurteilung der Dimensionen psychotischer Symptomschwere“ im Kap. „Erhebungsinstrumente“).
Beachte: Die Diagnose einer Schizoaffektiven Störung kann auch ohne diese zusätzliche Schweregradcodierung gestellt werden.

Substanz-/medikationsinduzierte psychotische Störung

Kriterienkasten „Substanz-/Medikationsinduzierte Psychotische Störung (S. 149 f.)“
A.
Vorhandensein von einem oder beiden der folgenden Symptome:
 
B.
Es gibt Hinweise aus der Vorgeschichte, körperlichen Untersuchung oder Laboruntersuchungen auf sowohl (1) als auch (2):
 
1.
Die Symptome aus Kriterium A entwickelten sich während oder kurz nach einer Substanzintoxikation, einem Substanzentzug oder nach Einnahme eines Medikaments.
 
2.
Die betreffende Substanz/das Medikament ist in der Lage, die Symptome aus Kriterium A hervorzurufen.
 
C.
Das Störungsbild kann nicht besser durch eine nicht substanz-/medikamenteninduzierte psychotische Störung erklärt werden Hinweise auf eine unabhängige psychotische Störung können sein:
 
Die Symptome waren vor Beginn der Substanz- oder Medikamenteneinnahme vorhanden; die Symptome halten über eine beträchtliche Zeitspanne (z. B. etwa 1 Monat) nach Beendigung des akuten Entzugs oder nach einer schweren Intoxikation an; oder es gibt andere Hinweise auf eine unabhängige, nicht substanz- oder medikamenteninduzierte psychotische Störung (z. B. wiederholt aufgetretene, nicht Substanz- oder Medikamenteninduzierte Episoden einer psychotischen Störung in der Vorgeschichte).
D.
Das Störungsbild tritt nicht ausschließlich im Verlauf eines Delirs auf.
 
E.
Das Störungsbild verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
 
Beachte: Diese Diagnose soll nur dann anstelle der Diagnose einer Substanzintoxikation oder eines Substanzentzugs gestellt werden, wenn die Symptome aus Kriterium
A im Vordergrund des klinischen Beschwerdebildes stehen und schwer genug sind, um klinische Beachtung zu rechtfertigen.
Bestimme, ob (siehe Tabelle 1 im Kap. „Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen und abhängigen Verhaltensweisen“ für Diagnosen, die mit der Substanzklasse in Verbindung stehen):
  • Mit Beginn während der Intoxikation: Dies trifft zu, wenn die Kriterien für eine Substanzintoxikation erfüllt sind und die Symptome während der Intoxikation auftreten.
  • Mit Beginn während des Entzugs: Dies trifft zu, wenn die Kriterien für einen Substanzentzug erfüllt sind und die Symptome während oder kurz nach dem Entzug auftreten.
Bestimme den aktuellen Schweregrad:
  • Der Schweregrad wird mittels einer quantitativen Einschätzung der primären Symptome einer Psychose bestimmt, hierzu zählen Wahn, Halluzinationen, desorganisierte Sprechweise, ungewöhnliches psychomotorisches Verhalten und Negativsymptome.
  • Der aktuelle Schweregrad (betrachtet wird der schwerste Ausprägungsgrad während der vergangenen 7 Tage) jedes dieser Symptome kann auf einer fünfstufigen Skala von 0 (nicht vorhanden) bis 4 (vorhanden und schwergradig) eingestuft werden. (Siehe „Klinische Beurteilung der Dimensionen psychotischer Symptomschwere“ im Kap. „Erhebungsinstrumente“).
Beachte: Die Diagnose einer Substanz-/Medikamenteninduzierten Psychotischen Störung kann auch ohne diese zusätzliche Schweregradcodierung gestellt werden.

Psychotische Störung aufgrund einer anderen medizinischen Erkrankung

Kriterienkasten „Psychotische Störung aufgrund eines Medizinischen Krankheitsfaktors (S. 155 f.)“
A.
Ausgeprägte Halluzinationen oder Wahnphänomene.
 
B.
Es gibt Hinweise aus der Vorgeschichte, körperlichen Untersuchung oder Laboruntersuchungen, die zeigen, dass das Störungsbild eine direkte pathophysiologische Folge eines anderen medizinischen Krankheitsfaktors ist.
 
C.
Das Störungsbild kann nicht besser durch eine andere psychische Störung erklärt werden.
 
D.
Das Störungsbild tritt nicht ausschließlich im Verlauf eines Delirs auf.
 
E.
Das Störungsbild verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
 
Bestimme, ob:
Codiere auf der Basis des vorherrschenden Symptoms:
  • F06.2 Mit Wahn: Wenn Wahnphänomene das vorherrschende Symptom sind.
  • F06.0 Mit Halluzinationen: Wenn Halluzinationen das vorherrschende Symptom sind.
Codierhinweis: Notiere den Namen des medizinischen Krankheitsfaktors in der Bezeichnung der psychischen Störung (z. B. F06 2 Psychotische Störung aufgrund eines Malignen Lungentumors, mit Wahn). Der medizinische Krankheitsfaktor sollte separat direkt vor der Psychotischen Störung aufgrund eines Anderen Medizinischen Krankheitsfaktors codiert und gelistet werden (z. B. C34 90 Maligner Lungentumor; F06 2 Psychotische Störung aufgrund eines Malignen Lungentumors, mit Wahn).
Bestimme den aktuellen Schweregrad:
  • Der Schweregrad wird mittels einer quantitativen Einschätzung der primären Symptome einer Psychose bestimmt, hierzu zählen Wahn, Halluzinationen, desorganisierte Sprechweise, ungewöhnliches psychomotorisches Verhalten und Negativsymptome.
  • Der aktuelle Schweregrad (betrachtet wird der schwerste Ausprägungsgrad während der vergangenen 7 Tage) jedes dieser Symptome kann auf einer fünfstufigen Skala von 0 (nicht vorhanden) bis 4 (vorhanden und schwergradig) eingestuft werden. (Siehe „Klinische Beurteilung der Dimensionen psychotischer Symptomschwere“ im Kap. „Erhebungsinstrumente“).
Beachte: Die Diagnose Psychotische Störung aufgrund eines Medizinischen Krankheitsfaktors kann auch ohne diese zusätzliche Schweregradcodierung gestellt werden.

Katatonie

Kriterienkasten „Katatonie in Verbindung mit einer Anderen Psychischen Störung (Zusatzcodierung Katatonie) (S. 161 f.)“
A.
Das klinische Bild wird von drei (oder mehr) der folgenden Symptome gekennzeichnet:
1.
Stupor (d. h. keine psychomotorische Aktivität, kein aktiver Austausch mit der Umgebung)
 
2.
Katalepsie (d. h. passive Einnahme einer Körperhaltung, die gegen die Schwerkraft gehalten wird)
 
3.
Wächserne Flexibilität (flexibilitas cerea, d. h. leichter, gleichmäßiger Widerstand gegenüber einer Veränderung der Körper- oder Extremitätenhaltung des Betroffenen durch den Untersucher)
 
4.
Mutismus (d. h. keine oder nur geringe verbale Antwort [Ausschlusskriterium: bekannte Aphasie])
 
5.
Negativismus (d. h. widerständliche oder keine Befolgung von Anweisungen oder bei anderen äußeren Reizen)
 
6.
Verharren (d. h. spontanes und aktives Aufrechterhalten einer einmal eingenommenen Körperhaltung gegen die Schwerkraft)
 
7.
Manierismen (d. h. eigentümliche, umständliche Karikatur normaler Handlungen).
 
8.
Stereotypien (d. h. repetitive, abnorm häufige, nicht zielgerichtete Bewegungen).
 
9.
Agitation, nicht durch äußere Reize beeinflusst.
 
10.
Grimassieren
 
11.
Echolalie (d. h. Nachahmen der Sprache eines anderen)
 
12.
Echopraxie (d. h. Nachahmen der Bewegungen eines anderen)
 
 
Codierhinweis: Notiere den Namen der assoziierten psychischen Störung bei der Erfassung der Erkrankung (z. B. F06 1 Katatonie in Verbindung mit einer Major Depression). Codiere zuerst die assoziierte psychische Störung (z. B. Störung der neuronalen und mentalen Entwicklung, Kurze Psychotische Störung, Schizophreniforme Störung, Schizophrenie, Schizoaffektive Störung, bipolare Störung, Major Depression oder andere psychische Störung) (z. B. F25 1 Schizoaffektive Störung, Depressiver Typ; F06 1 Katatonie in Verbindung mit einer Schizoaffektiven Störung).

Differenzialdiagnosen und Komorbiditäten

Schizophrenien mit Beginn im Erwachsenenalter unterscheiden sich von COP und EOP hinsichtlich ihrer Komorbiditäten und Differenzialdiagnosen.
Bei Schizophrenien mit Beginn in der Kindheit finden sich folgende Differenzialdiagnosen: ADHS, rezeptive Sprachstörungen, Substanzabusus, Zwangsstörungen, PTSD, oppositionelle Störungen, Störungen des Sozialverhaltens und Depression.
Wichtige Differenzialdiagnosen im Kindesalter stellen die Autismusspektrumstörungen (ASS) dar.
Bis in den frühen 1970er-Jahren wurde der Begriff infantile Schizophrenie gebraucht in Fällen, die heute als Autismusspektrumstörung diagnostiziert werden würden. Erst durch die Arbeit von Kolvin 1971 wurde eine Trennung eingeleitet.
ASS ist in 30–50 % der Fälle ein Vorläufer von COP. Es finden sich Gemeinsamkeiten in Symptomatologie, Risikogenen (z. B. copy number variations, 22q11.2) und betreffend Hirnentwicklung. Sozialer Rückzug, Kommunikationsdefizite, verminderter Blickkontakt, die bei ASS beobachtet werden, können auch im Rahmen der Negativsymptomatik bei COP auftreten. Kinder mit High-functioning-ASS können extrem ängstlich sein und paranoide Gefühle entwickeln, vor allem, wenn sie Stress ausgesetzt werden (z. B. Änderung des Rhythmus). Die korrekte Differenzialdiagnose ist deshalb nicht immer einfach, aber für die Wahl der richtigen Therapie entscheidend (z. B. Antipsychotika).
Ein wichtiges differenzialdiagnostisches Element ist das Alter bei Erkrankungsbeginn.
Der Beginn der Erkrankung bei COP ist typischerweise nach dem 7. Lebensjahr mit im Vordergrund stehenden Positiv- und Negativsymptomen. Die Symptomatik bei ASS zentriert sich auf Eigenheiten in der sozialen Kommunikation, im Sozialverhalten und in stereotypen Bewegungen bereits in den ersten 3 Lebensjahren. Psychotisch anmutende Symptome treten bei ASS nur kurz auf und führen zu keinen wesentlichen zusätzlichen Funktionseinbußen, leiten also nicht das klinische Bild.
Spezifische Inselbegabungen und Spezialinteressen wie bei ASS finden sich bei schizophrenen Patienten außerhalb der psychotischen Inhalte kaum.
Zwangsstörungen treten bei Patienten mit Schizophrenie häufiger auf als in der Normalbevolkerung (~20 %). Umgekehrt führen Zwangsstörungen aber nicht zu einer Erhöhung des Psychoserisikos. Üblicherweise treten bei Schizophrenie und Zwangsstörungen klare Wahnsymptome oder Halluzinationen ohne Zusammenhang zur Zwangssymptomatik auf. Gerade bei Kindern fehlt aber häufig die klassische Einsicht in die Sinnlosigkeit der Zwänge.
Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) und damit verbundene dissoziative Symptome müssen ebenfalls von Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis getrennt werden.
Dissoziative Symptome (Amnesie, Depersonalisation/ Derealisation, Identitätskonfusion) bei BPS sind wiederkehrend bis persistierend. Halluzinationen bei BPS sind hypnagoge optische Wahrnehmungen und haben szenische Ausgestaltung. Formale Denkstörungen finden sich bei BPS nicht. Im Affekt zeigt sich die typische Instabilität und Impulskontrollstörung. Selbstschädigungen sind repetitiv.
Wichtige somatische Differenzialdiagnosen von COP und EOP

Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis

Eine neuroimmunologische Differenzialdiagnose stellt die Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis dar, die erstmals durch Josep Dalmau et al. 2007 beschrieben wurde.
Es handelt sich dabei um eine durch Autoimmunantikörper gegen den NMDA-Rezeptor verursachte limbische Enzephalitis, die mit psychiatrischen Symptomen, wie paranoidem Wahn, Halluzinationen, Agitation, aber auch neurologischen Symptomen, wie Krampfanfällen, Bewegungsstörungen, Hypoventilation, autonomen Dysfunktionen und Bewusstseinsverminderung bis Koma, einhergehen kann.
Im Vorlauf findet man häufig unspezifische virale Infekte. Die Erkrankung ist assoziiert mit Teratomen der Ovarien, die aber nicht in allen Fällen auftreten. Die Autoantikörper binden an die NR1-Unit des NMDA-Rezeptors, vor allem im limbischen System und blockieren die Rezeptoren, was zu einer NMDA-Unterfunktion führt.
Diagnostisch finden sich typische Antikörper im Liquor zerebrospinalis.
Nach der Akutphase zeigen sich exekutive Dysfunktionen, Impulsivität, Schlafstörungen und andere neuropsychiatrische Symptome für Monate bis Jahre. Obwohl das klinische Bild einer akuten Psychose sehr ähnlich sein kann, besteht die Behandlung in einer Immuntherapie (z. B. Kortikosteroide, Plasmapherese, intravenöse Immunglobuline). NMDA-Autoantikörper können in bis zu 10 % der Erstpsychosen gefunden werden (Steiner et al. 2013). Die Prävalenz von NMDA-Rezeptor-Antikörpern bei pädiatrischen Psychosen dürfte höher liegen (15 %). Mittlerweile sind auch Antikörper gegen eine Reihe anderer relevanter Hirnstrukturen (z. B. D2-Antikörper, 19 %) bekannt (Pathmanandavel et al. 2015).

Körperliche Abklärungen bei Verdacht auf Psychose

Die körperliche Abklärung umfasst eine umfangreiche somatische Entwicklungsanamnese, klinischen Somatostatus sowie Neurostatus, eine breite Blut-Laboranalyse, Urin-Drogenscreening, Elektroenzephalografie und strukturelles, zerebrales MR. Bei Verdacht auf eine entzündliche Genese ist eine Liquoranalyse indiziert. Bei weiblichen Patienten soll ein Schwangerschaftstest vor Medikationeinstellung erfolgen.

Mortalität

Schizophrenie hat eine auf 2,4 erhöhte standardisierte Mortalitätsrate und eine erhebliche Verkürzung der Lebenserwartung zur Folge, vor allem aufgrund von erhöhtem Suizidrisiko und kardiovaskulären Erkrankungen (Saha et al. 2007).

Therapie

Pharmakotherapie

Die zentrale Behandlungsform der Schizophrenie mit Beginn im Kindes- und Jugendalter ist die Pharmakotherapie mit Antipsychotika.
Der Wirkmechanismus aller Antipsychotika ist eine Blockade des Dopamin-2(D2)-Rezeptors mit dem Ziel, die hyperdopaminerge Aktivität in mesolimbischen bzw. striatalen Regionen zu drosseln.
Atypische Antipsychotika blockieren darüber hinaus auch serotonerge, alpha-adrenerge, histaminerge und muskarinerge Rezeptoren. Das einzige derzeit im Kindes- und Jugendbereich zugelassene Antipsychotikum mit partiellem Agonismus am D2-Rezeptor ist Aripiprazol. Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil hängen in hohem Maße von der Rezeptoraffinität der jeweiligen Antipsychotika ab. Tab. 4 (Correll et al. 2010) zeigt die Rezeptorprofile für unterschiedliche atypische und typische Antipsychotika. Antipsychotika sind effektiv in der Reduktion von Positivsymptomen, wohingegen Daten zur Wirksamkeit auf Negativsymptome oder kognitive Defizite uneinheitlich sind.
Tab. 4
Pharmakodynamik von atypischen Antipsychotika und ausgewählten klassischen Antipsychotika
Rzeptor
Wirkung/Nebenwirkung
AMI
ARI b
ASE
CLO
ILO
LUR
OLA
PALI
RIS
SER
QUE
ZIP
CPZ
HAL
PER
D2
Antipsychotisch, antimanisch, antiaggressiv, Parkinsonismus, Akathisie, tardive Dyskinesie, Prolaktinerhöhung, sexuelle Dysfunktion
1,3
0,66
1,3
210
3,3
0,99
20
2,8
3,8
2,7
770
2,6
2,0
2,6
120
1,4
5-HT2A
Parkinsonismus ↓, Akathisie ↓, antipsychotisch (?)
2000
8,7
0,06
2,6
0,2
0, 47
1,5
1,2
0,15
0,14
31
0,12
8,0
61
500
0,5
5-HT2c
Gewicht ↑
>10.000
22
0,03
4,8
14
-
4,1
48
32
6,0
3500
0,9
25c
4700
>10.000
132
a1
Lageabhängige Hypotension, Schwindel, Synkopen
7100
26
1,2
6,8
0,31
-
44
10
2,7
3,9
8,1
2,6
2,6
17
2500
10
a2
Erhöhte Aufmerksamkeit; Blutdruckerhöhung, antidepressiv
1600
74
1,2
158
3,0
41
280
80
8
190
80
154
750
600
625
500
H1
Angstlösend, sedierend, Parkinsonismus ↓, Akathisie ↓, Gewicht ↑
>10.000
30
1,0
3,1
12,3
>1000
0,08
3,4
5,2
440
19
4,6
0,2
260
>10.000
8
M1
Kognition ↓, Parkinsonismus ↓, Akathisie ↓ (?)
>10.000
6780
8128
1,4
4898
>1000
2,5
>10.000
>10.000
5,000
120
300
25c
>10.000
>10.000
1500
AMI Amisulprid; ARI Aripiprazol; ASE Asenapin; CLO Clozapin; ILO Iloperidon; LUR Lurasidon; OLA Olanzapin; PALI Paliperidon; QUE Quetiapin; RIS Risperidon; SER Sertindol; ZIP Ziprasidon; CPZ Chlorpromazin; HAL Haloperidol; MOL Molindon; PER Perphenazin; ↑ Effekt erhöht; ↓ Effekt erniedrigt
Daten repräsentieren die nanomolare Gleichgewichtskonstante (Ki) (nM), also die nanomolare Menge des Antipsychotikums, das notwendig ist, um 50 % eines bestimmten Rezeptors in vitro zu besetzen (also: niedrigere Zahl entspricht einem stärkeren Bindungspotenzial); b partieller Agonismus
Hinsichtlich ihrer Effizienz sind bei Jugendlichen Aripiprazol, Olanzapin, Paliperidon, Quetiapin und Risperidon und in mittleren Dosierungen auch Paliperidon im Vergleich zu Placebo signifikant überlegen (Correll et al. 2011). Effektunterschiede zwischen den oben genannten gab es nicht. Clozapin hat sich in Meta-Analysen allerdings als effektiver als die anderen Antipsychotika gezeigt (Kumra et al. 2008).
Ziprasidon ist den anderen Antipsychotika betreffend Wirksamkeit unterlegen.
Bei Kindern und Jugendlichen ist die gewichtsabhängige Dosierung einer an Wirkung und Nebenwirkung orientierten Dosierung unterlegen.
Höhere Dosierungen gehen mit stärkeren Nebenwirkungen, aber signifikant besserem Behandlungsergebnis einher. Im Direktvergleich fanden sich keine Unterschiede in der Effizienz zwischen atypischen Antipsychotika und klassischen Neuroleptika, wobei Studien aber ein günstigeres Nebenwirkungsprofil von atypischen Antipsychotika zeigen.
Im klinischen Alltag wird die Wahl des Antipsychotikums vom Rezeptor- und Nebenwirkungsprofil abhängig gemacht.
Antipsychotika wie Risperidon oder Haloperidol mit hoher Affinität und ausgeprägtem Antagonismus auf dem D2-Rezeptor werden bei starker Positivsymptomatik (Wahn, Halluzinationen) eingesetzt (Lehman et al. 2004). Olanzapin und Quetiapin mit sedierenden Eigenschaften werden bei affektiver Erregung oder gleichzeitigen bestehenden Schlafstörungen eingesetzt. Daten, die diese klinische Einschätzung stützen würden, sind aber kaum vorhanden.
Bei Pharmakoresistenz (2 Antipsychotika, >6 Wochen, Dosierung 1000 mg Chlorpromazinequivalent) ist Clozapin im Vergleich zu allen anderen Antipsychotika signifikant überlegen. Clozapin stellt damit auch bei Jugendlichen das Mittel der 1. Wahl bei therapierefraktärer Schizophrenie dar. Clozapin verursacht keine extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungen und senkt die Mortalität von Schizophreniepatienten in Langzeituntersuchungen. Außerdem führt Clozapin zu einer Reduktion von Suizidalität bei schizophrenen Patienten. Das Agranulozytoserisiko (siehe unten) von Clozapin kann bei adäquatem Monitoring (Bestimmung der Leukozyten- und neutrophile Granulozytenzahl während der ersten 18 Therapiewochen, danach 1-mal/Monat) ausreichend kontrolliert werden (Abbruchkriterium: Leukozytenzahl <3000/mm3, neutrophile Granulozyten <1500/mm3).
Als weitere Nebenwirkungen sind Sedation und Gewichtszunahme zu nennen.
Die pharmakodynamische Wirkung der Medikation ist von deren Pharmakokinetik abhängig (Absorption, Metabolisierung, Eliminierung), die sich bei Kindern und Jugendlichen von Erwachsenen unterscheidet.
So zeigen minderjährige Patienten schnellere hepatische Metabolisierung, höhere glomeruläre Filtrationsrate und renale Exkretion, geringere Plasmaproteinbindung und geringeren Körperfettanteil. Aus diesem Grund benötigen Kinder und Jugendliche höhere Antipsychotikadosen/kg KG, um vergleichbare Serumlevel zu erreichen.
Um Konzentrationsspitzen zu vermeiden, die z. B. mit Nebenwirkungen korrelieren, kann eine höherfrequente Medikamenteneinnahme angezielt werden, eine langsamere Aufdosierung oder retardierte Formen gewählt werden.
Zum Überblick betreffend Pharmakodynamik, Pharmakokinetik und Dosisinformation der einzelnen Antipsychotika verweisen wir auf, Kap. „Psychopharmakotherapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“.
Die Metabolisierung von Antipsychotika erfolgt über die Cytochrom-P450-Enzyme der Leber. Bei Polypharmazie ist Kenntnis der Metabolisierung notwendig, um Arzneimittelinteraktionen vorhersagen zu können. Wir empfehlen regelmäßig aktualisierte Online-Arzneimittelinteraktionschecker für die Interaktionsprüfung zu verwenden. Rauchen (Induktion CYP450) kann beispielsweise den Spiegel von Clozapin oder Olanzapin um bis zu 50 % senken, wohingegen das SSRI Fluvoxamin zu einer ausgeprägten Erhöhung (Inhibition CYP-P450) des Clozapinspiegels führt.
Die Therapiecompliance kann durch psychoedukative Elemente erhöht werden.

Nebenwirkungen

Für unerwünschte Wirkungen, wie Sedierung, medikamenteninduzierte Bewegungsstörungen, Absetzdyskinesien, Störungen des Prolaktinhaushaltes, Gewichtszunahme und Fettstoffwechselstörungen, sind Kinder und Jugendliche vulnerabler als Erwachsene (Correll 2008).
Metabolische Auswirkungen von Langzeittherapien mit Antipsychotika (z. B. Diabetes mellitus Typ II) haben ihren Ursprung am Behandlungsbeginn und benötigen gezieltes Management im Kindes- und Jugendalter, wenngleich sie erst später klinisch relevant werden mögen.
Neuromotorische Nebenwirkungen
Antipsychotika mit ausgeprägtem D2-Antagonismus im striatalen System können extrapyramidale Bewegungsstörungen induzieren (Correll und Kane 2007).
Nach Zeitpunkt des Auftretens und Art der Symptome unterscheiden sich Akathisie (motorische Unruhe), Parkinsonismus (Rigor, Tremor, Akinese), Frühdyskinesie (fokale Dystonien, z. B. Zungen-Schlundkrämpfe) und Spätdyskinesie (orobukkolinguale unwillkürliche, rhythmische Bewegungen, z. B. Grimassieren, Kau-/Zungenbewegungen).
Zur Therapie der frühen Bewegungsstörungen können anticholinerge Substanzen (z. B. Biperiden) eingesetzt werden.
Das maligne neuroleptische Syndrom (NMS), das ebenfalls mit motorischen Symptomen (Rigor, Akinese, Katatonie), aber auch Hyperthermie, Tachykardie, Bewusstseinsstörungen (bis hin zum Koma) und Laborveränderungen (Erhöhung von CK, Transaminasen, Myoglobinurie) einhergeht, ist eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Nebenwirkung antidopaminerger Substanzen.
Prolaktinerhöhung
Eine weitere aus der D2-Rezptorblockade im tubero-infundibulären System entstehende Nebenwirkung ist die Prolaktinerhöhung, welche zu sexuellen Nebenwirkungen, wie z. B. verminderte Libido, Amenorrhö, Oligomenorrhö, erektile Dysfunktion, Hirsutismus, Gynäkomastie oder Milchfluss führen kann.
Kardiale Nebenwirkung
Eine Verlängerung der QTc-Zeit kann durch eine Reihe von Antipsychotika, aber auch SSRIs induziert werden, ist jedoch bei Kindern ohne kardiale Vorerkrankung selten (Correll et al. 2009a). Guidelines empfehlen vor Einstellung auf Antipsychotika ein Routine-EKG mit Beurteilung des QTc-Intervals. Selten kann es zu einer Myokarditis (z. B. Clozapin) kommen.
Agranulozytose
Hämatologische Nebenwirkungen im Sinne einer Verringerung der Leukozytenzahl sind bei Clozapin beschrieben. Eine klinisch relevante Neutropenie trat in einer Studie (Gerbino-Rosen et al. 2005) bei 8 von 172 untersuchten Kindern- und Jugendlichen, eine Agranulozytose in 1 Fall auf.
Metabolisches Syndrom
Kinder und Jugendliche sind häufig betroffen von einer unphysiologischen Gewichtszunahme unter Antispychotika, die auch zu Glukose- oder Lipidstoffwechselstörungen und im Erwachsenenalter zu Diabetes mellitus Typ II führen kann (Correll et al. 2009b). Die Gewichtszunahme ist vor allem mit antihistaminergen Eigenschaften verbunden. Besonders Behandlungen mit Olanzapin und Quetiapin, aber auch Risperidon sind mit dosisabhängiger Gewichtszunahme im Kindes- und Jugendalter assoziiert, wohingegen Aripiprazol gewichtsneutral ist.

Monitoring und Management von Nebenwirkungen

Das durch Langzeittherapie mit Antipsychotika induzierte metabolische Syndrom ist mit erhöhter Mortalität aufgrund kardiovaskulärer Ereignisse bei schizophrenen Patienten assoziiert. Aus diesem Grund ist eine möglichst frühe Intervention im Sinne einer Ernährungsberatung (vitamin- und ballaststoffreiche Ernährung) sinnvoll und regelmäßige Bewegung zu empfehlen. Gewicht und Größe sollten regelmäßig (monatlich) bestimmt und zur Verlaufskontrolle des alters- und geschlechtsspezifischen Body-Mass-Index berechnet werden.
Krankheitsbedingt ist die Umsetzbarkeit von Empfehlungen manchmal schwierig. Alternativ kann eine Umstellung auf ein weniger metabolisch belastendes Antipsychotikum oder eine spezifische medizinische Behandlung der Gewichtszunahme erfolgen.
Eine Prolaktinbestimmung ist nur bei Auftreten klinisch relevanter Nebenwirkungen, wie sexuelle Funktionsstörung, Libidoverlust, erektile Funktionsstörung, retrograder Ejakulation, Anorgasmie, reproduktive Störungen (A-/Oligomenorrhö, Galaktorrhö, Gynäkomastie) sinnvoll.
Motorische Symptome sollten klinisch erfragt werden und können mit Skalen, wie z. B. der Skala für abnorme, unwillkürliche Bewegungen (AIMS) quantifiziert werden.
Das seltene maligne neuroleptische Syndrom benötigt in der Regel eine intensivmedizinische Überwachung.
Flankierend werden in der medikamentösen Behandlung der Psychosen auch Psychopharmaka wie Benzodiazepine, Antidepressiva oder Phasenprophylaktika (z. B. Valproinsäure, Lithium) eingesetzt. Vereinzelt ist eine Kombination mit Medikamenten der Inneren Medizin (z. B. Beta-Blocker) sinnvoll.

Psychotherapie

Kognitiv-behaviorale Therapie

Die zentralen Elemente der kognitiv-behavioralen Therapie der Psychosen liegen im Beziehungsaufbau, der Psychoedukation, Arbeit mit persistierenden Symptomen, Umstrukturierung von Wahn, in kognitiven Interventionen bei dysfunktionalen Annahmen über die eigene und andere Personen sowie in rückfallprophylaktischen Interventionen.
Für den Aufbau einer tragfähigen Beziehung ist die Perspektivenübernahme durch den Therapeuten unabdingbar. Auch wenn die Welt der Patienten noch so bizarr erscheinen mag, muss der Therapeut diese Welt durch die Augen des Patienten betrachten, um Symptome verstehen und ihre Entwicklung nachvollziehen zu können. Durch das Erarbeiten eines Problemmodells (Stressoren → negative Emotionen → Selbstwert → voreiliges Schlussfolgern → Wahn → Rückzug → Sicherheitsverhalten → Metakognitionen) soll dem Patienten eine plausible Alternativerklärung für seine Symptome möglich werden.
Therapeutische Strategien zum Umgang mit Halluzinationen zielen auf eine Reduktion des subjektiv wahrgenommenen Kontrollverlusts gegenüber der Halluzination sowie auf die dysfunktionalen Bewertungen der Halluzination ab, sodass eine funktionalere, entlastende Bewertung der Stimmen möglich wird. Durch Verhaltensexperimente können subjektive Überzeugungen überprüft werden, z. B. kann durch laute Musik oder Sprechen die Erfahrung gemacht werden, dass die Stimme in den Hintergrund tritt und die Überzeugung der Unkontrollierbarkeit der Stimme relativiert werden. Der Patient wird beispielsweise gebeten Protokolle zu Lautstärke und Dauer der Stimmen sowie seine Copingstrategien zu führen. Eine neue Technik (z. B. Entspannung, Musikhören, sozialer Kontakt) kann anhand der Protokolle auf ihre Wirksamkeit auf die Stimmen geprüft werden, sodass das Gefühl der Unbeeinflussbarkeit modifiziert wird. Die Gedanken, die der Patienten im Hinblick auf die Stimmen hat, werden im metakognitiven Ansatz bearbeitet. Katastrophisierende und wahnhafte Gedanken sollen entpathologisiert werden, durch kognitive Umstrukturierung bearbeitet oder im sokratischen Dialog hinterfragt werden.
Bei der Bearbeitung von Wahnthemen ist es zuerst wichtig, die Entstehung des Wahns nachzuvollziehen, das „Wie“ und „Warum“ besser zu verstehen und den Beginn des Wahns in Zusammenhang mit den Lebensereignissen des Patienten zu bringen. Neben Vulnerabilitätskomponenten und auslösenden Stressoren sollen auch typische Fehlerquellen, wie verzerrte Wahrnehmungen, voreilige Hypothesengenerierung, eingeschränkte Informationseinholung aufgrund von Rückzug in das Erklärungsmodell aufgenommen werden. Pro- und Contra-Listen des Wahns sind hilfreich, indem die 2 extremen Szenarien (1. fälschliches Aufrechterhalten, 2. fälschliches Fallenlassen der Überzeugung) und mögliche Konsequenzen besprochen werden. Der Patient wird bei ausreichender Motivation angehalten alternative Interpretationen und mittels Beobachtungsaufgaben oder in Rollenspielen falsifizierende Informationen zu sammeln (z. B. Ampel ist immer rot, aufgrund einer äußeren Macht – Aufgabe: durch die Stadt fahren und an jeder Ampel notieren, ob rot oder grün). Das Ziel ist eine Annäherung an ein alternatives Erklärungsmodell.
Die KVT (kognitive Verhaltenstherapie) wurde von den Leitlinien des National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE 2002) als auch von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) als Behandlungsempfehlung für Patienten mit Schizophrenie und Positivsymptomatik aufgenommen (Gaebel et al. 2009).
Wykes et al. (2008) haben in einer Meta-Analyse moderate Effektstärken der KVT über eine medikamentöse Behandlung hinaus gefunden. Hierbei ist festzuhalten, dass Therapiestudien üblicherweise eine Kombination von KVT und medikamentöser Behandlung mit medikamentöser Behandlung alleine oder in Kombination mit einer aktiven Kontrolle untersucht haben. Die Effekte betreffen nicht nur Positivsymptomatik, sondern auch Negativsymptome, Depressionen und soziales Funktionsniveau.
Die Indikation ist bei medikationsresistenten Schizophrenien mit persistierender Positivsymptomatik gegeben, es bestehen aber auch Wirksamkeitsnachweise für Patienten in akuten Erkrankungsphasen.
Für Kinder- und Jugendliche mit Schizophrenie liegen bislang keine Daten zur KVT vor. Es sollten allerdings im Vergleich zur Therapie mit Erwachsenen Anpassungen vorgenommen werden. Wir empfehlen eine größere Kreativität der Methodenwahl, Entpathologisierung von Symptomen und Aufbau von Selbstwert, Einbezug von Peers und Identifikationsmodellen sowie der Familie und Berücksichtigung der spezifischen Entwicklungsaufgaben bei Therapie mit Kindern- und Jugendlichen.

Integrierte Psychose-Therapie

Neuro- und sozialkognitive Funktionen stellen den wichtigsten Einflussfaktor auf das psychosoziale Funktionsniveau von Patienten mit Psychosen dar (Schmidt et al. 2011). 6 relativ unabhängige neurokognitive Funktionsbereiche (Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung, Aufmerksamkeit, verbales und visuelles Lernen und Gedächtnis, Arbeitsgedächtnis sowie Denken und Problemlösen) und 5 sozialkognitive Prozesse (Emotionsverarbeitung, soziale Wahrnehmung, Theory of Mind, soziales Wissen, soziale Attribuationsstile) wurden als ausschlaggebend für das psychosoziale Funktionsniveau identifiziert. Das Integrierte Psychologische Therapieprogramm (IPT, Roder et al. 2008, 2010) ist eine neuro- und sozialkognitive Remediationstherapie, die soziale Kompetenzen und interpersonelle Problemlösungsfertigkeiten im Gruppensetting trainiert. Zu Beginn stehen die Neurokognitionen im Mittelpunkt, mit zunehmender Dauer der Gruppe wandelt sich der Fokus auf soziale Fertigkeiten und interpersonelles Problemlösen. Die Wirksamkeit der IPT hinsichtlich Neuro- und Sozialkognitionen, Negativsymptomatik sowie des psychosozialen Funktionsniveaus wurde in 36 unabhängigen Studien bestätigt.
Die Integrierte Neurokognitive Therapie (INT, Roder et al. 2011; Roder und Muller 2013) ist eine Fortentwicklung der IPT, die alle von der MATRICS-Initiative definierten neuro- und sozialkognitiven Bereiche umfasst und aufgrund der höheren kognitiven Anforderungen gerade für Frühinterventionen bei Erstpsychosen oder Psychoserisiko geeignet erscheint. Jedes der 4 Therapiemodule startet mit psychoedukativen Elementen, die auf Selbstwahrnehmung von kognitiven Defiziten und Ressourcen abzielen. Anschließend werden durch die Teilnehmer individuelle Bewältigungsstrategien erarbeitet, um Defizite zu verbessern und Ressourcen auszunutzen. Beide Teile beinhalten computergestützte Elemente. In-vivo-Übungen und Hausaufgaben sollen den Transfer in den Alltag ermöglichen. Die Komplexität der Aufgaben nimmt mit Fortdauer der Therapie zu, die Strukturierung der Gruppe ab. Die Gruppengröße liegt bei 6–8 Teilnehmern, 30 Sitzungen à 90 min und einer Frequenz von 2-mal/Woche. Klar signifikante Verbesserungen in Neuro- und Sozialkognitionen, der Negativsymptome und des Funktionsniveaus wurden gezeigt, die auch 9 Monate nach Therapieende anhielten (Abb. 3).

Familientherapie

Familieninterventionen, die auch psychoedukative Elemente umfassen sind ebenfalls wirksame therapeutische Optionen für Patienten mit Schizophrenie.
Verhaltenstherapeutische Familienarbeit fokussiert auf Psychoeduktion zur Krankheitsentstehung, Frühwarnzeichen und Umgang mit Antipsychotikabehandlung.
Technisch werden Verhaltensanalysen eingesetzt und Veränderungsziele erarbeitet. Ein weiterer Fokus liegt auf den Kommunikationsfertigkeiten des Systems, z. B. sollen Kommunikationsmuster mit High-Expressed-Emotions (Kritik, Drohungen, Beschuldigungen, Instruktionen, Bevormundung, Eskalation) reduziert werden. Zuletzt wird ein Schwerpunkt auf die Erarbeitung von neuen Problembewältigungsstrategien gelegt.
Der High-Expressed-Emotion-Ansatz betont die Wichtigkeit einer Strukturierung der Rollen und Grenzen im System. Eine möglichst klare Kommunikation soll gefördert werden und die Bewältigung von Emotionen wie Schuld, Verlust, Zorn oder Depression wird bearbeitet. Der Umgang mit Überinvolviert-Sein als Folge von Schuldgefühlen und das Einleiten von Trennungsschritten werden thematisiert.

Andere psychosoziale Interventionen

„Supported employment“ versucht Patienten mit schweren psychiatrischen Erkrankungen am Arbeitsmarkt zu integrieren (Hoffmann et al. 2014). Grundpfeiler sind der Fokus auf kompetitive Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt, Auswahl gemäß Klientenwunsch, enge Verknüpfung zwischen Behandlungsteam und Sozialarbeitern des Supported employment, schnelle Jobsuche, Entwicklung eines Jobnetzwerks und zeitlich unlimitierter individueller Unterstützung.
Reintegration in eine Ausbildung/den Arbeitsmarkt hat signifikant positive Effekte auf den Krankheitsverlauf gezeigt im Sinne einer Verbesserung des psychosozialen Funktionsniveaus und einer Reduktion von Hospitalisationen.

Maßnahmen bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung

Ein häufiges Symptom bei Psychosen ist fehlende Krankheitseinsicht und damit verbunden fehlende Behandlungseinsicht. In Kombination mit paranoiden Ängsten, ausgeprägten Denkstörungen oder zusätzlichem Drogenkonsum können im Verlauf der Psychosen Situationen entstehen, in denen der Patient eine akute Gefahr für sich selbst oder andere darstellt. Besonders bei Erstbehandlung adoleszenter Psychosepatienten ist das Risiko für aggressive Zwischenfälle erhöht. Unter Zwangsmaßnahmen werden jegliche Maßnahmen verstanden, für die der Patient kein Einverständnis gegeben hat. Sie reichen von Ausgangsbeschränkung und Festhalten über Isolierung, bis zu Fixierung und Zwangsmedikation.
Zwangsmaßnahmen müssen juristischen, ethisch-moralischen und therapeutischen Ansprüchen gerecht werden.
Im Folgenden soll kurz auf die wichtigsten Gegebenheiten eingegangen werden:
  • Primäres Ziel soll die Prävention und Deeskalationsein.
  • Es muss 1.) akute Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegen, die 2.) auf eine psychiatrische Erkrankung zurückzuführenist.
  • Zwangsmaßnahmen dürfen nur dann angewendet werden, wenn alle anderen Optionen zur Beendigung des Zustands ausgeschöpft sind.
  • Sie müssen lückenlos dokumentiert, regelmässig überprüft und aufgehoben werden, sobald dies der Zustand des Patienten zulässt.
  • Da Zwangsmassnahmen traumatisierend sein können, empfiehlt sich eine Nachbesprechung mit dem Patienten nach Abklingen der aktuen Phase, um Gründe und Ablauf zu erklären und auf Fragen eingehen zu können.
  • Auch für das Behandlungsteam stellen Zwangsmaßnahmen eine große emotionale Herausforderung dar. Eine gute Vorbereitung, Aufgabenteilung während der Maßnahme, klare Kommunikation und Nachbesprechung mit dem Team sind hilfreich (Abderhalden et al. 2008).
In der pharmakologischen Behandlung kommt häufig eine Kombination aus Benzodiazepinen und sedierenden Antipsychotika zum Einsatz. Für eine Reihe von Pharmaka stehen neben oraler Gabe (fest/flüssig/schnell löslich) auch intramuskuläre oder intravenöse Zusammensetzungen zur Verfügung. Es soll die am wenigsten invasive Medikationsform (oral vs. parenteral) gewählt werden, die der Patient akzeptieren kann. Um wiederholte Injektionen zu vermeiden, können kurz wirksame Depotantipsychotika verwendet werden. Bei intravenöser Gabe muss eine somatische Überwachung (kardial, respiratorisch) erfolgen.
Von unseren schizophrenen Patienten werden 5–20 % mindestens 1-mal im Leben gegen ihren Willen medikamentös behandelt (Allen et al. 2001). Zwangsmaßnahmen stellen das letzte Glied einer Kette von Notfallinterventionen dar, sind aber manchmal notwendig, um die Sicherheit von Patient und Behandlern zu gewährleisten und können im günstigen Fall weiteren Aggressionen und deren Folgen vorbeugen.

Recovery-Bewegung

„Recovery“ ist eine junge, von Patienten und Fachpersonen gleichermaßen ausgehende, Initiative und verfolgt die Idee, dass Patienten ein befriedigendes, selbstbestimmtes und hoffnungsvolles Leben führen können, trotz einer chronischen psychischen Erkrankung, dass also eine Überwindung der Erkrankung möglich ist (Amering und Schmolke 2007). Unterstützt werden diese Annahmen durch Langzeituntersuchungen, die relativ hohe (25–65 %) funktionelle Recovery-Raten (siehe Recovery-Kriterien Liebermann 2002) von Patienten mit Schizophrenie zeigen. Das zentrale Element von Recovery besteht im Aufbau von Hoffnung auf Erholung, Besserung und Genesung. Recovery betont die Zusammenarbeit mit Angehörigen und Peers. Peers sind Menschen mit einer psychischen Erkrankung, die aufgrund ihrer eigenen Erfahrung in den therapeutischen Prozess einbezogen werden und Selbsthilfegruppen leiten, aber auch Einzelberatungen anbieten, in der Regel in Zusammenarbeit mit Ärzten und Therapeuten. Themen wie „Sinn der Psychose in meinem Leben“, Selbstwirksamkeit und Selbstachtung, Integration in einen bedeutungsvollen Alltag sind unabhängig von der Symptomatik für Patienten entscheidend. Antistigma-Arbeit hilft, Vorurteile zu reduzieren, soziale Räume zu erhalten oder wiederzugewinnen und dadurch therapeutische Erfolge abzusichern. Die konkrete Arbeit dient dem „Empowerment“ des Patienten, der zu Selbstbestimmung und Partizipation finden soll. In den letzten Jahren wird zunehmend versucht, Elemente der Recovery-Arbeit (z. B. Peergroups) auch auf Jugendliche zu übertragen.
Funktionelle Recovery-Kriterien (Vorschlag von Liberman et al. 2002)
1.
Symptome sollten in Schweregrad und Häufigkeit so wenig beeinträchtigend sein, dass sie nicht mit den normalen Alltagsfunktionen interferieren
 
2.
Arbeit/Ausbildung im ersten (kompetitiven) Arbeitsmarkt mindestens halbtags
 
3.
Soziale Beziehungen: zumindest eine, mit der mindestens eine Aktivität außer Haus in 2 Wochen wahrgenommen wird
 
4.
Unabhängigkeit im Leben: eigenständige Sorge um die eigenen Angelegenheiten (Finanzen, Hygiene, Umgang mit der Erkrankung) im normalen Rahmen
 
5.
Kontakt zu Familienangehörigen weitgehend freundlich mit oder ohne gelegentliche Disharmonie
 
Üblicherweise gilt die Erfüllung dieser Kriterien über einen Zeitraum von 2 Jahren als Recovery.
Recovery-Kriterien aus der Patientenperspektive (nach Liberman 2012)
1.
Ein befriedigendes und bedeutsames Leben führen
 
2.
In Verantwortung sein für die eigenen Entscheidungen in Bezug auf Lebensziele und die Behandlung
 
3.
Hoffnung haben in die Zukunft
 
4.
Mit sich und seinem Gott im Reinen sein
 
5.
Ein Gefühl der Integrität, des Wohlbefindens und Selbstrespekts empfinden
 

Fazit

Psychosen mit Beginn im Kindes- und Jugendalter sind psychiatrische Erkrankungen mit hohem Gefährdungspotenzial für die psychosoziale Entwicklung unserer Patienten. Psychosen sind höchstwahrscheinlich pathophysiologisch unterschiedliche Erkrankungen, die in eine gemeinsame phänotypische Endstrecke münden. Im Kern der Erkrankung könnte ein, durch Dopamin und Glutamat vermitteltes, fehlerhaftes Prediction-error-Signal liegen, ein zu geringer Vorhersagefehler, der zu einer pathologisch übersteigerten Sicherheit in Wahrnehmungen (Halluzinationen) und Annahmen (Wahn) führt. Heute sind die Psychosen klinische Diagnosen, die auf der Erhebung von klassischen psychopathologischen Symptomen basieren, den Längsschnitt der Erkrankung und den Ausprägungsgrad der Symptome berücksichtigen. Beweisende biologische oder psychologische Tests gibt es aktuell nicht. Die Zahl an somatischen Diagnosen, die als Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden müssen bzw. können, wird aber immer größer (z. B. NMDA-Rezeptor-Enzephalitis). Im Zentrum der Therapie stehen pharmakologische Strategien, die auf einer Hemmung der dopaminergen Signalübertragung basieren. Die Pharmakomedikation vermindert Positivsymptomatik wie Halluzinationen und Wahn. Die unerwünschten Wirkungen der medikamentösen Therapie müssen gerade bei Kindern und Jugendlichen sorgfältig überwacht werden, auch wenn Langzeitnebenwirkungen oftmals erst im Erwachsenenalter relevant werden. Negative Symptome und kognitive Symptome, die die Prognose beeinflussen und funktionelle Beeinträchtigungen verursachen, werden mittels Pharmakotherapie nur unzureichend verbessert. Psychotherapeutische, psychosoziale und psychoedukative Interventionen können hier wichtige Verbesserungen bringen. Ein therapeutischer Fokus in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen muss auf der Schul- bzw. Berufsausbildung und dem Einstieg ins Arbeitsleben liegen. Kognitive Abklärungen zur Einschätzung von Leistungspotenzial und -einbußen der Patienten sind deshalb häufig sinnvoll und Supported-employment-Modelle können wichtige Unterstützung bieten. Langzeituntersuchungen zeigen zum Teil beträchtliche funktionelle Recovery-Raten von bis zu 50 % bei Patienten mit chronischer Schizophrenie, wobei das Erzeugen von Hoffnung ein für Patienten subjektiv sehr wichtiger Faktor ist. In den nächsten Jahrzehnten wird vermehrt Augenmerk auf die Früherkennung und Prävention der Erkrankung gelegt werden. Bei einem ersten Erkrankungspeak von ~19,5 Jahren bedingt dies eine Verlagerung der medizinischen Bemühungen in den kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich.
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