Oppenheim mutmaßt, dass prädominant eine Schädigung des rechten Stirnlappens zur „Witzelsucht“ führt [
18]. Mit dieser Mutmaßung kongruent stellt sich die aktuelle Forschungshypothese zu diesem Thema dar. Um zu evaluieren, ob das Auftreten von „Witzelsucht“ einer bestimmten Hirnlokalisation zuzuordnen ist, ist es von Relevanz, zunächst den Humor als ein komplexes kognitives Konstrukt zu definieren. Er ist eines der wichtigsten sozialen Phänomene der menschlichen Interaktion und ein entscheidender Bestandteil in der Bildung interpersoneller Beziehungen [
5,
23]. Die Forschung hat gezeigt, dass Humor eines vielschichtigen Zusammenspiels multipler kognitiver Zentren und Verknüpfungen bedarf [
23]. Dahingehend sind mehrere Aspekte zu betrachten: Der erste Aspekt umfasst die kognitive Kompetenz, in der Lage zu sein, einen Witz inhaltlich zu verstehen. Dies erfolgt durch die Wahrnehmung von Inkongruenz beziehungsweise Unvereinbarkeit zwischen einerseits einer erwarteten Perspektive bzw. Vorahnung und andererseits der Pointe. Die Überraschung löst dann eine Suche nach alternativen Erklärungen und die Auflösung der Inkongruenz aus. Zweitens erfolgt nach dem Empfinden des Humors dessen eigentliche Verarbeitung. Dieser Prozess involviert die Aktivität dopaminerger Lust- und Belohnungszentren, speziell des ventralen Striatums und des Nucleus accumbens. Die frontalen Hirnregionen sind entscheidend an der Erkennung und Auflösung von Inkongruenzen beteiligt, wobei der linke Frontallappen tendenziell auf einfache humorvolle Reize reagiert, während der rechte Frontallappen eher bei der Verarbeitung komplexeren Humors aktiv ist. Des Weiteren können auch andere Hirnregionen zur Wahrnehmung und Auflösung von Inkongruenzen beitragen, darunter der temporoparietale Übergang, der Precuneus, der posteriore zinguläre Kortex und der Gyrus parahippocampalis [
7,
9]. Sobald die Inkongruenzen erfolgreich aufgelöst sind, werden emotionale Reaktionen ausgelöst, die als Heiterkeit empfunden werden und mit angenehmen emotionalen Erfahrungen einhergehen [
17]. Das Frontalhirn stellt hier das integrative Zentrum durch Verbindung zu den benannten Hirnregionen dar und ist daher maßgebend am Verständnis, der Beurteilung und Produktion von Humor beteiligt [
5,
7,
16]. Insbesondere der rechte Frontallappen spielt eine entscheide Rolle in der Entstehung von Humor [
17,
23,
24]. Shammi und Stuss vergleichen in ihrer Forschung Patienten mit rechts- und linksseitiger Frontalhirnschädigung und stellen fest: „The ability of the right frontal lobe may be unique in integrating cognitive and affective information, an integration relevant for other complex human abilities, such as episodic memory and selfawareness“ [
23]. Patienten mit einer Schädigung der rechten Seite zeigen ein erhaltenes Verständnis für den Überraschungsmoment, sind aber defizitär in Bezug auf das inhaltliche Verständnis, die Kohärenz des Witzes [
23]. Es steht zur Diskussion, ob neben der rechtsseitigen Schädigung auch eine zusätzliche Dysfunktion der linken Seite nötig ist, um „Witzelsucht“ zu erzeugen [
17]. Vardi und Kollegen implizieren ebenfalls die Bedeutung der rechten Hemisphäre für die Entstehung von „Witzelsucht“, beobachten aber, dass eine Schädigung in der subdominanten Hemisphäre zu Verhaltensmustern führt, die Einfluss auf die Verarbeitung des Humors haben [
25]. Ob und inwieweit die Entstehung von Humor abhängig von der Hemisphärendominanz ist, bedarf weiterer Forschung. Der Frage, was nun aber zur pathologischen Witzelei führt, widmen sich Granadillo und Mendez. Sie sehen als Ursache ein Disinhibitionssyndrom, resultierend aus der Disruption von Faserverbindungen vom orbitofrontalen Kortex (OFC) zum anterioren zingulären Kortex (ACC). Die Schädigung des rechten Frontallappens führt zu reduzierter Sensibilität für extern generierten Humor, und die Enthemmung in Bezug auf den selbst generierten Humor ist Folge der fehlenden Inhibition im OFC-ACC-Kreislauf [
7,
9].