Ziel der Studie war es, den Einfluss einer simultanen Amnionmembrantransplantation (AMT), des Hornhaut(HH)-Status (eigene HH vs. Transplantat [TPL]) und der Grunderkrankung auf die Erfolgs- und Rezidivraten des autologen Serums (AS) bei therapieresistenten Epitheldefekten zu evaluieren.
Patienten und Methoden
Von 2007 bis 2019 wurden 990 Therapien mit AS an 703 Augen von 645 Patienten retrospektiv untersucht. Erfasst wurden das Vorliegen einer Erosio oder Ulkus, die Anwendung einer AMT, der HH-Status und die Grunderkrankung. Zielgrößen waren die Epithelschlussrate innerhalb 4 Wochen und die Rezidivrate nach Epithelschluss. Die mediane Beobachtungszeit betrug 50 Monate.
Ergebnisse
Ein Epithelschluss zeigte sich bei 73,6 % und ein Rezidiv bei 27,4 %. Eine AMT wurde signifikant häufiger bei Ulzera (p < 0,001) und Rezidiven (p = 0,048) angewandt. Ohne AMT ergab sich eine signifikant höhere Epithelschlussrate (p < 0,001) und schnellere Heilungstendenz (p < 0,001). Es bestand kein Unterschied zwischen der eigenen HH und dem TPL in der Epithelschlussrate (p = 0,47). Auf dem TPL zeigte sich eine signifikant höhere Rezidivrate (p = 0,004) und ein schnelleres Rezidivauftreten (p = 0,03), v. a. ≤6 Monate nach Epithelschluss. Die Grunderkrankungen zeigten einen signifikanten Unterschied in der Epithelschluss- (p = 0,02) und Rezidivrate (p < 0,001) mit höchstem Erfolg bei HH-Dystrophien und geringstem bei kongenitaler Aniridie.
Schlussfolgerungen
Das AS stellt eine effektive Therapieoption bei therapieresistenten Epitheldefekten dar. Es zeigt auf dem TPL eine hohe Erfolgsrate bei zugleich höherer Rezidivneigung. Bei simultaner AMT ist wegen der erhöhten Komplexität des zugrunde liegenden Problems mit geringeren Erfolgsraten zu rechnen. Das AS ist bei verschiedenen Grunderkrankungen erfolgreich einsetzbar, mit Limitationen bei der kongenitalen Aniridie.
Hinweise
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Autologe Serum(AS)-Augentropfen werden seit Jahrzehnten zur Therapie einer Vielzahl von Erkrankungen der Augenoberfläche angewandt. Eine häufige Indikation stellt der therapieresistente Hornhaut(HH)-Epitheldefekt dar [13]. Darunter versteht man in der Regel einen über mehr als 14 Tage persistierenden Epitheldefekt, welcher trotz intensiver Standardtherapie keine ausreichende Heilungstendenz aufweist. Folglich wird das Auge anfällig für Infektionen, Ulzerationen, Narbenbildung, Perforationen bis hin zum Verlust des Augenlichtes. Persistierende Epitheldefekte erweisen sich trotz zahlreicher Therapiemöglichkeiten bis heute als eine Herausforderung für den behandelnden Augenarzt [25, 33].
Die häufigsten Ursachen der Epitheldefekte sind neurotropher, infektiöser, traumatischer und immunologischer Genese [25]. Therapeutisch werden neben der Behandlung der Grunderkrankung und dem Absetzen epitheltoxischer Medikamente, unkonservierte künstliche Tränen, pflegende Gele und Salben sowie Verbandskontaktlinsen eingesetzt. Führen diese nicht zur erwünschten Heilung, steht das AS als weitere medikamentös konservative Therapiemöglichkeit zur Verfügung. Zu den operativen Therapien unterschiedlicher Invasivität gehören unter anderem die Korrektur der Lidfehlstellung, die Tränenpünktchenverödung, die laterale Tarsorrhaphie, die Limbusstammzelltransplantation sowie als Ultima Ratio die perforierende Keratoplastik (PKP) [25, 33]. Eine zusätzliche Therapiemöglichkeit stellt die ein- oder mehrlagige Amnionmembrantransplantation (AMT) dar, deren wundheilungsfördernder Effekt sich neben dem mechanischen Schutz durch die Freisetzung von Wachstumsfaktoren und antiinflammatorischen Faktoren erklären lässt [2, 26].
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Neuere Therapien bilden z. B. die Verwendung einer nahtlos fixierten Amnionmembran (AmnioClip-plus (Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation gGmbH, Hannover, Deutschland), ProKera® (Bio-Tissue, Inc., Miami, Florida, USA)) sowie Augentropfen aus Insulin, Finger-prick-Vollblut oder rekombinantem NGF [5, 14, 32, 33].
Über den positiven Effekt von Augentropfen aus AS wurde erstmals 1984 von Fox et al. berichtet [9]. Seitdem wurde die Wirksamkeit auf die Epithelheilung bei persistierenden Epitheldefekten in mehreren Studien belegt [8, 10, 28, 34]. Die Besonderheit des AS liegt darin, dass es in seiner biochemischen und biomechanischen Zusammensetzung der physiologischen Tränenflüssigkeit stark ähnelt. Diese ist ein essenzieller Bestandteil für die Benetzung, Ernährung und Immunabwehr der Augenoberfläche und damit an der Wundheilung von Hornhautdefekten maßgeblich beteiligt. Neben einem fast identischen pH-Wert und osmotischen Druck verfügt das AS zudem über zahlreiche gleichartig in der Tränenflüssigkeit vorkommende Komponenten. Dazu gehören Wachstumsfaktoren (z. B. „epidermal growth factor“ [EGF], „transforming growth factor-β“ [TGF-β], „nerve growth factor“ [NGF]), Proteine (z. B. Albumin, Lysozym, Lactoferrin, IgA), Vitamine und Elektrolyte [11, 36]. Während einige Komponenten eine antiinfektiöse und antioxidative Wirkung aufzeigen, konnte in Studien gezeigt werden, dass Wachstumsfaktoren die Proliferation, Differenzierung und Migration von Hornhautepithelzellen fördern und somit die epitheliale Wundheilung unterstützen [29, 30, 36]. Ein weiterer Vorteil des AS liegt in seiner guten Verträglichkeit. Aufgrund seiner unkonservierten Aufbewahrung und seines autologen Ursprungs hat es kaum epitheltoxische und allergisierende Wirkungen [10]. Außerdem werden in der Literatur nur sehr wenig Einzelfälle beschrieben, die während der Therapie eine Komplikation aufzeigten, was die gute Verträglichkeit und hohe Sicherheit bei der Anwendung unterstreicht [13, 23]. Nachteile bilden die für die Herstellung der Tropfen notwendige Blutabnahme sowie die arbeitsintensive Herstellung unter strikt sterilen Bedingungen, welche aufgrund rechtlicher Grundlagen nicht überall möglich ist [6, 13]. Eine Herstellung im Einhandverfahren für stationäre Patienten ohne notwendige Herstellungserlaubnis wird von der institutionellen Herstellung (z. B. in transfusionsmedizinischen Abteilungen) für ambulante Patienten mit behördlicher Genehmigung unterschieden. Die Kosten sind im Einhandverfahren überschaubar, jedoch bei institutioneller Herstellung recht hoch [6, 13, 20, 21, 31].
Ziel dieser Studie war es, das bereits etablierte Therapieverfahren der AS-Augentropfen hinsichtlich seiner Erfolgs- und Rezidivraten bei therapieresistenten Hornhautepitheldefekten an 990 Behandlungen über einen Zeitraum von 13 Jahren zu evaluieren. Analysiert wurde insbesondere der Einfluss einer simultan angewandten AMT, des HH-Status (eigene HH vs. TPL) sowie der Grunderkrankung.
Patienten und Methoden
Studienaufbau
Die Datenerhebung erfolgte retrospektiv an 645 Patienten und 703 Augen, welche in der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum des Saarlandes UKS in Homburg/Saar im Zeitraum der Jahre 2007 bis 2019 insgesamt 990 Behandlung mit AS-Augentropfen erhalten haben. Einschlusskriterium für die Aufnahme in die Studie war die Durchführung mindestens einer Therapie mit AS aufgrund eines therapieresistenten Epitheldefekts der Kornea im oben genannten Zeitraum. Ausgeschlossen wurden Fälle, bei denen nach Erhalt des AS der weitere Verlauf der Epithelheilung nicht beobachtet werden konnte oder ein inkompletter Datensatz vorlag, wodurch sie nicht in die statistische Auswertung aufgenommen werden konnten. Alle Untersuchungen erfolgten nach Zustimmung durch die zuständige Ethikkommission (Kenn-Nr. 136/21) und gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975.
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Zubereitung und Anwendung des autologen Serums
Die AS-Augentropfen wurden mittels Standardmethode des Klaus Faber Zentrums für Hornhauterkrankungen inkl. LIONS-Hornhautbank Saar-Lor-Lux, Trier/Westpfalz hergestellt. Nach der Blutentnahme von 10 Serumröhrchen (Sarstedt, Nümbrecht, Deutschland) erfolgte eine Ruhezeit von 60–80 min bei Raumtemperatur und daraufhin eine 15-minütige Zentrifugation bei 3000 Umdrehungen pro Minute. Danach wurde das Serum unter der Sterilbank in sterile Tropfflaschen (West Pharmaceutical Services, Inc., Exton, Pennsylvania, USA) überführt und bei −20 °C für maximal 3 Monate gelagert. Nach Anbruch einer Tropfflasche wurde sie für 1 Tag verwendet, dabei im Kühlschrank (+7 °C) in dunkler Umgebung gelagert und nach 24 h verworfen. Die Tropfen wurden unverdünnt (100 %), meist stündlich und im Wechsel mit einem hyaluronsäurebasiertem Tränenersatzmittel verabreicht. Die hergestellten Tropfflaschen deckten eine Therapiedauer von ca. 3 bis 4 Wochen ab, danach erfolgte ggf. eine erneute Herstellung.
Anwendung einer Amnionmembrantransplantation
Die Amnionmembran wurde in der klinikinternen Hornhautbank unter sterilen Bedingungen präpariert und bei bis zu −85 °C kryokonserviert gelagert. Es wurden 3 Techniken der AMT unterschieden (Patch, Graft, Sandwich). Bei einem Patch (Overlay) wurde eine Amnionmembran (16 mm) über dem Epitheldefekt mit 4 Einzelknüpfnähten und einer fortlaufenden Naht (10-0-Nylon (Ethicon, Inc., Raritan, New Jersey, USA)) episkleral zirkulär fixiert. Bei einem Graft (Inlay) wurden eine Amnionmembran ein- oder mehrlagig in den Ulkusgrund gelegt und die oberste Schicht mit mehreren Einzelknüpfnähten (10-0-Nylon) im kornealen Stroma fixiert. Bei einem Sandwich wurden beide Techniken kombiniert. Jede AMT wurde mit einer Verbandskontaktlinse (17 mm) abgedeckt [26].
Einfluss- und Zielgrößen
Die für die Studie relevanten Parameter wurden systematisch aus den Patientenakten entnommen und in eine Microsoft-Access-Datenbank (Microsoft Corp., Redmond, Washington, USA) eingegeben.
Die folgenden Einflussgrößen wurden hierbei in der Datenbank erfasst:
das Vorliegen des Epitheldefekts ohne Defekt der Bowman-Lamelle (Erosio) oder mit Defekt der Bowman-Lamelle (Ulkus),
die Verwendung einer simultanen AMT parallel zur Therapie mit AS,
das Auftreten des Epitheldefekts auf der eigenen HH oder der transplantierten HH nach PKP,
die Ursachen des Epitheldefekts unterteilt in 5 Grunderkrankungen: 1) neurotrophe Ursachen, 2) Infektionen, 3) Traumata (Verätzungen, Verbrennungen), 4) HH-Dystrophien, 5) kongenitale Aniridie.
Als Zielgrößen wurden erfasst:
die Epithelschlussrate: kompletter Epithelschluss innerhalb 4 Wochen nach begonnener Therapie,
die Rezidivrate: Auftreten von mindestens 1 Rezidiv im Beobachtungszeitraum nach vorher beobachtetem komplettem Epithelschluss,
die Zeitdauer in Tagen bis zum Epithelschluss,
die Zeitdauer in Monaten bis zum Rezidiv.
Der mediane Beobachtungszeitrum betrug 50 Monate.
Statistik
Zur statistischen Auswertung der Daten wurde das Programm IBM SPSS Statistik für Windows, Version 27.0 (IBM Corp., Armonk, NY, USA) verwendet. Deskriptive Werte wurden mit Mittelwert, Median, Standardabweichung, Minimum und Maximum beschrieben. Nominalskalierte Daten wurden mittels Chi-Quadrat-Test auf Signifikanz getestet. Um das zeitliche Auftreten des Epithelschlusses und der Rezidive in verschiedenen Gruppen zu untersuchen, wurde das Kaplan-Meier-Verfahren mit Log-Rank-Test verwendet. Als statistisch signifikant wurde ein p-Wert < 0,05 angesehen.
Ergebnisse
Beschreibung des Studienkollektives
In der Studie wurden 990 Behandlungen mit AS an 645 Patienten und 703 Augen analysiert, wobei 297 (46 %) weiblichen und 348 (54 %) männlichen Geschlechts waren sowie 347 (49,4 %) linke Augen und 356 (50,6 %) rechte Augen eingeschlossen wurden. Es lag zu 84,9 % (n = 841) eine Erosio und zu 15,1 % (n = 149) ein Ulkus vor. Bei 384 (38,8 %) Behandlungen wurde eine simultane AMT durchgeführt. Das AS wurde bei 43,5 % (n = 431) der Therapien auf der eigenen HH und bei 56,5 % (n = 559) auf dem TPL nach PKP angewandt. Insgesamt bildeten 661 (66,8 %) Therapien die Gruppe der 5 Grunderkrankungen ab. Die restlichen 33,2 % (n = 329) hatten sonstige Ursachen. Darunter waren u. a. postchirurgische Patienten nach Pannektomie, EDTA-Abrasio, phototherapeutischer Keratektomie oder Pterygium-Operation sowie Patienten mit Kollagenosen, „Graft-versus-host disease“, Sjögren-Syndrom, Rosazea, Stevens-Johnson-Syndrom, Lyell-Syndrom oder Salzmann-Hornhautdegeneration. Bei 108 (16,3 %) der 661 Fälle lagen gleichzeitig mehrere der 5 genannten Pathologien vor. Betrachtet man das Vorliegen lediglich einer Pathologie, ergaben sich 201 neurotrophe Ursachen (30,4 %), 164 Infektionen (24,8 %), 69 Traumata (10,4 %), 62 HH-Dystrophien (9,4 %) und 57 kongenitale Aniridien (8,6 %).
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Therapieerfolg der Gesamtpopulation
Nach einem Behandlungszeitraum von 4 Wochen waren 729 (73,6 %) der Hornhautepitheldefekte erfolgreich geschlossen. Bei 719 (72,6 %) blieb der Defekt langfristig geschlossen, und bei 271 (27,4 %) ereignete sich mindestens ein Rezidiv im Beobachtungszeitraum. Dieser betrug durchschnittlich 58,0 ± 42,0 Monate (Minimum 1, Maximum 164) mit einem Median von 50 Monaten. Innerhalb der Rezidivgruppe zeigte sich im Mittel eine Anzahl von 3,6 ± 2,6 Rezidiven (Minimum 1, Maximum 10) mit einem Median von 3 Rezidiven. Der durchschnittliche Zeitraum bis zum Eintritt des Rezidivs betrug 17,6 ± 21,7 Monate (Minimum 1, Maximum 95) mit einem Median von 9 Monaten. Es wurden keine fatalen Verläufe mit schwerer intraokulärer Infektion oder Verlust des Auges beobachtet.
Einfluss einer simultanen Amnionmembrantransplantation
Untersucht man die Anwendung der simultanen AMT bezogen auf einen unterschiedlichen Schweregrad des Krankheitsverlaufs, fiel eine signifikant häufigere Verwendung bei Patienten mit Ulzera (59,7 %, n = 89) als bei Erosionen (35,1 %, n = 295) auf (p < 0,001). Zudem wurde es häufiger bei Verläufen mit mindestens 1 Rezidiv (43,9 %, n = 119) im Vergleich zu Verläufen ohne Rezidiv (36,9 %, n = 265) verwendet (p = 0,048).
Die Anwendung des AS ohne AMT ergab zudem eine signifikant höhere Epithelschlussrate im Vergleich zu Therapien mit simultaner AMT (p < 0,001). Nach 4 Wochen waren ohne AMT 80,9 % (n = 490) und mit simultaner AMT 62,2 % (n = 239) der Epitheldefekte geschlossen (Abb. 1).
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Zur Analyse des zeitlichen Ablaufs der Epithelheilung wurde das Kaplan-Meier-Verfahren verwendet (Abb. 2). Hierbei wurde die Zeit in Tagen bis zum Epithelschluss betrachtet und eine Unterteilung in das Vorliegen einer Erosio oder Ulkus sowie Behandlung ohne oder mit simultaner AMT vorgenommen. Daraus ergaben sich die in Abb. 2 zu entnehmenden 4 Untergruppen. Die Erosio ohne AMT zeigte einen Median von 5 Tagen (95 %-KI [4,6–5,4]) bis zum Epithelschluss und mit AMT einen Median von 28 Tagen (95 %-KI [26,3–29,7]). Innerhalb der Ulkusgruppen zeichnete sich ohne AMT ein Median von 7 Tagen (95 %-KI [4,2–9,8]) und mit AMT ein Median von 30 Tagen (95 %-KI [24,9–35,1]) ab.
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Unabhängig davon, ob ein Epitheldefekt mit oder ohne Defekt der Bowman-Lamelle auftrat, erwies die Anwendung des AS ohne simultane AMT eine signifikant schnellere Heilungstendenz (p < 0,001).
Vergleich von eigener Hornhaut vs. Transplantat
Die relative Verteilung des Therapieerfolges im Vergleich eigene HH vs. transplantierte HH ist der Abb. 3 zu entnehmen. Die Signifikanztestung ergab keinen Unterschied in der Erfolgsrate zwischen den beiden Gruppen (p = 0,47). Auf der eigenen HH zeigte sich ein Epithelschluss bei 72,4 % (n = 312) und auf der transplantierten HH bei 74,6 % (n = 417) der Therapien (Abb. 3a). Hinsichtlich der Rezidivrate zeigte die transplantierte HH mit 30,9 % (n = 173) eine signifikant höhere Rezidivrate (p = 0,004) als die eigene HH (22,7 %, n = 98, Abb. 3b).
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Zur Analyse des zeitlichen Auftretens der Rezidive in beiden Gruppen wurde das Kaplan-Meier-Verfahren genutzt (Abb. 4). Dieses zeigte ein signifikant schnelleres Auftreten von Rezidiven auf der transplantierten HH als auf der eigenen HH (p = 0,03). Auf der transplantierten HH traten die Rezidive mit einem Median von 7 Monaten (95 %-KI [5,2–8,8]) und auf der eigenen HH mit einem Median von 11 Monaten (95 %-KI [9,1–12,9]) auf.
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Insgesamt traten 98 Rezidive (22,7 %) auf der eigenen HH und 173 Rezidive (30,9 %) auf der transplantierten HH auf. Die prozentuale Verteilung der Anzahl der Rezidive im zeitlichen Verlauf ist der Abb. 5 zu entnehmen. Hierbei zeigte sich in den ersten 6 Monaten eine höhere Anzahl an Rezidiven auf der transplantierten HH und in den darauffolgenden Monaten eine höhere Anzahl auf der eigenen HH. Daraus ergab sich deckend zu den Ergebnissen aus der Kaplan-Meier-Analyse ein gerade im ersten halben Jahr nach Epithelschluss verstärktes Auftreten von Rezidiven auf der transplantierten HH.
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Einfluss der Grunderkrankung
Die prozentuale Verteilung des Therapieerfolges im Vergleich der 5 Gruppen von Grunderkrankungen ist der Abb. 6 zu entnehmen. Hierbei zeigten sich signifikant geringere Epithelschlussraten bei Patienten mit kongenitaler Aniridie (57,9 %, n = 33), während Patienten mit HH-Dystrophien (83,9 %, n = 52) und Traumata (81,2 %, n = 56) die höchsten Epithelschlussraten aufwiesen (p = 0,02, Abb. 6a). Zudem ergaben sich signifikant höhere Rezidivraten bei Patienten mit Traumata (46,4 %, n = 32) und kongenitaler Aniridie (42,1 %, n = 24), während Patienten mit HH-Dystrophien (8,1 %, n = 5) die bei Weitem geringsten Rezidivraten zeigten (p < 0,001, Abb. 6b).
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Diskussion
Therapieerfolg der Gesamtpopulation
In der vorliegenden Studie beobachteten wir über einen Zeitraum von 13 Jahren den Therapieerfolg von AS bei therapieresistenten Epitheldefekten der Kornea. Unsere Untersuchungen ergaben eine Epithelschlussrate von 73,6 % sowie eine Rezidivfreiheit bei 72,6 % der 990 Anwendungen. Dieser positive Effekt auf die Epithelheilung deckt sich mit den Ergebnissen vorheriger Studien. Hier zeigte sich eine Spanne der Erfolgsraten zwischen 56,2 und 100 % [10, 28, 34]. Damit lagen wir im mittleren Bereich dieser Ergebnisse. Die Rezidivrate wurde bislang in wenigen Studien über einen langen Zeitraum untersucht. In einer Studie von Ferreira de Souza et al., welche 70 Augen mit unverdünntem (100 %) AS behandelt haben, zeigte sich eine Erfolgsrate von 81 % sowie eine Rezidivfreiheit bei 84 % in einem Beobachtungszeitraum von ca. 12 Monaten, die Rezidive traten innerhalb der ersten 2 Monate auf [8]. Unsere Beobachtungszeit betrug im Median 50 Monate und zeigte dennoch eine relativ hohe Rezidivfreiheit sowie ein Auftreten der Rezidive mit einem Median von 9 Monaten. Insgesamt ist die Vergleichbarkeit der einzelnen Studien hinsichtlich ihrer Erfolgsraten eingeschränkt, da sie keine standardisierte Anwendung der Tropfen aufwiesen. Die Studien zeigten Variationen in der Herstellung (z. B. Gerinnungszeit, Zentrifugation), in der Verdünnung (Verdünnungsverhältnis und Verdünnungsmittel) sowie im Applikationsschema [10, 11]. Die verwendeten Konzentrationen der Tropfen innerhalb der Studien variierten zwischen 20 und 100 % [10, 28, 34]. Wu et al. konnten in einer In-vitro-Studie aufzeigen, dass die Migration und Viabilität der Hornhautepithelzellen bei 30 % und die Proliferation bei 15 % AS am höchsten war [36]. Eine klinische Studie von Cho et al. konnte einen schnelleren Epithelschluss bei der Anwendung von unverdünntem AS (100 %) im Vergleich zu 50 % AS nachweisen [3]. Weiterführende Untersuchungen sind an dieser Stelle notwendig, um die Herstellung und Anwendung der Topfen zukünftig zu standardisieren und dadurch das Outcome der Therapien zu verbessern [10, 11, 34].
Einfluss einer simultanen Amnionmembrantransplantation
Betrachtet man den Einfluss der simultan angewandten AMT, ergaben unsere Untersuchungen eine signifikant geringere Epithelschlussrate und langsamere Heilungstendenz bei Therapien mit simultaner AMT. Dies deckt sich nicht mit den Beobachtungen zahlreicher Studien, die der AMT eine große Rolle in der Heilung und Regeneration von Epitheldefekten zuweisen [18, 24, 26, 27, 29]. Vor allem die Anwendung bei tiefen stromalen Defekten, den Ulzera, erbrachte gute Ergebnisse [18, 24]. Eine positive Wirkung zeigte sich auch bei rezidivierenden Erosionen, persistierenden Epitheldefekten nach PKP und weiteren Erkrankungen der Augenoberfläche, wie z. B. der neurotrophen Keratopathie [2, 27, 35]. Der Beobachtungszeitraum variiert innerhalb der Studien zwischen 4 Wochen und mehreren Monaten [18, 24, 26, 27]. Die langsamere Heilungstendenz in unseren Ergebnissen erklärt sich möglicherweise durch die Tatsache, dass sich die aufgebrachte Amnionmembran erst nach 3 bis 4 Wochen aufgelöst hatte und der Epithelschluss demnach vorher spaltlampenmikroskopisch nicht eindeutig erkennbar war. Zudem konnten wir nachweisen, dass bevorzugt Patienten mit Ulzera und Rezidiven eine AMT erhalten haben. Daraus schließend wurden vermehrt Patienten mit einem schwerwiegenderen Krankheitsverlauf mit einer simultanen AMT behandelt. Folglich waren beiden Gruppen statistisch nur schwer vergleichbar, was eine mögliche Verzerrung der Ergebnisse erklärt.
Eine retrospektive Studie von Schuerch et al. an 149 Patienten mit therapierefraktären Ulzera beobachtete eine Epithelschlussrate von 70 % innerhalb 6 Monaten nach 1‑maliger Anwendung der AMT, beobachtete jedoch gleichzeitig eine Epithelschlussrate von lediglich 21 % innerhalb 4 Wochen [24]. Die Studie unterstreicht damit unsere Vermutung einer geringeren Epithelschlussrate innerhalb 4 Wochen bei schweren Verläufen [24].
Vergleich von eigener Hornhaut vs. Transplantat
In der vorliegenden Studie konnte kein signifikanter Unterschied in der Epithelschlussrate zwischen der eigenen HH und der transplantierten HH nach PKP festgestellt werden. Die transplantierte HH zeigte mit 74,6 % eine minimal höhere Heilungstendenz als die eigene HH (72,4 %). Ferreira de Souza et al. beobachteten ein gutes Ansprechen des AS bei Epitheldefekten nach PKP und sahen eine rasche Applikation auf dem TPL als sinnvoll, da lange bestehende Defekte zu Narben, Infektionen, immunologischen Abstoßungsreaktionen und letztendlich zu einem TPL-Versagen führen könnten [8]. In einer Studie von Lekhanont et al. ergab die Behandlung mit AS bei Epitheldefekten infolge chirurgischer Eingriffe am Auge, davon 83,4 % nach PKP, eine hohe Erfolgsrate von 93,9 % [17]. Weitere Studien fanden ebenfalls eine gute Reepithelialisierung der Hornhautdefekte nach PKP durch die Therapie mit AS [12]. Auch angesichts unserer Ergebnisse scheint das AS bei Epitheldefekten auf dem TPL eine effektive und prognoseverbessernde Therapieoption darzustellen.
Die hohe Anzahl von 559 Anwendungen auf der transplantierten HH in dieser Studie erklärt sich durch die Spezialisierung unserer Klinik auf das gesamte Spektrum der Hornhautchirurgie sowie durch die bereits früh postoperative Anwendung von AS bei Epitheldefekten auf dem TPL in kritischen Situationen, z. B. bei kongenitaler Aniridie.
Weitere Untersuchungen der hiesigen Studie ergaben eine signifikant höhere Rezidivrate auf der transplantierten als auf der eigenen HH. Zudem ereigneten sich die Rezidive signifikant schneller und verstärkt in den ersten 6 Monaten nach primärer Ausheilung der Defekte. Nach der PKP ist die Hornhautinnervation durch die intraoperativ durchtrennten Nervenfasern des subbasalen Nervenplexus der HH eingeschränkt. Dies führt zu einem Fehlen natürlicher Schutzmechanismen, welche die HH anfällig für die Ausbildung von Epitheldefekten und Wundheilungsstörungen macht [4]. In der klinischen Studie von Darwish et al. konnte die Restitution der zuvor nach PKP signifikant verringerten Hornhautsensibilität frühestens nach 12 Monaten beobachtet werden [4]. Eine weitere Studie konnte mittels konfokaler In-vivo-Mikroskopie eine Regeneration des vorher beschädigten subbasalen Nervenplexus durch die Applikation von AS aufzeigen [1]. Die postoperativ für einige Monate eingeschränkte Hornhautsensibilität erklärt möglicherweise die gerade in den ersten 6 Monaten verstärkt auftretenden Rezidive des Epitheldefekts auf der transplantierten HH. Das AS scheint bei der Regeneration des subbasalen Plexus unterstützend zu wirken [1]. Somit empfiehlt sich, im ersten halben Jahr nach Abheilung der Defekte auf dem TPL eine konsequente Nachbeobachtung durchzuführen sowie im Falle eines Rezidivs das AS zügig erneut zu applizieren [1, 4].
Einfluss der Grunderkrankung
Unsere Untersuchungen ergaben ein gutes Ansprechen der Therapie mit AS bei Patienten mit HH-Dystrophien, neurotrophen Ursachen und Infektionen. Während die Gruppe der Traumata mit 81,2 % eine hohe Epithelschlussrate aufwies, zeigte sie gleichzeitig eine sehr hohe Rezidivrate (46,4 %). Der vergleichsweise geringste Therapieerfolg zeigte sich bei Patienten mit kongenitaler Aniridie. Hier lag die Epithelschlussrate bei 57,9 % und die Rezidivrate bei 42,1 %. Die Aniridie-assoziierte Keratopathie (AAK) wird ausgelöst durch eine Kombination aus Limbusstammzellinsuffizienz und einer Anomalie im Bereich der Stammzellnische, welche sich durch einen abnormalen Metabolismus der extrazellulären Matrix, eine abnormale Epitheldifferenzierung und eine verringerte Zelladhäsion äußert [22]. Lagali et al. beobachteten an 46 Patienten mit kongenitaler Aniridie, dass der Mutationsstatus des PAX6-Gens den Phänotyp der AAK beeinflusst und zudem alle Patienten unabhängig vom Mutationsstatus eine verminderte Hornhautsensibilität, erhöhte Hornhautdicke und verstärkte Invasion dendritischer Zellen in der HH aufzeigten [15, 16]. Es konnte zudem in Studien gezeigt werden, dass die Anwendung von AS zu einer subjektiven und objektiven Verbesserung der AAK führt [19]. Auch nach PKP, welche bei AAK-Patienten als Hochrisikokeratoplastik eingestuft wird, konnte eine postoperative Applikation von 100 % AS in Kombination mit einer simultanen AMT, Verbandskontraktlinse, temporärer lateraler Tarsorrhaphie und systemischer Immunsuppression eine geringere postoperative Komplikationsrate zeigen [7]. Das AS scheint hiermit auch bei dieser Patientengruppe hilfreich in der Behandlung therapierefraktärer Epitheldefekte zu sein, wenn auch mit limitierter Prognose.
Limitationen
Eine Limitation unserer Studie ergab sich aus dem retrospektiven Design der Studie mit erschwertem Erfassen aller klinisch interessanten Daten. Die Epithelschlussrate innerhalb 4 Wochen konnte aufgrund des stationären Aufenthaltes der Patienten oder durch Kontrolluntersuchungen nach 3 bis 4 Wochen ermittelt werden. Jedoch konnten der genaue Zeitraum bis zum Epithelschluss der nach 4 Wochen noch nicht abgeheilten Fälle sowie die Verläufe ohne finalen Epithelschluss nicht näher untersucht werden, da sich die Patienten zu diesem Zeitpunkt häufig in der ambulanten Nachbeobachtung befanden. An dieser Stelle sind zukünftige prospektive Studien zum Ermitteln offener Fragen von großem Interesse.
Fazit für die Praxis
Das autologe Serum (AS) stellt eine effektive Therapieoption in der Behandlung therapieresistenter Epitheldefekte dar. Unsere Langzeitbeobachtung ergab eine Epithelschlussrate von 73,6 % sowie eine Rezidivrate von 27,4 % nach vorherigem Erfolg.
Es zeigt auf der transplantierten Hornhaut eine hohe Erfolgsrate bei gleichzeitig höherer Neigung zur Ausbildung von Rezidiven, v. a. im ersten halben Jahr nach Epithelschluss.
Das AS ist bei verschiedenen Grunderkrankungen erfolgreich anwendbar, zeigt jedoch deutliche Limitationen bei der kongenitalen Aniridie.
Weitere randomisierte kontrollierte Studien sind notwendig, um offene Fragen wie den isolierten Effekt des AS im Vergleich zur Amnionmembrantransplantation bzw. der Kombination aus beidem zu klären.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
L. Weischnur, K. Xanthopoulou, C. Munteanu, M. Leonhard, L. Daas und B. Seitz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Autologe Serumaugentropfen bei therapieresistenten Epitheldefekten der Kornea Einfluss der Grunderkrankung und einer simultanen Amnionmembrantransplantation bei 990 Anwendungen
verfasst von
Laura Weischnur Kassandra Xanthopoulou Cristian Munteanu Marie Leonhard Loay Daas Berthold Seitz
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