Erschienen in:
01.06.2013 | Originalien
Therapiezieländerungen auf einer internistischen Intensivstation
Einfluss von Willensäußerungen der Patienten auf Therapieentscheidungen
verfasst von:
Prof. Dr. R. Riessen, C. Bantlin, U. Wiesing, M. Haap
Erschienen in:
Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
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Ausgabe 5/2013
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Zusammenfassung
Hintergrund
Der Respekt vor der Selbstbestimmung des Patienten hat nicht zuletzt durch das Dritte Betreuungsrechtsänderungsgesetz von 2009 in der Medizin eine starke Aufwertung erfahren. Die hier vorgestellte Studie untersuchte den konkreten Einfluss direkter oder vermittelter Willensäußerungen der Patienten auf die Therapieentscheidungen am Lebensende auf der internistischen Intensivstation eines Universitätsklinikums.
Methoden
Retrospektive Analyse aller im Krankenhaus verstorbenen Patienten der Jahre 2009 und 2010, die auf der internistischen Intensivstation eines Universitätsklinikums behandelt wurden.
Ergebnisse
Insgesamt wurden im Beobachtungszeitraum 3401 Patienten intensivmedizinisch behandelt, 19% (n=658) verstarben im Krankenhaus. Von diesen 658 verstorbenen Patienten verstarben 126 Patienten (19%) unter maximaler Therapie, 241 (37%) unter Vorenthalt weiterer lebenserhaltender Maßnahmen und 245 (37%) nach Beendigung lebenserhaltender intensivmedizinischer Maßnahmen. Bei 46 Patienten (7%) hatte man sich von Beginn an auf eine palliativmedizinische Behandlung beschränkt. In 104 Fällen (16%) entschieden sich die Patienten direkt für eine Therapiebegrenzung, in 78 (12%) lag eine Patientenverfügung vor. In 541 Fällen (82%) waren die Angehörigen in die Entscheidungen zur Therapiebegrenzung eingebunden. Bei keinem Sterbefall traten auf der Intensivstation ernsthafte oder nicht lösbare Konflikte mit den Angehörigen auf, das Vormundschaftsgericht musste nicht eingeschaltet werden.
Schlussfolgerung
Bei einem hohen Anteil der im Rahmen einer Intensivbehandlung verstorbenen Patienten (81%) waren Therapiebegrenzungen oder -zieländerungen unter Einbindung der Patienten bzw. deren Angehörigen erfolgt. Das geltende Betreuungsrecht ist im Einklang mit einer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits etablierten Praxis der Entscheidungsfindung am Lebensende.