Häufigkeit der Befunde
In der vorliegenden Studie waren 75 % aller exzidierten Bindehautläsionen benigne, 25 % maligne. Im Vergleich dazu fanden Shields et al. eine Häufigkeit benigner Befunde in 52 % und prämaligner sowie maligner Befunde in 48 % aller Fälle [
3]. Garcia et al. fanden eine Häufigkeit benigner Befunde von 66,5 % sowie prämaligner und maligner Befunde in 33,6 % [
4].
Die melanozytären benignen Befunde machten insgesamt 13,2 % aller Fälle aus, wovon die konjunktivalen Nävi mit 12,3 % aller Fälle den größten Anteil hatten. Im Vergleich dazu fanden sich bei Shields et al. eine Häufigkeit von konjunktivalen Nävi von 23 % aller Befunde und bei Holbach et al. 26 % aller Befunde [
3,
5]. Bei Garcia et al. machten konjunktivale Nävi sogar 29 % aller Befunde aus [
4]. Trotz der niedrigeren Anteile von benignen Nävi an allen Befunden war auch in dieser Studie wie in den genannten Arbeiten der konjunktivale Nävus die häufigste Neoplasie der Bindehaut.
Insgesamt waren in dieser Studie 7,1 % aller Befunde epithelial benigne. Dabei war das Papillom die häufigste Entität. Auch Holbach et al. fanden einen Anteil von 7,2 % an epithelial benignen Befunden [
3]. Dagegen fanden Shields et al. einen Anteil epithelial benigner Befunden von 2 % [
9]. Die unterschiedlichen Häufigkeiten könnten durch verschiedene Einschlusskriterien erklärt werden. Als Beispiel, bei Shields et al. wurde die aktinische Keratose nicht zu den epithelialen benignen Befunden gezählt, während sie in dieser Studie und bei Holbach et al. zu den epithelialen benignen Befunden zählten.
Die Diagnosen aus der Gruppe epithelial maligne machte insgesamt 9,5 % aller Befunde aus. Eine ähnliche Häufigkeit epithelialer maligner Befunde wurde auch bei Holbach et al. mit 11,1 % gefunden [
5]. Ein etwas höherer Anteil wurden bei Garcia et al. mit 14,9 % (CIN 11,7 % und Plattenepithelkarzinom 3,2 %) und bei Shields et al. mit 14 % (CIN 5 % und Plattenepithelkarzinom 9 %) beschrieben [
3,
4].
Melanozytär maligne waren 8,6 % aller Befunde. Ein ähnliches Ergebnis fand sich bei Garcia et al. mit einem Anteil von 6,2 % melanozytärer maligner Neoplasien [
4]. Bei Shields et al. fanden sich insgesamt 24 % melanozytär maligne Befunde [
3]. Im Vergleich dazu fanden Holbach et al. einen Anteil von 25 % an melanozytären malignen Neoplasien [
5].
Unterschiede in der Häufigkeit benigner und maligner Befunde könnten durch die verschiedenen länderspezifischen Gesundheitssysteme oder unterschiedlichen populationsbasierten Faktoren und Expositionen, wie z. B. erhöhte Sonnenlichtexposition, erklärt werden. Zudem ist bei vielen eindeutig benignen Befunden eine Exzision in der Regel nicht erforderlich, weshalb diese in den Auswertungen nicht erfasst wurden. In einer Arbeit von Dalvin et al. wurde die populationsbasierte Inzidenz sowie die Häufigkeit von konjunktivalen Tumoren anhand der klinischen Diagnosen in einem Register errechnet. Hier zeigte sich eine deutlich höhere Inzidenz von benignen Tumoren mit 94 % und eine niedrigere Inzidenz bei malignen Tumoren mit 6 %. Dennoch ist in der erwähnten Studie der konjunktivale Nävus ebenfalls die häufigste Neoplasie [
6]. Die Studien wie die vorliegende, die nur Fälle mit histopathologischen Befunden einschließen, scheinen die wahre Verteilung benigner Befunde zu unterschätzen, während die Verteilung maligner Befunde überschätzt wird. Im histologisch beurteilten Auswertungsgut müssen wir daher von einem Bias ausgehen.
Testgüte der klinischen Diagnose
Vor dem Hintergrund, maligne Befunde sicher zu erkennen, ist eine hohe Spezifität und Sensitivität von Bedeutung. Die gefundenen Werte der vorliegenden Studie für die klinische Einschätzung maligner Dignität sind als gut zu bewerten. Die Übereinstimmung von klinischer Einschätzung der Dignität und dem histologischem Befund ist nach Landis und Koch mit einem Cohen-Kappa-Wert von > 0,7 als „substanziell“ einzustufen [
7].
Dennoch gibt es Fälle, bei denen die klinische Einschätzung falsch lag. In dieser Studie kam es in drei Fällen zu einer klinisch falschen benignen Einschätzung. In allen Fällen lag eine klinisch untypische Läsion vor, die die Einschätzung schwer machte.
Cinotti et al. fanden vergleichbare Werte für die Korrektheit klinischer Diagnosestellung bei Plattenepithelkarzinomen mit einer Sensitivität von 1,00 (95%-KI: 0,68–1,0), Spezifität 0,4 (95%-KI: 0,73–0,83) und einem positiven Vorhersagewert von 0,79 (95%-KI: 0,49–0,94) [
2]. Wir ermittelten eine Sensitivität für epitheliale maligne Neoplasien von 0,95 (95%-KI: 0,76–0,99), eine Spezifität von 0,94 (95%-KI: 0,90–0,97) und einen positiven Vorhersagewert von 0,65 (95%-KI: 0,45–0,81). Die Unterschiede in der gefundenen Spezifität zwischen dieser Arbeit und der von der Arbeitsgruppe um Cinotti könnten sich durch die verschiedene Anzahl an untersuchten Fällen erklären. Cinotti et al. haben 56 Fälle mit Neoplasien der Bindehaut in ihre Auswertung eingeschlossen, davon waren etwa 20 % Plattenepithelkarzinome [
2]. Die histologischen Diagnosen, die klinisch mit einem Plattenepithelkarzinom verwechselt worden sind, sind unter anderem die aktinische Keratose, die reaktive entzündliche Epithelhyperplasie und unspezifische entzündliche Veränderungen. Holbach et al. und weitere beschreiben, dass die genannten Läsionen einem Plattenepithelkarzinom sehr ähneln können und die Diagnose erschweren können [
5,
8].
Bei den malignen melanozytären Läsionen lässt sich als Vergleich die bereits erwähnte Arbeit von Cinotti et al. heranziehen. Dort wurde für die klinische Diagnose maligner Melanome eine Sensitivität von 0,73 (95%-KI: 0,39–0,93), eine Spezifität von 0,96 (95%-KI: 0,79–1,0) und ein positiver Vorhersagewert von 0,61 (95%-KI: 0,36–0,82) gefunden [
2]. Wir ermittelten eine Sensitivität für epitheliale maligne Neoplasien von 0,95 (95%-KI: 0,76–0,99), eine Spezifität von 0,94 (95%-KI: 0,90–0,97) und einen positiven Vorhersagewert von 0,65 (95%-KI: 0,45–0,81). Im Vergleich fällt ein Unterschied in der Spezifität auf. Erklärt wird dies dadurch, dass bei bei Cinotti et al. klinisch in 38 Fällen der Verdacht auf ein malignes Melanom gestellt wurde und nach Exzision nur in 11 Fällen eine Diagnose bestätigt wurde. Es wurde also klinisch häufiger der fälschlicherweise der Verdacht geäußert. Dennoch zeigen die anderen Werte ein vergleichbares Ergebnis.
Zwar zeigen die gefundenen Werte, dass der klinische Verdacht auf Malignität in den meisten Fällen zuverlässig ist. Dennoch wurde in der vorliegenden Studie in zwei Fällen klinisch eine melanozytär benigne Läsion (Nävus) vermutet, die sich histologisch als melanozytär maligne herausstellte. Da jedoch in diesen Fällen in der Regel die Exzision auch direkt die Therapie darstellt, sollte bei untypischen Läsionen eine frühe Exzision angestrebt werden.
Die Gruppe der übrigen malignen Neoplasien bestand in dieser Arbeit ausschließlich aus Lymphomen der Konjunktiva. Alle Patienten mit einem Lymphom wurden initial klinisch auch dementsprechend beurteilt. Ein ähnliches Ergebnis zeigt auch die Arbeit von Cinotti et al. mit einer gefundenen Spezifität für die klinische Diagnose von Lymphomen von 1,0 (95%-KI: 0,2–1) und einem positiven Vorhersagewert von 1 (95%-KI: 0,2–1) [
2]. Eine Biopsie ist dennoch nicht nur für die Diagnosestellung, sondern auch für die Planung der weiteren Therapie notwendig [
9].
Wie bereits aufgeführt, wurden in dieser Studie nur Befunde nach Exzision eingeschlossen. Es muss daher von einem Bias in der Häufigkeit zugunsten von malignen Befunden ausgegangen werden. Darüber hinaus birgt das Setting an einer universitären Augenklinik ebenfalls Limitationen. Eindeutige Befunde werden oft in der Niederlassung behandelt und nicht zur Beurteilung an die Universitätsklinik überwiesen. Wie bereits ausgeführt, beeinflussen auch die Einschlusskriterien das Ergebnis.
Dabei ist es wahrscheinlich, dass es in einigen Fällen klinisch sicherheitshalber ein maligner Verdacht gestellt wurde, der sich histologisch als benigne herausstellte. Vor dem Hintergrund, dass eine falsche klinische benigne Diagnose für den betroffenen Patienten schwere Konsequenzen hat, ist ein solches Vorgehen sicherlich gerechtfertigt. Ein falscher klinischer maligner Verdacht, der sich histologisch als benigne entpuppt, verläuft hingegen für die Patienten häufig besser als vice versa.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die klinische Einschätzung von Bindehautbefunden in dieser Studie als gut einzustufen ist. Dennoch ist auf die enorme Wichtigkeit einer guten Differenzialdiagnostik hinzuweisen. Es hat sich gezeigt, dass nicht in allen Fällen ein maligner Befund sicher erkannt wird. Da dies für Patienten weitreichende Folgen haben kann, sollte im klinischen Alltag die Verdachtsdiagnose kritisch hinterfragt werden und im Zweifel eine Exzision angestrebt werden.